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Ah, wie schön kann Atmen sein!
© dpa

Die Yoga-Kolumne: Lieber Katze und Kuh als Krähe und Kraft

Üble Laune schlägt auf den Unterricht. Dagegen gibt es nur ein Mittel: richtiges Atmen.

Von Katja Demirci

Der positive Effekt einer Yogastunde, einer der Gründe, warum ich es liebe, ist: Danach fühlt man sich besser als vorher. Wirklich immer. Und zwar unabhängig davon, wie müde oder schlapp man zu Beginn war. Wer nach eineinhalb Stunden von der Matte tritt, tut dies mit leichterem Herzen.

Es ist nicht immer einfach, sich das vor einer Yogastunde ins Gedächtnis zu rufen. Manchmal muss ich mich dazu zwingen. Neulich hatte ich so schlechte Laune, dass ich überzeugt war, meine Anwesenheit niemandem zumuten zu können. Schon gar nicht meiner entzückenden Yogalehrerin. Sie ist Italienerin, und von ihr begrüßt zu werden, ist der sonnige Anfang einer jeden Stunde.

Katze-Kuh-Kombi

Ich verkroch mich zum Umziehen in eine dunkle Ecke. Überhaupt war ich nur deswegen hier, weil das Studio auf meinem Heimweg liegt und ich wie ferngesteuert in diese Richtung geradelt war, statt vorher rechts abzubiegen und meine miese Laune nach Hause zu tragen. Natürlich fragte sie, wie es mir geht.

„Schlecht. Ich habe sehr schlechte Laune.“

„Wie gut, dass du da bist!“

„Mh.“

Ich setzte mich auf eine Matte ganz am Rand und schloss sofort die Augen. Es war ein heißer Tag, und zwei Mit-Yoginis klagten über Schwindel. Ich hätte mich am liebsten sofort in die Krähe geschwungen, so dass ich all meine Konzentration darauf verwenden müsste, nicht umzufallen. Stattdessen begannen wir mit der Katze-Kuh-Kombi.

Leichtes Herz

Hände und Knie auf die Matte in den Vierfüßlerstand, einatmen, Kopf und Brustbein nach vorne oben strecken, leicht im Hohlkreuz, ausatmen, den Rücken runden, Kinn zur Brust. Ein ums andere Mal atmeten wir langsam ein und langsamer aus. Kuh. Katze. Kuh. Katze.

Um ehrlich zu sein, erinnere ich mich nicht an viel mehr von dieser Praxis. Nur eben, dass ich nach eineinhalb Stunden leichten Herzens von der Matte trat.

„Und, wie geht es dir?“

„Besser.“

„Was immer hilft bei schlechter Laune“, verriet mir meine Lehrerin mit einem Zwinkern. „Die Ausatmung verlängern.“

Ein Ratschlag, den ich seitdem, wann immer es geht – beziehungsweise wann immer es nicht mehr anders geht – beherzige. Tatsächlich ist bewusstes Atmen ein Teil des Yoga, der sich ideal in den Alltag integrieren lässt. Und unauffällig noch dazu, weil: Atmen muss jeder.

Wunder geschehen

Als ich mich neulich rasend darüber ärgerte, dass bei gefühlten 45 Grad in der U-Bahn niemand für mich und meinen Babybauch aufstehen wollte, schloss ich die Augen und atmete schön langsam aus. Während ich noch dachte, dass in sommerlichen U-Bahnen Ausatmen besser als Einatmen ist, stupste mich ein Mann an: Ich möge mich doch setzen.

In den Wochen seit besagter Yogastunde schwebe ich auf Atemwölkchen durch die Stadt. Ich atme mich durch die lange Pfandrückgabeschlange im Supermarkt und schnaufe beim Bäcker dem Vordrängler ins Genick, der das letzte Croissant wegkauft. Man muss den Unfreundlichen dieser Stadt nicht mit entwaffnender Freundlichkeit begegnen. Man kann sie einfach anatmen.

Mittlerweile denke ich, dass die Strategie meiner Yogalehrerin in jedem Berlin- Stadtführer stehen sollte. „Die Sonnenallee ist eine der Hauptverkehrsstraßen im Bezirk Neukölln. Fahren Sie stets mittig und vergessen Sie nicht zu atmen.“

Den Typ, der dort vor zwei Tagen kurz vor meinem Fahrrad die Autotür öffnete, habe ich trotzdem angeschrieen. Und anschließend beherzt geschnaubt.

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