zum Hauptinhalt
Visa Vie richtete beim Benefizkonzert klare Worten an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
© Anni Dietzke

Hip-Hop-Konzert mit Ansage: „Gemeinsam dem Gesundheitssystem in den Arsch treten!“

Die Benefizveranstaltung „Rap for Good“ fordert mehr Aufmerksamkeit für die Krankheit ME/CFS. Beginner, Marteria und Max Herre waren dabei.

Donnerstagabend, kurz nach 20 Uhr: Die Columbiahalle in Tempelhof ist prall gefüllt. Moderatorin Visa Vie betritt die Bühne und eröffnet das Benefizkonzert, das einer jungen, schwerkranken Frau eine wichtige Operation finanzieren soll.

Bei Julia wurde eine cranio-cervicale Instabilität diagnostiziert, kurz CCI. Diese Halswirbelsäuleninstabilität konnte operativ behandelt werden, das war jedoch mit fast 100.000 Euro Gesamtkosten sehr teuer. Die Krankenkasse beteilige sich laut Julia zu wenig oder gar nicht an den Kosten. Die junge Frau leidet außerdem an Myalgischer Enzephalomyelitis bzw. dem Chronischen Fatigue Syndrom, kurz ME/CFS; einer neurologischen Krankheit mit schwerwiegenden Auswirkungen, die noch nicht sehr gut erforscht ist. Auch um dafür Aufmerksamkeit zu schaffen, fand am Donnerstag das Benefizkonzert „Rap for Good“ statt, organisiert von Denyo (Die Beginner), einem langjährigen Freund der Betroffenen.

Die Moderatorin eröffnet den Abend mit einer deutlichen Botschaft in Richtung Politik: „All das Geld, was hier heute eingenommen wird, ist am Ende dafür da, ein Menschenleben zu retten. Und nicht nur das: Wir wollen hier heute auch alle gemeinsam dem Gesundheitssystem in den Arsch treten.“ Der Abend steht im Zeichen des Rap, aber auch im Zeichen dieser konkreten Forderung: „Die Krankheit, an der Julia leidet, könnte man mit mehr Forschung und mit mehr Aufmerksamkeit viel, viel leichter behandeln.“

Ein Twitter-Aufruf folgt: „Wir wollen gemeinsam Jens Spahn darauf aufmerksam machen, dass diese Krankheit mehr in den Fokus rücken muss, dass geforscht werden muss. Nervt einfach Jens Spahn!“ Unter den Hashtags #RapForGood und #MECFS gehen an diesem Abend etliche Tweets in die Welt hinaus, mit der dringenden Bitte, mehr Forschung für die Krankheit einzusetzen.

Erfolgreiche OP mit Hilfe von Spenden

Zum Ende ihrer Anmoderation verkündet Visa Vie: „Die Person, wegen der wir alle da sind, steht hinter der Bühne. Julia hat es geschafft, heute hier zu sein. Hoffentlich hält sie das Konzert durch.“ Und Julia, die in der der Hip-Hop-Szene gut vernetzt ist, hält durch. Ihr gesundheitlicher Zustand habe sich seit dem Sommer stark verbessert, sagt sie. „Dank der wahnsinnig großen Unterstützung meines Fundraisers und der Hilfe von den Machern der Events hat die OP bereits im Juli stattgefunden. Mein gesundheitlicher Zustand war einfach so, dass man damit nicht bis in den Herbst hinein warten wollte. Das Konzert soll nun die noch fehlenden Kosten einspielen.“

Rapper Chefket beim Konzert "Rap for Good".
Rapper Chefket beim Konzert "Rap for Good".
© Anni Dietzke

Bereits im Mai hatte es eine erste Benefizveranstaltung gegeben: „Julias Fundraising Bash“ im Prince Charles. „Das war die Idee meiner Freundin und Powerfrau Suna Karaca. Und die jetzige 'Rap for Good'-Jam hat Denyo von der derbsten Band der Welt, den Beginnern, ins Leben gerufen. Ronny Boldt, Inhaber der Boldt Konzertagentur, ist als örtlicher Veranstalter bei beiden Veranstaltungen zur Hilfe gekommen.“ Julia sei stolz und unendlich dankbar für diese Unterstützung, sagt sie.

Rap ist nicht nur Rap

Drei Stunden lang bebt an diesem Abend die Bühne: ob Marteria, Samy Deluxe, Max Herre oder Die Beginner – es ist alles dabei, was das deutsche Hip-Hop-Herz begehrt. Rap ist nicht nur Rap, auch für die erkrankte Julia nicht: „Hip-Hop ist die Kultur, in der ich mich zu Hause fühle, in der ich lebe. Ich bin zum einen Fan der Musik, zum anderen habe ich vor meiner Erkrankung sehr viele Jahre in dem Bereich gearbeitet und bin dadurch sowohl mit der Musik, als auch mit einigen Musikern eng verbunden.“

Viele Jahre hat Julia unter anderem auch mit der Band Seeed zusammengearbeitet. So verwundert es an diesem Abend nicht, dass als angekündigter „Special Guest“ plötzlich Peter Fox mit seinen Bandkollegen auf der Bühne steht.

Benefizkonzert "Rap for Good" für die an ME/CFS erkrankte Julia (Mitte im Bild).
Benefizkonzert "Rap for Good" für die an ME/CFS erkrankte Julia (Mitte im Bild).
© Chris Schwarz

Im Sommer 2014 kippten sich Menschen Eiswasser über den Kopf. Mit der Ice Bucket Challenge sollte damals ein gesellschaftliches Bewusstsein für die Krankheit ALS geweckt werden. Julia hofft nun ebenfalls, dass durch das Engagement der Künstler auch ihre Krankheit ME/CFS mehr wahrgenommen wird:

„Das ist auf jeden Fall eine Herzensangelegenheit, und ich versuche momentan alles dafür zu tun, was ich kann“, sagt sie. „Diese Krankheit und die Menschen, die unter ihr leiden müssen, brauchen medizinische und soziale Versorgung und vor allem Forschung! Es geht hier alleine in Deutschland um mindestens 240.000 Erkrankte, die zum größten Teil nicht einmal richtig diagnostiziert sind, weil es auch bei Ärzten an Wissen und Aufklärung fehlt.“

Zur Startseite