Emanzipation in der Krise: Die beste Zeit für Frauen, um sich aufzulehnen
Weniger Einkommen und mehr Sorgearbeit: Frauen erleben in der Krise eine mehrfache Lose-Situation. Dagegen braucht es ordentlich Gegengewicht! Eine Kolumne.
Neulich telefonierte ich mit einem Freund, der Scheidungsanwalt ist. Ich fragte ihn, ob er auch Kurzarbeit anmelden müsse. Er lachte und meinte: „Homeoffice wird meine Rente sichern, mein Haus abbezahlen, mir zu einer Yacht verhelfen und den Golfurlaub möglich machen.“ Das war natürlich nur ein Spaß, er spielt gar kein Golf, er spielt Tennis.
Witzig ist die Situation für viel Paare im Homeoffice aber nicht. Wenn ich mich allein in meinem Familien- und Freundeskreis umschaue, gibt es da schon etliche Paare, die gerade ernsthaft ihre langjährigen und sonst stabilen Beziehungen in Frage stellen.
Diese Krise wirkt wie ein Brennglas, durch das deutlich wird, wie ungerecht familiäre Pflichten zwischen Mann und Frau immer noch oder schon wieder aufgeteilt sind. Vielleicht, dachte ich, ist es aber nur ein Bauchgefühl und ich zu empfindlich.
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Und als ich noch darüber nachdachte, ob die gesetzlich verbriefte Gleichberechtigung auch im Alltag existiert, flatterte die Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in mein Email-Postfach. Die haben herausgefunden, dass es Frauen in der Corona-Krise doppelt hart trifft.
Sie haben weniger Einkommen und leisten mehr Sorgearbeit. Das heißt Kinder betreuen, Eltern betreuen, Haushalt schmeißen. In Krisenzeiten sind Kind und Küche wieder Frauensache, während der Mann auch die letzte Zoom-Konferenz als Assessment-Center seiner Performance-Optimierung nutzt.
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„Das bisschen Haushalt, sagt mein Mann“, schmetterte uns einst Johanna von Koczian entgegen, und uns Frauen bleibt wohl nichts anderes übrig, als mit Margaret Thatcher zurückzuschlagen: „Wenn du etwas gesagt haben willst, frage einen Mann; wenn du etwas erledigt haben willst, frage eine Frau.“
Bei meinen Eltern war die Rollenverteilung klar: Meine Mutter war für uns Kinder da, versorgte uns mit Essen, machte den Haushalt und kümmerte sich um meine Großeltern. Mein Vater verdiente das Geld. Und trotzdem hatte sie die Hosen an, obwohl sie nie welche getragen hat.
Eine Misere
Ziemlich klare Verhältnisse also. Mit der Emanzipation änderte sich das allerdings. Heute gehen Frauen neben der unbezahlten Carearbeit auch arbeiten. Aber so war das nicht gedacht mit der Gleichberechtigung.
Irgendwie ist für uns Frauen was schief gelaufen. Denn für Männer ist die Gleichberechtigung eine doppelte Win-Win-Situation, für Frauen aber eine dreifache Lose-Lose-Lose-Situation.
Ist das nun die Strafe, die wir Frauen für die Emanzipation zahlen müssen? Die Soziologin Jutta Allmendinger fasste die Misere kürzlich bei Anne Will anschaulich zusammen: „Frauen werden eine entsetzliche Retraditionalisierung erfahren. Ich glaube nicht, dass man das so einfach wieder aufholen kann und dass wir von daher bestimmt drei Jahrzehnte verlieren.“
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Vielleicht ist gerade die beste Zeit für uns Frauen, sich gegen diese Ungerechtigkeit aufzulehnen und unsere Rechte einzufordern. Es muss ja kein wutschnaubender Kampf werden, den Kern der harmonischen Lebensweise, in der die Familie als Ort der Geborgenheit hoch gehalten wird, kann ja bleiben. Keine noch so geschickt eingefädelte Rückbesinnung wird gelingen, solange Frauen das Gegengewicht sind.
Wie möchte ich leben?
Atatürk, der moderne Gründer der Türkei, sagte: „Wenn nicht Männer und Frauen gemeinsam für ein Ziel marschieren, sind die wissenschaftlichen und technischen Voraussetzungen für eine moderne Zivilisation nicht geschaffen.“
Ob der Scheidungsanwalt sich eine Yacht kaufen kann, werden am Ende Frauen entscheiden, indem sie sich fragen: Wie möchte ich eigentlich leben? Lieber allein und mit erhobenem Haupt oder zu zweit allein gelassen?
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