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Femen-Aktivistin Zana Ramadani
© Stefan Weeber

Femen-Aktivistin Zana Ramadani: „Eine Aktion mit Männern funktioniert nicht“

Mit nackten Brüsten auf dem Altar des Kölner Doms zu demonstrieren – CDU-Mitglied Zana Ramadani findet das politisch korrekt.

Frau Ramadani, wenn ich bei Femen mitmachen wollte, welche Kriterien müsste ich erfüllen?

Als Erstes muss man natürlich verstanden haben, worum es wirklich geht. Femen ist keine Spaßaktion! Sportliche Fitness ist nicht unbedingt nötig, aber eine gewisse innere Stärke sollte man schon haben, da man sich auf sehr vieles gefasst machen muss. Ein bisschen kreischen und lächeln bringt nichts – man muss diese Stärke mit seinem Gesicht und der richtigen Körperhaltung vermitteln.

Wenn ich mich über die Femen-Homepage bewerben will, muss ich ein Foto hochladen. Warum?

Weil ständig Männer versuchen, uns in die Irre zu führen.

Männer bewerben sich zum Spaß bei Femen?

Total viele! Die verstehen gar nicht, worum es geht. Die Frauen hingegen schreiben uns meistens direkt, wieso sie zu Femen wollen. Über die Kontaktdaten rufe dann ich oder ein anderes Vorstandsmitglied die Bewerberin an und man spricht erst mal miteinander. Das ist eine Art Vorab-Check, um zu sehen, ob es wirklich ernst gemeint ist.

Könnten Männer theoretisch mitmachen?

Natürlich. Wir haben ja auch männliche Unterstützer. Wir schließen Männer nicht aus, aber eine Femen-Aktion würde mit Männern in vorderster Front nicht funktionieren. Unsere Protestform wirkt nur mit Frauen so provokant.

Die holländische Autorin Myrthe Hilkens beispielsweise spricht vom Trend der „Pornofizierung“ der Gesellschaft, durch den alle möglichen Lebensbereiche sexualisiert werden. Wie lange wird Protest mittels Nacktheit noch wirken?

Ja, man will uns Frauen nur in einer Art und Weise sehen: Immer nett, immer in einer gewissen Opferrolle, immer mit diesem halb geöffneten Mund – wartend auf den Mann. Doch niemand will Frauen stark, fordernd, selbstbestimmt, radikal oder aggressiv sehen. Deswegen ist die Reaktion auf uns so heftig. Wenn es den nackten Protest irgendwann nicht mehr gibt, haben wir schon einen Teil erreicht – dann ist es normal geworden, dass man starke, selbstbestimmte, halb nackte Frauen sieht und ihnen Respekt entgegenbringt.

Es protestieren bei Femen vor allem schön anzusehende Frauen.

Frauen, die sich nicht zu hundert Prozent wohl in ihrem Körper fühlen, haben ein größeres Problem damit, sich für unsere Protestform zu entscheiden. Das ist aber ein gesellschaftliches Problem! Und es ist sicher abschreckend, wenn man sich beispielsweise die Kommentare unter Fotos von mir durchliest. Da schreiben Leute, ich sei zu fett, mein Busen würde zu weit runterhängen – mein Gott, ich bin 30 Jahre alt! Wenn sich die Schwerkraft bemerkbar macht, ist das völlig verständlich. Dass ich Kleidergröße 38 habe, finde ich schlank!

Gibt es Frauen, denen Sie erst mal erklären müssen, dass es bei Femen um mehr als Brüste zeigen geht?

Ja, viele kommen in einem falschen Verständnis zu uns und haben das Manifest noch nicht mal gelesen. Das geht nicht!

Ursprünglich entstand Femen in der Ukraine, der deutsche Ableger ist seit 2013 registriert. Wie eng ist die Verbindung zur ukrainischen Organisation?

Wir betrachten uns als Freundinnen oder Schwestern und haben täglich Kontakt über E-Mail, SMS oder Skype. Wir haben gemeinsame Interessen und Ziele. Der Unterschied ist, dass wir bei den nationalen Aktionen in Deutschland andere Themen haben.

Wie genau finanziert sich der deutsche Verein?

Ausschließlich aus Eigenmitteln. Mit unseren Vereinsgeldern, die sich aus Spenden und den Einnahmen aus dem Verkauf von Merchandising-Produkten zusammensetzen, versuchen wir lediglich die Fahrtkosten der Aktivistinnen zu den Aktionen zu decken. Ich habe mittlerweile fast mein ganzes Erspartes für Femen ausgegeben.

Wie würden Sie die Ziele von Femen Germany definieren? Um Frauenrechte allein scheint es ja nicht mehr zu gehen, schließlich wurde auch schon gegen die Arbeitsbedingungen in Katar demonstriert.

Es geht nicht nur um Frauenrechte, sondern um Menschenrechte und Gleichberechtigung. Wir fordern kein Matriarchat, sondern dass jeder Mensch dieselben Möglichkeiten hat, die vom Geschlecht und der Sexualität unabhängig sein sollten.

Läuft man mit Femen aber nicht auch Gefahr, zu einem Aspekt der Popkultur zu werden?

Sollen wir stattdessen das völlig falsche und dumme Bild von einer Feministin unterstützen, die sich die Haare abschneidet und nicht mehr schminkt? Sollen wir unsere Weiblichkeit verstecken, um uns Feministinnen nennen zu dürfen? Was sollen wir sonst machen, um komplett richtig wahr- und ernst genommen zu werden? Noch nicht mal eine Alice Schwarzer wird ernst genommen! Und das ist eine, die wirklich verdammt viel für unsere Gesellschaft getan hat.

"Mich nervt, dass viele Feministinnen sich nur aufs Bloggen beschränken"

Femen-Aktivistin Zana Ramadani
Femen-Aktivistin Zana Ramadani
© Stefan Weeber

Gab es Zeiten oder Situationen in Ihrem Leben, in denen Sie vom Feminismus genervt waren?

Eigentlich ständig. Mich nervt extrem, dass sich viele Feministinnen nur noch auf das Schreiben und Bloggen beschränken, wenige gehen auf die Straße. Ich habe ein großes Problem damit, jemanden ernst zu nehmen, der sich hinter einem Pseudonym versteckt. Wir Femen haben den Feminismus wieder öffentlich gemacht und aktiv in die Medien geholt.

Die Feministin Anna-Katharina Meßmer twitterte 2013: „Überlege für die Befreiung der Femen-Frauen zu protestieren. Sie sind Sklavinnen des Mediensystems“. Was entgegnen Sie dem?

Wenn sie meint, wir müssten befreit werden, dann kann sie sehr gerne für uns protestieren! Traurig ist nur, dass sie Frauen gegenüber so frauenfeindlich ist. Das ist Antifeminismus. Natürlich nutzen wir die Medien. Wie will man sonst auf ein Problem im großen Stil aufmerksam machen?

Ist die „Bild“-Zeitung ein willkommenes Medium, um Aufmerksamkeit zu erzielen?

Wenn in der „Bild“ etwas abgedruckt wird, erscheint es bundesweit.

Wenn „Bild“ über Frauen berichtet, geht es meist nur um ihr Äußeres. Das stört Sie nicht?

Aber das ist ja nicht nur bei der „Bild“ so. Gucken Sie sich die ganzen Frauenzeitschriften an! Wenn wir so einen Maßstab anlegen, dürften wir denen auch kein Interview geben. Schon auf der ersten Seite steht die neueste Diät oder Tipps, wie man am besten sexy ist. Viele Frauenzeitschriften sind nicht weit von der sexistischen Darstellung in der „Bild“-Zeitung entfernt.

Was hat sich in Ihrem Leben durch den Aktivismus bei Femen zum Guten verändert?

Gegen Unterdrückung und Zwänge habe ich mein Leben lang gekämpft. Femen ist für mich eine neue Ausdrucksform für meinen Protest. Es hat mich innerlich stärker gemacht. Aber ich bin mittendrin in den schwierigen Zeiten und erlebe die Konsequenzen meiner Femen-Arbeit. Ich habe im letzten Jahr meinen Job als Rechtsanwaltsfachangestellte verloren. Ich habe mehrere Ausbildungen, ich habe Jura studiert und bin mehr als qualifiziert, aber unter diesen Voraussetzungen ist es mir fast unmöglich, eine Stelle zu bekommen.

Weil die Machos unter den Anwälten Sie nicht einstellen wollen?

Neulich habe ich mich bei einer Zeitarbeitsfirma beworben, die bekannt dafür ist, sehr sozial eingestellt zu sein. Sogar die sagten: „Es bringt nichts, wenn unsere Kunden Sie googeln.“

Zwei Jahre lang waren Sie Vorsitzende der Jungen Union in Wilnsdorf. Fühlen Sie sich als Kämpferin für Frauenrechte denn wohl in der CDU? Beim Frauenanteil im Bundestag ist sie mit nur 24 Prozent Schlusslicht aller Parteien.

Das bemängele ich auch in der CDU, seit ich Parteimitglied bin. Ich könnte mir aber selber nicht mehr ins Gesicht schauen, wenn ich in eine andere Partei gehen würde, wo man mich als Frau mit Kusshand nimmt. Damit würde ich es mir sehr einfach machen.

Sie wollen also eine Veränderung der CDU-Politik von innen heraus?

Ja. Natürlich bin ich in der CDU sehr oft gegen eine Wand gelaufen, aber so leicht bringt mich dieser Alt-Herren-Klub nicht aus der Fassung!

"Ich kriege so viele Drohmails"

Femen-Aktivistin Zana Ramadani
Femen-Aktivistin Zana Ramadani
© Stefan Weeber

Ist so eine Veränderung nicht eine Illusion, wenn man sich anguckt, wie lange es gedauert hat, bis die CDU bei der Frauenquote auf Kompromissvorschläge eingegangen ist?

Ich bin ja nicht allein, von uns gibt es genug. Ich kenne sehr viele bewundernswerte und starke Menschen in der Frauenunion und bei den Lesben und Schwulen in der Union. Wenn ich gehen würde, würde ich die anderen engagierten Menschen allein lassen.

Sie begründeten Ihre CDU-Mitgliedschaft in einem Beitrag mit den Werten, die im Christentum vermittelt werden.

Die Werte, die ich von Anfang an im Kopf hatte waren Barmherzigkeit, Nächstenliebe und sich für die Schwachen einzusetzen. Das tue ich genauso auch bei Femen heute.

Hielten Sie die Aktion von Josephine Witt, die im Weihnachtsgottesdienst nackt auf den Altar des Kölner Doms stieg, für richtig?

Ja, denn wir haben auf ein Problem aufmerksam gemacht. Der damalige Erzbischof Joachim Meisner hat sich sehr negativ gegen Menschen „anderer Art“ und gegen Frauen geäußert. Aus diesem Grund war die Aktion nötig und gut. Das hatte mit den Gläubigen oder deren Glauben nichts zu tun. Es war eine Aktion gegen patriarchalische Strukturen in der Kirche.

Können Sie trotzdem nachvollziehen, dass sich Besucher dieses Gottesdienstes in ihren religiösen Gefühlen verletzt gesehen haben?

Schon. Doch wenn sie so gute Christen sind, wieso kämpfen sie dann nicht für das Gute? Wieso beseitigen sie die menschenverachtenden Personen oder Strukturen in der Kirche nicht? Wieso müssen wir Femen dafür kämpfen und auf diese Probleme aufmerksam machen? Auf der Islamwoche im März in Berlin wurde uns auch von Muslimen vorgeworfen, dass wir ihren Glauben beschmutzen und die Gefühle der Gläubigen verletzen. Dabei hat das eine mit dem anderen nichts zu tun.

Es könnte also auch in Zukunft Femen-Aktionen in Gottesdiensten geben?

Es kann überall Aktionen geben. In Kirchen, in Moscheen, in Synagogen – überall!

Ein Internetnutzer kommentierte die Aktion im Kölner Dom mit den Worten: „Hätte sie das in einer Moschee gemacht, wäre sie nicht lebend rausgekommen.“

Ich habe nur die Angst, die wir haben müssen, um uns während der Aktionen selber zu schützen. Ich kriege pro Tag so viele Drohmails! Man wolle mich kaltmachen, weil gerade ich, die ich aus der islamischen Gesellschaft komme, den Islam beschmutzen würde. Aber wenn meine Angst überwiegen würde, könnte ich Femen nicht aktiv leben. Wir sind keine dummen kleinen Mädchen!

Bis zu Ihrem siebten Lebensjahr sind Sie in Mazedonien aufgewachsen. Dann kamen Sie mit Ihrer Familie nach Deutschland. Welche islamischen Werte, die Sie heute kritisieren, haben Sie als Kind erfahren?

Dass man nicht viel wert ist, immer unterwürfig sein muss und nicht zu sprechen hat. Man hat zu gehorchen, egal welcher Mann etwas sagt. Ich habe von klein auf immer gesagt bekommen, dass ich unrein und ein Stück Dreck bin. Dass ich eine Hure und eine Schlampe bin. Dabei war ich nur ein Kind! Man wächst mit dem Gedanken auf, schlecht zu sein. Warum? Nur weil ich ein Mädchen bin?

Von muslimischen Frauen der Gruppe Muslima Pride kam Kritik daran, dass Femen pauschal von einer Unterdrückung der Frauen im Islam sprechen. Was antworten Sie darauf?

Diese muslimischen Frauen wissen genau, dass es die Unterdrückung der Frau im Islam mehrheitlich gibt. Wieso verdammt noch mal stehen sie nicht auf und kämpfen für ihre unterdrückten und tagtäglich leidenden Schwestern? Ich weiß wie es ist, unter der islamischen Welt leiden zu müssen. Ich habe das Recht, die Frauen von Muslima Pride zu verurteilen und zu bevormunden, solange ich ganz genau weiß, dass die Mehrheit der Muslima auf der ganzen Welt unter der Verschleierung und dem islamischen Frauenbild leidet. Wenn es irgendwann ein vernünftiges Frauenbild im Islam gibt, dann können die gern Schleier tragen und ich höre damit auf.

Anfang des Jahres wurden Sie in „TV Total“ parodiert, Stefan Raab ließ im Studio drei Frauen im Femen-Look gegen den ADAC protestieren. Anschließend Raabs Bemerkung: „Immer diese Femen-Tussis“. Empfanden Sie das als Beleidigung?

Einerseits finde ich es sehr amüsant, weil Raab sich anscheinend mit uns beschäftigt hat. Andererseits finde ich es traurig, dass er so etwas machen muss, um seine Show voranzutreiben.

Zeigt das nicht auch, dass jemand wie Raab Ihren Protest gar nicht ernst nimmt?

Das ist okay. Braucht er ja auch nicht! Es geht nicht darum, jeden einzelnen Menschen auf dieser Welt zu erreichen.

Wie lässt sich der Erfolg von Femen messen?

Den Erfolg sieht man zum Beispiel in den Kommentaren zu Presseberichten. Zwischen dem ganzen Schrott und den Beleidigungen liest man, dass sich Leute nach einer Aktion plötzlich mit einem Thema auseinandersetzen.

Ein Beispiel?

Nach der Aktion im Finale von „Germany’s Next Topmodel“ habe ich ein ausführliches Live-Interview im Radio gegeben. Daraufhin schrieb mich ein Familienvater an, dessen zwölfjährige Tochter die Sendung schon seit Jahren guckt. Er hätte zwar immer gesagt, sie solle das nicht gucken, aber nach unserer Aktion hat er sich erst wirklich mit ihr zusammengesetzt. Er hatte verstanden, dass durch die Show Werte vermittelt werden, die seiner Tochter schaden könnten.

Wie stellen Sie sich die Welt nach der erfolgreichen Revolution von Femen vor?

Es gibt in jeglicher Art und Weise Gleichberechtigung, keinen Zwang und kein Leid. Nicht ein Mensch auf dieser Welt wird mehr nach seinem Geschlecht oder seiner sexuellen Orientierung beurteilt. Und was mich selbst betrifft, ich kann mir auch viel schönere Sachen vorstellen, als bei Minusgraden halb nackt auf der Straße zu stehen oder nach jeder Aktion grün und blau nach Hause zu kommen.

Lovis-Marie Trummer

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