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Viele Yogakurse enden traditionell mit einer kurzen Meditation.
© dpa

Die Yoga-Kolumne: Wie ich lernte, die Oms zu lieben

Jeder kennt das berühmte Mantra: Om! Unsere Kolumnistin reizte es am Anfang zum Kichern. Heute nicht mehr. Warum erzählt sie hier.

Von Katja Demirci

Neulich, am Ende einer Yogastunde, sangen wir es im Kanon. Das Om. Dieses berühmte Mantra, das jeder, wirklich jeder, mit Yoga in Verbindung bringt. Bei fast allen meiner Lieblingslehrer gehört es zum festen Bestandteil der Stunde. Gemeinsam gesungen zu Beginn und am Ende, liegt es wie eine brummende Klammer um die Trainingseinheit.

Ein Kanon zum Schluss, das ist wirklich prima. Irgendwann summt und vibriert alles und jeder und scheinbar der ganze Raum. Der Ton wird zur Welle, die uns Yogis am Ende sanft aus dem Studio auf die Straßen spült. Das funktioniert natürlich nur, wenn alle mitmachen. Bei einem Kanon zum Schluss, wir waren zehn, bemerkte ich gleich neben mir ein Loch im Klangteppich. Meine Yogini zur Rechten sang nicht mit, was mein eigenes Om nicht nur lauter, sondern auch bedrohlich kippelnd klingen ließ. Nanu?

Vielen ist das Om zu esoterisch

Natürlich, es gibt Leute, denen ist das Om zu esoterisch: zu viel Mantra, zu viel Gruppendynamik. Ging mir am Anfang ähnlich. Da fand ich es reichlich komisch und musste sogar ein Kichern unterdrücken. Nicht mit mir, dachte ich, und blieb stumm. Vermutlich misstraute ich dem Spirituellen im Om, das die kosmische Schwingung symbolisieren soll, das Ewige, Unendliche undsoweiter. Es ging mir wie Mitchell in der lustigen Serie „Om City“, der ein Yogastudio betreibt und seine Lehrerin Grace bittet, fortan ein stummes Om zu tönen – weil die Hipster-Kunden nicht auf das laute Gesinge stehen. Macht euren Kram im Kopf, das war auch meine Einstellung. Bis ich es irgendwann, ich glaube sogar aus Versehen, einfach mitsummte.

Mittlerweile liebe ich das Om, es fehlt mir, wenn es nicht gesungen wird. Mehr noch: Es können mir gar nicht genug Oms sein am Ende einer Stunde, weniger als drei ist öde. Besonders schön ist es, wenn alle Oms der Gruppe harmonisch gemeinsam durch den Raum wabern, nicht eines schief klingt – und in der Folge dann alle zusammen. Ein schiefes Om nach dem Yoga ist wie ein steifes Genick. Nach einem schönen dagegen verlässt man das Studio mit dem Gefühl, eine einmal angeschlagene und ewig weitervibrierende Stimmgabel zu sein, an der alles Böse der Welt abprallt.

Katja Demirci schreibt regelmäßig über Yoga.
Katja Demirci schreibt regelmäßig über Yoga.
© Mike Wolff

Ganz nebenbei ist das Singen, das sogenannte Chanten, auch eine Atemübung. Wenn nämlich ein Om genauso laaaaange dauert wie das Ausatmen. Idealerweise hat der Lehrer, an dem man sich orientiert, ein ähnliches Lungenvolumen wie man selbst. Sonst bleibt einem nichts übrig, als nach Luft zu schnappen, aufzuhören und sich feige vom Gesang der anderen tragen zu lassen. Vielleicht, dachte ich neulich, tat die Yogini rechts von mir genau das.

Ihr zu unterstellen, dass ihr das Gesinge peinlich war, wie mir zu Beginn, das schien mir zu gemein. Heimlich blinzelte ich zu ihr hinüber. Sie saß still da, hielt die Hände wie wir alle in der Gebetshaltung vor der Brust, die Beine gekreuzt und die Augen geschlossen. Ihr Gesicht sah friedlich aus und konzentriert.

Mein Om war ihr Om

Mit einem Om war mir alles klar. Die Energie, die wir Yogis ins Universum brummten, produzierten wir gar nicht nur für uns allein. Mein Om war genauso ihres, die Oms der Übrigen genauso meine. Niemand hier sang nur für sich selbst, Schande, ich schenkte ihr sofort mein schönstes letztes Om. Wer weiß, welche Probleme sie hatten verstummen lassen, welche Sorgen sie beschäftigten. Wenn ich etwas tun konnte – om!

Am Ende der Stunde lächelte ich ihr zu, als sie sich einen dicken Schal umband. Okay, vielleicht war sie einfach nur erkältet.

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