Mode: Die Trends des Herbstes 2019: Jetzt mal im Ernst
Im nächsten Herbst zeigt sich Mode angezogener und erwachsener. Die Designer haben genug mit Mustern und Farben gespielt, jetzt kommen die Klassiker.
FRAUEN
Das eindrücklichste Karo gab es bei William Fan zu sehen. Es war so groß, dass es wirklich nur auf einen weiten Mantel passte. Eigentlich gab es keine Kollektion bei der Fashion Week in Berlin, in der das klassische Muster nicht vorkam. Zugegeben, das mit dem Karo ist nicht wirklich neu. Aber es zeugt von einer gewissen Beharrlichkeit, dass es im nächsten Winter nicht mehr nur auf Mänteln, sondern auch auf Hosen wie bei Danny Reinke, auf Anzügen wie bei Richert Beil und gern auch mal auf einem gestrickten Overall im Schottenkaro von Lou de Bètoly Platz findet. Für den nächsten Winter könnte es also das Muster Nummer eins werden.
Überhaupt waren die Muster deutlich übersichtlicher als bisher. Nach dem Musterwahnsinn, den die italienische Luxusmarke Gucci vor ein paar Saisons auslöste, ist es kein Wunder, dass alles jetzt etwas zurückhaltender wird. In dieser Woche gab es das Karo auch ganz klein kariert, zum Beispiel bei Odeeh auf einem langen, weich fallenden Mantel. Überhaupt Mäntel. Die haben wir schon im vergangenen Winter ausgiebig besungen, weil sie sich gegen die allgegenwärtigen Daunenjacken behaupten können. Statt des schweren Wollmantels war dieses Mal eine leichtere, oft ungefütterte und dadurch weichere Variante zu sehen, die sich laut Malaika Raiss ganz hervorragend für den Zwiebellook anbietet, und der drängt sich bei unserem zunehmend schwankenden Klima ja auf.
Unter solch einen Mantel passt gut ein Anzug, der jetzt wieder schnittiger ist als in den vergangenen Saisons. Angefangen hat die Rückkehr zum Anzug mit übergroßen Jacketts, die mit hochgekrempelten Ärmeln aussahen wie abgelegte Männergarderobe und vor allem an sehr modischen Frauen funktionieren. Jetzt sind die Anzüge immer noch lässig, siehe Richert Beil (oben), aber sie sind eindeutig für Frauen konstruiert.
Noch etwas setzt sich durch: der Rock. Und zwar in einer etwas schwierigen Länge, bis zur Mitte der Wade und ab der Taille weit ausgestellt. So kommt zwar opulenter Brokatstoff wie bei Odeeh gut zur Geltung, aber nicht die Beine. Gern kombiniert werden große Röcke mit großen Wollpullovern wie bei Dawid Tomaszewski. (Grit Thönnissen)
Beige und seine Verwandten sind eine echte Alternative zu Schwarz, denn man braucht sich dabei um Farbkombinationen keinen großen Gedanken zu machen. Da lässt es sich leicht mit Strukturen und Materialien spielen, die von rutschiger Seide über groben Strick bis zu kuscheligem Teddystoff reichen. Das Material aus Kindertagen gibt es als Mantel, Blouson und Overall. Wer da nicht umarmt wird, nimmt sich einfach selber in den Arm.
Wie vielfältig man Beige, Weiß und Nude-Töne kombinieren kann, hat die Stylistin Claudia Hofmann mit ihren nachhaltigen Multibrand-Looks für die Neonyt-Schau perfekt vorgemacht. Naturverbundenheit und urbane Lässigkeit – beides ist möglich. Beigetöne können außerdem, je nach Hauttyp, den letzten Hauch von Bräune hervorkitzeln oder noble Blässe unterstreichen. Noch ein Vorteil: Die gesamte Sommergarderobe darf mitspielen und als Lagenlook für Komfort bei jeder Art von Winterwetter und dem Weg durch zugige Straßen und stickige U-Bahnen sorgen. Dabei heißt es aber leider auch: Abstand von ungewaschenen Autos halten und Vorsicht beim Hinsetzen!
Wer es kräftig mag, dem leuchtet aus dem Farbspektrum für den nächsten Herbst und Winter eine Farbe besonders kräftig entgegen: Koralle, das warme Orangerot, das die Sonne in sich trägt. Luxuriöse Goldreflexe stellen seidig glänzende Stoffe besonders schön heraus, ein weiteres Modethema des nächsten Winters. Keine Angst, moderne Fasern wie die aus Holz gewonnene Faser Tencel bieten Veganern und Verweigerern der Handwäsche eine gute Alternative. Die seidigen Stoffe glänzen um die Wette, tragen Strukturen wie asiatisch inspirierte Wellenmuster in sich, die für Tiefe und zusätzlichen Stand sorgen, oder sind plissiert. Wer so richtig rot sieht, trägt Koralle großflächig als weite Hose. Die kann im nächsten Winter gar nicht weit genug sein und harmoniert wunderbar mit üppigen Mänteln. Die elegante Option ist etwas für alle, die auch in der kalten Jahreszeit lieber Sneaker als Stiefel tragen. Wem Koralle von Kopf bis Fuß wie bei Dawid Tomaszewski zu viel ist, dem zeigte Danny Reinke, dass ein eisblaues Outfit von einem kleinen roten Akzent förmlich elektrisiert wird. (Ingolf Patz)
Silhouette, Farbigkeit und Materialien passten zu den wichtigsten Trends, die auf den Fashion Weeks gezeigt werden. Jacken, Pullover und Hosen bleiben auch im nächsten Herbst voluminös
MÄNNER
Bei Männern sind die Hosen weiterhin gerade geschnitten, hören an den Knöcheln auf, die Jacken sind aufgeplustert, die Pullover oversized.
Das bestätigte auch der Besuch der Messe Premium. 2019 muss der stationäre Handel einiges an Umsatz aufholen, zwei Prozent Rückgang wurden 2018 verzeichnet, das dritte Umsatzminus in Folge. Die schwierige Wetterlage machte es Modehändlern schwer, ihre Ware zu verkaufen, zuerst der Winter bis in den März, dann der abrupt heiße Sommer ab April, der sich ebenfalls lange hinzog. Da blieben etliche Läden auf ihrer Frühlings- und Übergangsware sitzen.
In all dem Minus machten aber auch einige Marken Plus, zum Beispiel der Hemdenhersteller Olymp. Hier setzte man 2018 auf gemusterte Hemden, die auch 2019 aktuell bleiben. Die Palette reicht von kleinen geometrischen bis hin zu großflächigen Blumenmustern oder Tannenzapfen auf einem klassischen Streifenhemd. Auch die Daunenjacke oder den Parka kann man 2019 zum Anzug tragen. Marken wie Dstrezzed kombinieren die klassische Karoweste und Stoff-Karohose sogar mit Wanderschuhen, Ivanman die Oversized-Daunenjacke zur Stoffhose. Immer noch vermischen sich Arbeits- und Freizeitlooks. Männer mögen es zunehmend bequem in ihrem Alltag, dazu passt, dass viele Elemente aus der Bersteigerkleidung in der Mode landen.
Auch Strickwaren waren auf der Premium oft zu sehen. Die italienische Marke Wool & Co zeigt zum Beispiel ganze Wintermäntel und Caban-Jacken aus Strick, auch das Sweatshirt wird mehr und mehr vom Strickpullover ersetzt, der auf das klassische Bündchen unten verzichtet und à la Til Schweiger locker fällt. Der Strickpullover ist, wie bei Ivanman, lang mit überschnittenen Schultern oder hat ein besonderes Muster mit Zöpfen und Intarsien. Der Norwegerpullover wird uns noch im nächsten Jahr erhalten bleiben, es lohnt sich also jetzt noch ein Kauf im Schlussverkauf.
Bei den Materialien dominieren neben Strick weiterhin Jeans und Cord. „Früher galt unter Einkäufern: Cord ist Mord, jetzt kann es gar nicht genug Cord sein“, sagt Oliver Braun vom dänischen Label Gabba. Auch an seinem Stand weite Schnitte mit Anmutungen aus der Arbeitsbekleidung, Hemden mit aufgesetzten Brusttaschen, weite Hosen, lässige Stiefel. Die Hosen sind gerade geschnitten, die Neunziger lassen grüßen. Doch anders als zu Zeiten von Nirvana-Sänger Kurt Cobain enden sie an den Knöcheln.
Der knöchelfreie Look ist ein starker Trend für Männer 2019 und freut die Hersteller von Socken und Turnschuhen. Sockenhersteller aus der Schweiz bemerken nördlich der Alpen eine wachsende Freude an bunten Socken und Motivsocken. „Vor allem in der Geschäftswelt wird die Krawatte oft weggelassen, stattdessen trägt man farbige Socken“, sagt Sean Pfister von DillySocks.
Und die Farben für 2019? Currygelb bleibt eine Statementfarbe. Sie kann zu einem grauen Karoanzug oder zu einer dunkelgrünen Cordhose getragen werden oder sogar als monochromer Look. Bei Gabba sieht man neben Erdfarben und dunklen Grüntönen auch ein feuriges Rot als Trendfarbe. Experten nennen es „Ziegelrot“, Einkäufer flapsig „Ketchup“.
Ob Currygelb oder Ketchuprot, der nächste Herbst und Winter verspricht also appetitliche Aussichten bei der Männermode. Berlinern schmeckt ja bekanntlich diese Mischung in der Currywurst besonders. Vielleicht ja dann auch farblich auf der Straße. (Jörg Oberwittler)
Unser Autor Jörg Oberwittler bloggt über Männermode auf www.style-statements.de.