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Hier wird Wurst aus Menschen fabriziert. Unserer Autorin war dieser Ort nicht ganz geheuer.
© imago/Future Image

Maris Hubschmid traut sich was: In der Wohnung des Menschenschlächters

Knallt eine Tür, zucke ich zusammen, beim Tatort stelle ich den Ton ab, wenn unheilschwangere Musik ertönt. Der Auftrag: 70 Minuten im Gruselkabinett aushalten.

Von Maris Hubschmid

„Ganz allein?“, fragt die Kassiererin erstaunt. Ich sage nicht, dass dies eine Mutprobe ist, ich noch nie in einer Geisterbahn war, mich im Dunkeln unwohl fühle. „Dann hoffe ich, dass du das überlebst“, sagt sie und weist in Richtung der Schulklasse, die Erinnerungsfotos mit Schafott macht. „Einzeln geht nicht.“ Etwas verloren warte ich zwischen den Neuntklässlern. Wo sie denn herkommen, fragt ein Mitarbeiter, als sich der Trupp in Bewegung setzt. „Bielefeld“, haucht ein blasses Mädchen. Ausgerechnet. Die Stadt, die es nicht gibt!

Ich weiß, dass allenfalls Kunstblut fließt, es sich bei den Kreaturen, die mir begegnen, um unterbeschäftigte Schauspielanfänger handelt. Unbehaglich fühle ich mich trotzdem. Weil ich zusammenzucke, wenn hinter mir eine Tür ins Schloss fällt. „Ob Josy durchhält? Die guckt ja nicht mal Scream“, lästert einer. Ich schalte beim „Tatort“ den Ton ab, weil ich die unheilschwangere Musik nicht ertrage. Erkenne nicht, worin das Vergnügen besteht, sich Horrorfilme anzutun, wenn man genauso gut Loriot gucken könnte.

Als das Licht ausgeht, dränge ich zwischen die Teenager

Der Raum, den wir betreten, ist achteckig, das Licht schummerig. Wer außen steht, ist angreifbar. Ich will kein Opfer sein, aber gehöre nicht zur Gruppe. Meine Augen hasten hin und her, um alles gleichzeitig im Blick zu behalten, ein unmögliches Unterfangen. Als das Licht ausgeht, dränge ich reflexartig zwischen die Teenager. Ein paar Mädchen kreischen – sie wissen nicht, dass bloß ich das bin. Scheinwerfer an: eine Grimasse direkt vor uns. Ein gern eingesetztes Mittel auch im Folgenden, zum Glück stehe ich nie am nächsten.

Pestkranke, Hohenzollern-Gruften, Schlosskerker – 70 Minuten lang werden wir durch düstere Berliner Geschichte gelotst. Ein plötzlicher Wind, auf einmal steht sie da, die weiße Untote, wie aus dem Nichts. Bei fast jeder der elf Stationen muss ein Besucher mitspielen. Ich halte mich an die beiden Lehrerinnen, bemühe mich, so pädagogenhaft wie möglich auszusehen.

Uuuah! Etwas Langes, Tentakelartiges hat sich auf uns herabgelassen. Der Schüler neben mir ist davon deutlich weniger beeindruckt als von meinen Fingernägeln in seinem Arm. „Tschuldigung“, nuschele ich.

Wer ist diese Frau?

Folterkammer, Hexenjagd – all diese Etappen stehe ich äußerlich souverän durch, indem ich zu erraten versuche, welche Technik eingesetzt wird und wer zuerst schreit (meistens Josy). Schlimmer als das, was geboten wird, ist die Erwartung dessen, was passieren könnte. Der Licht-aus-Licht-an-Effekt nutzt sich ab. Schließlich nehmen wir in der „Wohnung des Schlächters“ Platz, in der Wurst aus Menschen fabriziert wird. Als sich zwei Finger in meine Seite bohren, schreie ich. Die Rückenlehne des Stuhls ist manipuliert. Mit rasendem Herz kauere ich vorne auf der Sitzkante.

„Bist Du bereit für den ultimativen Sturz ins Ungewisse?“ Vier Schüler sind es nicht. Jetzt also der Höhepunkt. Tapfer setze ich mich in das Fahrgeschäft, lasse zu, dass der Bügel einrastet – und bin plötzlich ganz entspannt.

Zwölf Meter fallen wir in die Tiefe, doch so lange ich hier festgeschnallt bin, stelle ich erleichtert fest, wird keiner mich berühren. Kein Mucks kommt über meine Lippen, womit ich die Ausnahme bin. Beim Rausgehen tut mir der Junge leid, der neben mir sitzen musste. Der ist jetzt mit mir auf dem Foto, das am Ausgang erworben werden kann.

„Wer ist diese Frau?“, werden die Eltern in Bielefeld vielleicht fragen. „Die stand auf einmal da“, wird der Junge sagen, „wie aus dem Nichts.“

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