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Print würgt: Schlange auf SONNTAG.
© Jens Mühling

Boa constrictor im Zoo: Die Abgottschlange

Im „Kleinen Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry hat die Boa constrictor einen Elefanten verspeist. Was gibt es im Berliner Zoo?

Einen richtigen Namen hat sie nicht, die Pfleger im Aquarium nennen sie nur „die Dicke“. Das passt – jedenfalls heute, am Tag nach der Fütterung. Verdauungsmatt liegt die Abgottschlange in ihrem kleinen Terrarium, ihr vorderes Ende ist relativ schlank, das hintere erkennbar aufgebläht, ein bisschen wie bei der Schlange im „Kleinen Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry, in deren wulstiger Körpermitte sich die Silhouette eines Elefanten abzeichnet. In der aufgeblähten Zoo-Schlange steckt natürlich kein Elefant. Sie hat zwei Ratten intus.

Nur alle 14 Tage wird die Boa constrictor – so ihr bekannterer, lateinischer Name – im Aquarium gefüttert. Pfleger Ronny Keßner klemmt dann die toten Nager in eine lange Pinzette und reicht sie der Boa. Die schnellt spiralartig nach vorne, verbeißt sich in die Ratte und wickelt das vordere Drittel ihres muskulösen Körpers um die Beute. Minutenlang drückt sie aus Leibeskräften zu, bis sie sich davon überzeugt hat, dass ihr Opfer den Geist aufgegeben hat. Nicht durch Ersticken, wie man lange annahm, finden ihre Beutetiere in freier Wildbahn den Tod – sie sterben, weil der Druck der Schlange ihren Kreislauf kollabieren lässt.

Setzt der Herzschlag des Opfers aus, beginnt die Schlange, die Beute herunterzuwürgen – stets vom Kopf her, um Pelztiere nicht gegen den Haarstrich schlucken zu müssen. Neben kleineren Nagern verschlingt die bis zu drei Meter lange Schlange Kaninchen, Hühner, Opossums, Leguane, mitunter ganze Kaimane, die gut einen halben Meter lang sein können. Sie schluckt die Beute komplett, ohne zu kauen – zersetzt werden die Tiere erst in ihrem Bauch. An dessen beeindruckender Wölbung lässt sich allerdings – enttäuschend für Saint-Exupéry-Fans – nicht die Form des Opfers ablesen. Verdauungsgase blähen den Schlangenleib mehr oder weniger gleichmäßig auf.

Für fünf bis zehn Tage zieht sich die Boa anschließend zum Verdauen in Höhlen oder tote Baumstümpfe zurück. Ruckartige Bewegungen vermeidet sie in dieser Zeit, es könnte sonst passieren, dass sie ihren Mageninhalt wieder ausspeit.

Boah, ey, constrictor!
Boah, ey, constrictor!
© Illu: Andree Volkmann

Giftig ist die Abgottschlange nicht. Herr Keßner passt trotzdem ein bisschen auf, wenn er mit der Pinzette im Terrarium hantiert. Ein paar Bisse hat er in seinen 37 Berufsjahren abbekommen, und die spitzen Nadelzähne der Boa können sehr schmerzhafte Wunden reißen.

In Süd- und Mittelamerika, wo die Boa constrictor heimisch ist, verehrte man sie einst als Abgesandte des Himmels, aus deren Schlängelbewegungen und Zischlauten sich Prophezeiungen ablesen ließen – daher auch der Name Abgottschlange. Bis heute findet sie sich vor allem in Mexiko, aber auch in südlicheren Gefilden des amerikanischen Kontinents. Sie kann in trockenen Halbwüsten leben, doch lieber sind ihr feuchte Urwälder.

Im Aquarium wird gerade ein neues Feuchtterrarium für sie eingerichtet, mit einer kleinen Wasserquelle. Bis es fertig ist, lebt sie hinter den Kulissen, in einem Ersatzterrarium. Die ungewohnte Umgebung habe sie etwas launisch gemacht, sagt Herr Keßner, ansonsten sei mit „der Dicken“ eigentlich immer gut Kirschen essen. Überhaupt könnten Abgottschlangen „sehr umgängliche Haustiere“ sein – in ihrer Heimat halte sie mancher Bauer gar als Nagetierfänger.

ABGOTTSCHLANGE IM AQUARIUM

Lebenserwartung: 25–30 Jahre

Fütterungszeiten:  alle 14 Tage

Interessanter Nachbar: Köhler-Schildkröte, Honduras-Königsnatter

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