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Wird schon mal knallrot: der Tomatenfrosch.
© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (63): Der Tomatenfrosch

Sie blähen sich auf, graben sich ein oder sondern Gift ab. Diese kleinen Tiere können sich hervorragend verteidigen.

Man will sie sofort ernten, in Scheiben schneiden, mit Mozzarella schichten... diese saftig-roten, prallen Früchte hier im Zoo-Aquarium. Das sollen Frösche sein? Die schönen Amphibien oder Lurche kommen aus Madagaskar, das für Millionen von Jahren isoliert lag, ein Labor für Einfälle der Evolution. Nicht immer schlaue. Wie dumm, liebe Natur, kann man sein, solch eine Knallfarbe zur Abschreckung einzurichten! Wenn, dann ist sie nur eines: verdammt appetitlich.

Warum die Frösche also nicht nach einer Frucht benennen? Die Ochsentomate heißt schließlich auch nach einem Rind. Unter Blättern und Rinden hocken nun zwölf dieser leckeren Tiere und pumpen. Blähen sich auf, bis man meint, sie platzten gleich, pulsieren wie offene Herzen am OP-Tisch. Sich fett machen, das ist die erste Idee der Tomatenfrösche, wenn sich ein Feind nähert. In ihrem Verbreitungsgebiet, der Bucht von Antongli bis in die Region südlich von Tamatave, sind das meist Schlangen. Einen so rundgeblähten Frosch können sie aus keinem Baumloch hervorzerren.

Zweite Idee der Amphibien: Flucht. An den Hinterfüßen haben Tomatenfrösche Schwimmhäute und sogenannte Grabschwielen, mit denen sie sich in den Boden, die Laubschicht des Regenwaldes, einwühlen können. Wegspringen mit solch kurzen Beinen – unmöglich.

Und dann ist da noch die dritte Idee, diese Dummheit der Natur: Wer gierig in einen Tomatenfrosch hineinbeißt, dem spritzt klebrige Milch ins Maul. Zäh wie Kaugummi. Frosch im Hals. Dem Menschen schwillen die Schleimhäute an, kleinere Tiere kratzen gleich ab. Frosch-zum- Prinz-küssen? Nicht zu empfehlen.

Die Tomatenfrösche im Zoo, Engmaulfrösche, scheinen zu ahnen, dass Reviertierpfleger Robert Seuntjens sie weder küssen noch aufessen will. Sie sondern nur selten ihr Gift ab, geben jetzt Ruh und stieren weiter vor sich hin. Seuntjens sprüht ihnen morgens das Terrarium nass – 25 Grad und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit schützen dünne Froschhaut. Er füttert sie mit Grillen und Heimchen und wenn er denkt, es sei an der Zeit für Nachwuchs, holt er sie hinter die Kulissen des Aquariums. Hier muss es blitzsauber sein. Weil Tomatenfrösche nicht nur durch die Lunge, sondern auch durch die Haut atmen, nehmen sie Chemikalien aus Handcreme oder Seife ungefiltert auf. Keime sowieso. Tödlich. Wenn Seuntjens nun Kinder machen will, lässt er Wasser auf die Tiere niederprasseln. Dann beginnen die Männchen, dumpf zu rufen, wie heiseres Hühnergegacker. Regen macht Tomatenfrösche geil.

Bei der Paarung umklammert das Männchen das etwa 200 Gramm dickere Weibchen von hinten, ein Reflex, der den Samenerguss auslöst. Manchmal lassen sich die Herren danach Huckepack bis zum nächsten Gewässer tragen. Nicht etwa aus Faulheit, sondern um zu verhindern, dass ein anderer die gerade erkämpfte Fröschin erklimmt. In der Natur umgreifen die Männchen auch oft fälschlich Treibholz oder tote Fische und samen ab. Diese Verschwendung kann Tierpfleger Seuntjens verhindern. Genau wie die froschübliche Massenkarambolage: Mehrere Männer werfen sich auf eine Frau. Im Wasser kann die dann ertrinken. Aus dem Laich päppelt Seuntjens neue, appetitliche Tomatenfrösche.

TOMATENFROSCH IM AQUARIUM

Lebenserwartung:  bis zehn Jahre

Fütterungszeiten:  sonntags und donnerstags

Interessanter Nachbar: Riesensalamander

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