Angelika-Kauffmann- Museum in Österreich: Kunst am Berg
Im Bregenzerwald verbirgt sich ein Schatz: Das Museum für die Barockmalerin und Goethe-Vertraute Angelika Kauffmann.
Schwarzenberg im österreichischen Vorarlberg. Plötzlich war von diesem sagenhaften Ort die Rede, kaum 100 Kilometer südlich von Berlin im Sommer 2018. Da gab es im Gartenreich Wörlitz im einstigen Haus der Fürstin Louise von Anhalt-Dessau eine grandiose Ausstellung von 150 Gemälden der mit Louise befreundeten Barockmalerin Angelika Kauffmann (1741-1807). Deren Familie stammte aus dem unweit des Bodensees liegenden Schwarzenberg. Die Künstlerin, obwohl im schweizerischen Chur geboren, und das idyllische Bergbauerndorf gehören bis heute zusammen: dank des dort in einem fast 500-jährigen Holzhaus installierten Angelika-Kauffmann- Museums.
Die Goethe-Freundin und Vertraute vieler Berühmtheiten des späten 18. Jahrhunderts war selbst die prominenteste und erfolgreichste Malerin ihrer Zeit. Eine Ausnahmeerscheinung – nicht nur, weil sie als eine von zwei Frauen 1768 zu den Gründungsmitgliedern der Royal Academy in London gehörte. Johann Gottfried Herder, der sie wie Goethe in Rom besuchte, wo sie auch begraben und mit einer Büste im Pantheon verewigt ist, nannte Kauffmann die „vielleicht kultivierteste Frau Europas“.
Am Gipfel des Bödele-Passes
Auf großmaßstäblichen Landkarten ist Schwarzenberg kaum zu finden. Im Internet natürlich schon, und sehr schnell stößt man da auch auf den Gasthof „Hirschen“: außer dem Museum offenbar das kultivierteste Haus am Platz der einst kultiviertesten Frau Europas. Es ist 260 Jahre alt und steht nur wenige Meter entfernt vom gleichfalls noch erhaltenen Haus ihrer Familie. Wer hierher nun mit dem Auto von Deutschland kommt, lässt Bregenz und den Bodensee rechts liegen und fährt auf der Rheintal-Autobahn ein paar Minuten weiter bis Dornbirn. Dort aber gibt es zwei Ausfahrten, Nord und Süd – mit knapp halbstündigen Auffahrten ins Gebirge Richtung Bregenzerwald und Schwarzenberg.
„Bei guter Sicht empfehlen wir die Ausfahrt Dornbirn-Süd und die Panoramastrecke über das Bödele“, hat uns vorab in einer Willkommensmail schon eine der Empfangs-Damen des „Hirschen“ gemailt. Tatsächlich müsste es noch eine Steigerung des Wortes „Panorama“ geben für das, was einen auf der steil, aber nie haarnadelscharf durch Bergwiesen und lichte Wälder, vorbei an einigen Bauernhöfen und Aussichtscafés führenden Bödele-Straße erwartet. An einem späten Sommernachmittag leuchtet in der Tiefe zuerst der Bodensee. Man sieht an schönen Haltepunkten über Bregenz und Lindau hinweg weit hinaus über das von Segelschiffen gesprenkelte „Schwäbische Meer“.
Die Aussicht nennen sie hier, weil sich nach Süden und Osten die Schweizer und auch die Tiroler Berge anschließen, den „Dreiländerblick“. Danach geht es auf 1140 Meter hoch zum Gipfel des Bödele-Passes, und hier wird’s überwältigend. Plötzlich öffnet sich landeinwärts eine weite, von Felsgebirgen, Almen und waldigen Hügeln gesäumte Mulde. Sie gleicht einem enormen Amphitheater, und der Zuschauer sieht herab auf die Bühnenmitte tief unter sich. Die dort hingestreuten Häuser und Höfe, das muss dann Schwarzenberg sein. Diese Kulisse ist ungeheuer, man findet in Mitteleuropa kaum einen tolleren Rundblick.
„Sie sind wegen der Festspiele hier?“
Trotzdem ist der Weg, von dem übrigens wunderbare, bergsteigerisch eher anspruchslose, also auch für Familien mit Kindern geeignete Wanderungen abzweigen, nicht das Ziel. Also herab nach Schwarzenberg, dessen Name nicht ganz passen will. Doch vermutlich waren die Tannen des Bregenzerwalds dort einst dichter und dunkler gestanden, wo jetzt im Sommer blühende Wiesen (und im Winter teilweise Skihänge) sind.
Das Dorf auf gut 700 Meter Höhe hat heute 1900 Einwohner, und die meisten der entlang einer in sanften Schlangenlinien abfallenden Landstraße gelegenen Häuser sind noch aus Holz oder mindestens holzverkleidet. Es sind stattliche, blumengeschmückte Höfe, auch etliche schöne Gasthöfe. Der edelste ist das mit einem neuzeitlichen, doch im alten Holzstil gehaltenen Nebenhaus verbundene, im Inneren mit allem heutigen Komfort modernisierte Hotel „Hirschen“. Nahebei steht die Dorfkirche mit einem Altargemälde und frühen Fresken von Angelika Kauffmann und gleich gegenüber ein ebenfalls holzgebauter kleiner Touristenpavillon: mit der Haltestelle des zum Bodensee verkehrenden, während der Bregenzer Festspiele im Sommer besonders frequentierten Busses. Festspielbesucher können mit ihrer Eintrittskarte gratis und bis gegen Mitternacht von Bregenz per S-Bahn und Umsteiger in den Landbus binnen einer Stunde von den Aufführungen zurück in die Bergidylle gelangen.
„Sie sind wegen der Festspiele hier?“, ist die erste Frage an der Rezeption im „Hirschen“. Umso mehr verblüfft dort die Antwort, dass man erst mal „nur“ wegen Schwarzenberg in Schwarzenberg sei. Und natürlich wegen des Kauffmann-Museums. Das liegt zu Fuß kaum fünf Minuten oberhalb des Hotels, neben der Feuerwehrstation und einem ehemals wohl für Alte und Kranke gedachten „Bürgerheim“.
Ihr Talent wird früh erkannt
Längst ist das Museum im Besitz der Gemeinde. Als es 1556 erbaut wurde, war es das Anwesen des Bürgermeisters der durch Holzhandel, Handwerk und Viehwirtschaft offenbar schon vor den Zeiten des Ferientourismus zu Wohlstand gelangten Ortschaft.
Von außen unspektakulär, ist der Museumsbau im Inneren eine Überraschung. Das Foyer mit der Kasse und einem geschmackvollen Buch- und Souvenirangebot teilt den originalen Holzbau. An der einen Wand der kleinen Halle sieht man im offenen Anschnitt noch die Jahresringe der einst verarbeiteten Bäume, dahinter öffnen sich in verschachtelten niedrigen Gängen die vormaligen Wohnstuben, Küche und Werkstätten der Bürgermeisterfamilie. Wobei die gegen den Holzwurm kämpfenden Regale und Simse auch mit Silber, Porzellan und Gläsern der Kauffmann-Zeit bestückt sind, häufig versehen mit Motiven aus dem Werk der Malerin. Das ist das ländliche, aber ganz unprovinzielle Gemeindemuseum.
Auf der anderen Seite öffnet sich der Angelika Kauffmann gewidmete Teil. Die zunächst in der Schweiz und Oberitalien aufgewachsene Tochter des viel im Ausland tätigen Schwarzenberger Porträt- und Freskenmalers Joseph Johann Kauffmann ist erst als 15-Jährige, nach dem Tod der Mutter, für einige Zeit in das Vorarlberger Familienhaus gezogen. Da aber hatte nicht nur der Vater längst das künstlerische Talent der Tochter erkannt. Als in Italien geschultes „Wunderkind“ half Angelika bereits, die Dorfkirche mit ihren eigenen Apostelfresken auszumalen. Später, als Hochberühmte, hat sie der Heimatgemeinde dann auch das Altarbild mit einer Marienkrönung gestiftet.
Viele Exponate blieben lange unentdeckt
Das Schwarzenberger Museum existiert bereits seit 1913. Doch erst 2007, zum 200. Todestag Angelikas, hat es das renommierte Vorarlberger Architekturbüro Dietrich Untertrifaller restauriert und in den mit dem Wohnhaus verbundenen früheren Stall einen von diskreten Stahlträgern gestützten zweiten hölzernen Kubus eingebaut: als weiß strahlende Ausstellungshalle des Museums. Im Frühjahr und Sommer ist dieser raffinierte Bau im Bau klimatisiert. „Aber winters müssen wir leider schließen“, sagt die für Führungen und Erläuterungen kunsthistorisch wie heimatgeschichtlich gleichermaßen beschlagene junge Museumsmitarbeiterin Bernadette Rüscher. Das ummantelte alte Haus könne „aus konservatorischen Gründen nicht entsprechend beheizt werden“.
Im nahen Bregenz ist im Vorarlbergmuseum bis 6. Oktober noch die große, vergangenes Jahr in Wörlitz gezeigte Kauffmann-Ausstellung zu sehen, während in Schwarzenberg bis 3. November jetzt etwa 30 Gemälde und Stiche sowie einige zugehörige Autographen zu biblischen Motiven zu besichtigen sind. Darunter eines der beiden letzten, vor ihrem Tod in Rom gemalten Bilder, die Heilige Maria Magdalena, Angelikas „Schwanengesang“. Neben internationalen Leihgaben und eigenen Schwarzenberger Beständen stammen die Exponate beider Präsentationen vornehmlich von einem anonym gebliebenen Vorarlberger Kauffmann-Sammler. Bernadette Rüscher lacht: „Ja, das gibt es wirklich noch, dass jemand von hier trotz weltweitem Interesse mit seinen Schätzen von der Öffentlichkeit unentdeckt im Hintergrund bleibt!“
Zum Abendessen im Garten des „Hirschen“, mit dem späteren Wechsel in die holzgetäfelten Restauranträume, gibt es als Clou dann das rosa Filet vom Ziegenkitz und einen Salat mit einer „Schweinefußvinaigrette“. Auch das: ein Coup.
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