Sauvignon Blanc: Gras im Glas
Der aromatische Weißwein Sauvignon Blanc wird weltweit angebaut und in Deutschland immer beliebter. Ein Rebenreport plus Test.
Die Münchener Weinkellnerin Paula Bosch ist schuld. Die bekannte Sommelière servierte 1997 in einem Münchner Restaurant dem Pfälzer Hansjörg Rebholz einen Sauvignon Blanc, der den Weinmacher aus Siebeldingen schlicht umhaute. So etwas duftig Feines mit mineralischem Biss wollte er auch haben. Drei Jahre später erntete Rebholz seinen ersten Sauvignon, heute zählen seine Weine aus der Loiretraube zu den schönsten in deutschen Landen. „Die Rebsorte fühlt sich wohl in unserem Klima“, sagt Rebholz. Das haben inzwischen auch viele andere Weinmacher erkannt. Auf einer Fläche von fast 900 Hektar wird die Traube in Deutschland inzwischen angebaut, Tendenz: weiter steigend. Vor allem in der Pfalz, in Baden, Schwaben und Rheinhessen hat die Französin mächtig zugelegt. Obwohl sie erst ab 1999 schrittweise von Anbaugebiet zu Anbaugebiet zugelassen wurde, hat sie mit dem alteingesessenen Gewürztraminer gleichgezogen und andere Newcomer wie die Rotweintrauben Merlot (600 Hektar) oder Cabernet Sauvignon (360 Hektar) abgehängt.
Ein leichter Sommerwein, kein Bodybuilder
Vor allem in süddeutschen Anbauregionen zeigt der Sauvignon blanc seine Facetten: als leichter erfrischender Sommerwein, als Fischbegleiter mit mineralischem Unterbau oder als Spitzenwein mit dem Kuss des Eichenholzes. Nur eines kann er nicht: Bodybuilding! Zum muskulösen Brummer taugt er nicht. Die meisten Abfüllungen haben 11,5 bis maximal 13 Prozent Alkohol. „Überreif gelesener Sauvignon wird schnell langweilig“, sagt der schwäbische Topwinzer Rainer Schnaitmann. Auch er zählt zu den Pionieren. In Neuseeland und Südtirol hat er in seinen Weinwanderjahren die Rebsorte kennengelernt. 1994, noch vor der offiziellen Zulassung, pflanzte er die ersten Stöcke als Versuchsprojekt „in einer nicht zu hitzigen Lage, sonst kriegen Sie keine gute Aromatik“.
Noch vor zehn Jahren musste Schnaitmann den Wein unter der Verkaufstheke verstecken und ihn auf der Preisliste totschweigen, so gering war die Menge. Die Kunden jammerten nach Kräften, um zwei Fläschchen zugeteilt zu bekommen. Heute gibt es ausreichende Mengen. Vom Jahrgang 2014 hat Schnaitmann sogar erstmals zwei Versionen produziert: eine grasig-knackige für die Terrasse und eine komplexe für den anspruchsvollen Genuss. Einmal eher grüne, einmal gelbe Aromen – typisch Sauvignon blanc.
Ein Weltbürger, aber im Herzen Franzose
In den 1830er Jahren soll die Traube auf dem Weingut Graf Wolff Metternich im badischen Durbach erstmals in deutscher Erde Wurzeln geschlagen haben, schreibt die Sauvignon-Expertin Sabine Mosbacher-Düringer. Freiherr Ernst Maximilian Zorn von Bulach hatte einige Reben aus Frankreich mitgebracht und zwar vom noblen Chateau d’Yquem, das einen der teuersten Weine der Welt aus den beiden Rebsorten Sauvignon blanc und Semillon keltert. Der Freiherr war in den Sauvignon vernarrt und riet, man solle diese Spezialität „nicht ausgehen lassen und stets sorgfältig pflegen“.
Auch aus der Pfalz wird eine frühe Anpflanzung von 1853 berichtet. Doch die Traube konnte sich nicht durchsetzen und geriet in Vergessenheit. Vielleicht lag es an ihrer Dünnhäutigkeit und damit an ihrer Neigung zur Fäulnis, vielleicht an ihren vorlauten Aromen. Oder es war ihr im 19. Jahrhundert bei uns schlicht zu kalt; bei Winterfrost macht die Rebe schnell schlapp.
Dabei ist Sauvignon blanc ein echter Weltbürger. Er wächst in fast allen Anbauregionen und ist mit 112 000 Hektar globaler Anbaufläche nach dem Chardonnay die zweitwichtigste weiße Traube. Die Heimatregion Frankreich behauptet mit über 25 000 Hektar souverän den Spitzenplatz vor Neuseeland (20 000), Südafrika (9600) und Chile (8700 Hektar).
Die Wein-Revolution kommt aus Neuseeland
Die eigentliche Sauvignon-Revolution fand in Neuseeland statt. Zu Beginn der 1970er Jahre wurden dort die ersten Stöcke gepflanzt. In den Folgejahren entwickelte sich im kühlen Klima des Anbaugebiets Marlborough ein ganz eigener Stil: Explosive Frucht, kristallklare Frische und intensive, grün-vegetabile Aromen waren die Kennzeichen. So hatte man den Wein von der Loire noch nie getrunken. Referenzadresse des neuseeländischen Stils ist das Weingut Cloudy Bay.
Dem stehen die mineralischer geprägten Loireweine der Appellationen Sancerre und Poully-Fumé gegenüber mit ihren typischen Feuersteinnoten. Hier heißt der Star „Silex“, ein sündhaft teurer Sauvignon, den die Weinlegende Didier Dagueneau zum biodynamischen Kultwein entwickelte.
Grüne Aromen wie Paprika, Minze, Gras
In Deutschland gibt es beide Weintypen: grün und gelb, ein bisschen Neuseeland, ein bisschen Poully-Fumé. Bei kaum einer anderen Rebsorte kann der Winzer den Typus so stark steuern. Schon bei den Setzlingen werden unterschiedliche Klone mit abweichenden Leitaromen angeboten. Aber auch Lesezeitpunkt, Ertrag, Maischestandzeit, Beschattung wie Entblätterung der Traubenzone – und vor allem die Wahl der Hefe zur Vergärung wirken sich direkter auf das Aroma aus als bei den anderen Rebsorten. „Da kann man gut mit spielen“, sagt Schnaitmann, der bei den verschiedenen Hefe-Angeboten allerdings nicht mehr mitspielt und statt dessen konsequent auf Spontangärung setzt. Verantwortlich für die grünen Aromen des Sauvignons sind die Methoxypyrazine, ätherische Öle, die in allen grünen Pflanzenteilen vorkommen. Sie sind für die Geschmacksnoten Paprika, Gras, Minze, grüne Stachelbeere, Bohne oder grüner Spargel verantwortlich. Die Pyrazine sind lichtempfindlich, die herbstliche Entblätterung der Rebstöcke durch den Winzer kann sie spürbar reduzieren. Sie können aber auch dezent zulegen, wenn nach der Lese der abgepresste Saft noch einige Stunden mitsamt Beerenhäuten „auf der Maische“ steht, um mehr Geschmack heraus zu kitzeln. Bei hohem Ertrag werden sie schnell aufdringlich.
Je reifer, desto mehr Gelb im Geschmack
Mit zunehmender Reife der Trauben geht die grüne Aromatik zurück. Bei höheren Mostgewichten klopfen eher gelbe Holunder-, Mango- und Maracuja-Aromen den Takt, auch schwarze Johannisbeeren und Grapefruit sind jetzt zu schnuppern. Die Thiole, eine ebenfalls geruchsaktive Stoffgruppe, ist für die gelben, oft exotischen Aromen verantwortlich. Trockenheit und Stress reduzieren wiederum die gelbe Aromagruppe, ebenso bestimmte Pflanzenschutzmittel. Um möglichst unterschiedliche Aromen in den Wein zu bekommen, praktiziert Schnaitmann die gestaffelte Lese. Er holt einen Teil der Trauben früher und tastet sich mit weiteren Lesedurchgängen bis fast zur Überreife vor. Der Pfälzer Kollege Rebholz plädiert ebenfalls für mehrere Lesedurchgänge. Er hat außerdem bei der Auswahl der Klone verschiedene Sauvignon-Typen bunt gemischt. Vielfalt hilft.
Deutscher Sauvignon Blanc mit Potenzial
Rebholz und Schnaitmann sind sich einig, dass das Potenzial der Sorte in Deutschland noch nicht ausgereizt ist. Die meisten Anlagen seien noch zu jung. Rebholz ist überzeugt, dass mit zunehmendem Alter der Stöcke deutscher Sauvignon besser, vor allem mineralischer wird. Vielleicht schmeckt er dann so, wie ihn Weinjournalist Rolf Bichsel vom Fachblatt „Vinum“ liebt: Er verehrt den französischen Sancerre, weil „Sauvignon blanc dort nie nach Sauvignon blanc schmeckt“. Übersetzt: Die Guten springen einem nicht übermütig ins Gesicht. Sie überzeugen eher mit Feinheit, Eleganz und mineralischem Fundament.
Bei deutschen Kunden war die Rebsorte schnell beliebt. Vielleicht, weil sie als ausgesprochener „Nasenwein“ mit ihrem duftigen Charme leicht zu identifizieren ist. Selbst Nasennieten könnten einen Sauvignon erraten, lästert die „Vinum“-Redaktion. Manchmal wird jedoch eine duftintensive Scheurebe als Sauvignon geoutet.
Partner für Fisch, aber auch Ziegenkäse und Risotto
Zu Tisch wird die Rebsorte oft als Fischbegleiter empfohlen. Schnaitmann hat auf seiner Homepage eine Reihe interessanter Partner gelistet, die auch gemüsige und kräuterige Noten mitbringen: Gebackener Ziegenkäse mit Wildkräutersalat, Paprika gefüllt mit Couscous, Seeteufel auf Ratatouille-Gemüse, Garnelen mit Basilikum-Risotto oder Brennnesselravioli mit Salbeibutter. Rebholz kann sich zu sehr duftigem Sauvignon auch asiatisch inspirierte Gerichte vorstellen. Die Schlusspointe muss aus der französischen Heimat kommen. Dort ist Sauvignon blanc zwar weit verbreitet, doch die Rebsorte steht fast nie auf dem Etikett, höchstens im Kleingedruckten. Deshalb haben Millionen Trinker von Sauternes, Entre deux Mers, Barsac oder Sancerre keine Ahnung, dass da – rebsortenrein oder als Cuvée verschnitten – vor allem eines im Glas schaukelt: Sauvignon blanc.
Manfred Kriener
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