Buschcamping in Botswana: Dicke Freunde am Okavango
Nirgendwo sonst kann man so gut Elefanten beobachten wie im Okavangodelta. Zu Besuch in einem der letzten Wildparadiese.
Den ersten Elefanten vergisst man nicht. Wie er plötzlich hinter der Kurve im Busch steht, unbeeindruckt vom Landrover und seinen Insassen, den Rüssel in die Zweige versenkt und krachend Geäst herausbricht. Ein staubgrauer Riese in der Nachmittagshitze der Chitabe Concession, einem Savannencamp am Rande des Okavangodeltas in Botswana.
Nirgendwo sonst in Afrika leben so viele Elefanten wie im südafrikanischen Binnenstaat. Nirgendwo sonst kann man ihren Herden so nahe kommen. Rund 130 000 Tiere hat der Great Elephant Census, eine groß angelegte Tierzählung, im Sommer des vergangenen Jahres ermittelt – von rund 350 000 Exemplaren auf dem gesamten Kontinent. In Botswana gilt der Bestand als stabil, im restlichen Afrika ist er innerhalb von sieben Jahren um 30 Prozent zurückgegangen.
Da Elefanten in umliegenden Ländern wie Namibia, Angola und Sambia stärker von Wilderern verfolgt werden, haben viele der Tiere ihre jährlichen Wanderrouten verändert und Botswana als Rückzugsort ausgewählt. Das Land bietet unübersehbare Vorteile für sie. Es verfügt über eine Fläche so groß wie Frankreich, auf der jedoch nur zwei Millionen Menschen leben. Präsident Khama hat vor zwei Jahren ein Jagdverbot für alle Tierarten verhängt – wohl auch, um den Negativschlagzeilen zu entkommen, nachdem der spanische König Juan Carlos 2012 vor einem toten Elefanten im botswanischen Busch posierte.
Das Okavangodelta ist die größte Sickergrube des Kontinents
Von den sowieso schon gering besiedelten Flächen ist das Okavangodelta noch weniger bevölkert. Das Feuchtgebiet steht die Hälfte des Jahres unter Wasser, die Tsetsefliegen machen das Leben schwer, es gibt kaum Straßen oder Wege, wozu auch, wenn sie für Monate im Jahr wieder verschwinden. Elefanten macht das nichts aus. Sie futtern sich durch die 20 000 Quadratkilometer, wo der Okavango, anstatt in ein Meer zu münden, in einer Wüste versandet und damit das größte Binnendelta der Erde formt. 2014 deklarierte die Unesco das Delta, das etwa so groß wie Slowenien ist, zum Weltnaturerbe.
Der fruchtbarste Boden des südlichen Afrikas ist gleichzeitig die größte Sickergrube des Kontinents. Genauso muss man sich das Okavango-Prinzip nämlich vorstellen – als würde man mit der Gießkanne Wasser in einen Sandkasten hineinspülen. Die Gießkanne, das sind die Berge Angolas, aus denen der Strom wütend heruntertobt. Der Sand gehört der Kalahariwüste, in der das Nass im Nordwesten Botswanas versickert. Durch die Hitze verdunsten 96 Prozent der Wassermassen, die aus Angola kommen, nur zwei Prozent dringen in den hunderte Meter dicken Sandboden ein, die restlichen zwei Prozent bilden den Fluss. Je dichter man sich an der Gießkanne Angolas befindet, umso feuchter ist die Erde, umso grüner wuchert die Vegetation, umso mehr Nahrung für Flusspferde, Impalas und Elefanten gibt es.
Ein Flug über das Delta ist Geografieunterricht in Zeitlupe
Nördlich vom Chitabe Camp ahnt man diese Verwandlung schon, wenn man mit der Chessna zur Vumbura-Ebene fliegt. Maximal sechs Sitzplätze in der Propellermaschine, 80 Kilometer Entfernung, 35 Minuten spektakuläre Draufsicht auf den Okavango, der mehr Wasser führt, je weiter man nach Norden in Richtung des Gebirges vordringt. Vom Flugzeug aus gibt es Geografieunterricht in Zeitlupe. Thema: Wie Zeit und Naturgewalten eine Landschaft formen. Bis der Fluss verschwindet, modelliert er Sümpfe, Inseln, Fantasiekurven und mit Wasserpflanzen bedeckte Trassen auf der Erdoberfläche.
Vom Fenster aus sehen Marschen wie Großaufnahmen der menschlichen Handfläche aus, gezackte Linien wie auf unserem Handteller gehören zu dutzenden Wasserschneisen, die das Schilf trennen. Falten einer Landschaft, die mit jedem Frühjahrshochwasser in den Boden gegraben und von Tieren benutzt werden. Dazwischen dunkle Punkte wie von einem himmlischen Pfefferstreuer auf das Delta geworfen: Kaffernbüffel und Elefanten.
Die Chessna dreht eine lange Kurve, das Flugzeug landet ruckelnd in den Vumbura Plains. Hier stehen selbst in der Trockenzeit Büffel knietief im Wasser. Litschi-Antilopen und Sattelstörche pflügen durch das Nass, Flusspferde kühlen tagsüber darin ihren Körper, und Schreiseeadler bemerken von Hochsitzen aus jede Bewegung unter der Oberfläche. Die wenigen indigenen Stämme, die hier ausharren, bewegen sich in Mokoros fort, kleinen Holzkanus. Die sind nicht gerade Flitzer. 16 Tage dauert eine Fahrt im Kanu bis zur Stadt Maun, dem Drehkreuz des Tourismus, wo zweimal am Tag Flugzeuge aus Südafrika landen, danach die der Camps starten und höchstens eine Stunde bis nach Vumbura benötigen.
Für die Gäste passieren Wunder
Die Elefanten sind die unbestrittenen Herrscher der Ebene. Im Resort der Vumbura Plains arrangieren sich die Menschen deshalb mit ihnen und ihren jahrhundertealten Routen. Über einen erhöhten Holzsteg erreichen die Gäste ihre Villa, an manchen Stellen wird der Weg allerdings von einer Treppe unterbrochen und verläuft plötzlich ebenerdig. Dort kreuzt ihn der unsichtbare Pfad der Elefanten. Als der Steg früher durchgehend über der Erde entlangführte, haben die Kolosse einfach ihre Körper gegen das Holz gedrückt – und krach, war der schön gezimmerte Weg dahin. Seit es die Durchbrüche gibt, ist es nicht mehr zu Elefanten-Vandalismus gekommen.
Dafür passieren jetzt Wunder. Wenigstens für die Gäste, wenn sie am Rand des Camps übernachten. Frühmorgens, nachdem die Baumhörnchen ihr Warnlied gepfiffen haben, zieht es einige der Elefanten direkt an der Villenterrasse vorbei zum nahen See. Auge in Auge stehen sie vor den Gästen – und leidlich gleichgültig gegenüber der Schnappatmung, die sie bei Touristen verursachen.
Für die Elefanten zählt nur der nächste Mopane-Baum, den es niederzumachen gilt, und Wasser, in das man sich so gern hineinlegt, um die sensible Haut zu pflegen. Jedes Schlammloch ist ein Elefanten-Spa. Da müssen auch die Warzenschweine ganz schnell verschwinden, wenn sie nicht erdrückt werden wollen.
Das Abu Camp verfügt über etwas sehr Besonderes
Und wie fühlt sich diese Haut nun an? Bee winkt die Gäste heran. Er ist ein Wildhüter und Gentleman, ein freundlicher Botswaner, der Touristen haarklein erklärt, wie viel eine ausgewachsene Kuh am Tag frisst: 200 Kilogramm. Seit sieben Jahren arbeitet der 29-Jährige aus Maun im Abu Camp, 20 Flugminuten südlich der Vumbura-Ebene. Bee nähert sich unter einem Leberwurstbaum einem Elefanten, „nicht unter die hängenden Früchte stellen“, warnt er Besucher vor dem kiloschweren Obst, dann streichelt er das Tier hinter dem Ohr und fordert die vier Gäste des Camps auf, es ihm nachzutun. Hinter dem riesigen, ständig wedelnden Ohr ist die Haut rau und trotzdem weich. Der Rüssel hingegen fühlt sich an, als würde man über einen ausgefransten Bastteppich streichen.
Das Abu Camp verfügt über etwas sehr Besonderes: eine eigene Herde von halbwilden Elefanten. Vor einigen Jahren waren es 16 Tiere, im Moment trotten sechs jeden Morgen aus den Stallungen des Camps hinaus und abends wieder hinein. Jedes Tier kann selbst entscheiden, ob es irgendwann die Weite des Deltas und eine andere Familie dem Schutz des Camps vorzieht. Deshalb schwankt die Zahl. Bullen gehören nicht zum Familienverband, bei Elefanten herrscht striktes Matriarchat.
Die Tiere wurden anfangs aus Zoos und Zirkussen gerettet, einige wurden später im Camp geboren oder kamen als Waisen hierher. Das erklärt die Nähe zu den Menschen. Bis vor ein paar Jahren dressierten die Wildhüter die Tiere, damit Touristen auf ihnen reiten können. Das wird nun abgeschafft. Die alten Elefantendamen Cathy und Shireni werden von den Pflegern noch geritten, aber Gäste nicht mehr ermutigt, auf ihnen eine Safari zu unternehmen.
Dafür können Besucher des Abu Camp mit der kleinen Herde eine Walking Safari unternehmen. Sie gehen in Ameisenlinie hinter den Tieren her, vorbei an Akazienbäumen und Termitenhügeln, die wie Kleckerburgen aus der Fantasie des katalanischen Architekten Gaudi aussehen. Bee trägt zur Sicherheit eine Waffe, obwohl sich kein vernünftiger Löwe oder Leopard trauen würde, Menschen als Teil der Elefantenherde anzugreifen. Vor allem da es rundum von leichter Beute wie Impalas wimmelt.
Der Star der Gruppe ist Naledi
Mit Cathy & Co. spazieren zu gehen, heißt, deren Unterschiede begreifen zu lernen. Dass Cathy die Chefin der Herde ist, deshalb am Ende der Gruppe läuft und manchmal tiefe Laute ausstößt, die laut Bee dazu da sind, die Herde zum zügigen Fortbewegen zu animieren. Dass die junge Kuh Paseka ein Loch im Ohr hat, das ihr Hyänen zugefügt haben, als sie 2009 versuchten, das von ihrer Herde getrennte Kalb anzugreifen und zu reißen. Paseka rettete sich in den Heizungsraum des Abu Camp – und ist seitdem Mitglied der dortigen Elefantenherde.
Der Star der Gruppe ist jedoch Naledi. Gerade ist sie drei Jahre alt geworden. Ihre Mutter starb kurz nach der Geburt, die Waise musste von den Pflegern mit der Hand aufgezogen werden, weil keine der älteren Elefantendamen genug Milch für sie hatte. Sie rennt schon mal aufgeregt auf Menschen zu, eine Tonne Glücksgefühl mit Karambolagegarantie, weil sie mit ihnen spielen will – und lässt sich bereitwillig von Gästen mit Zwei-Liter- Milchflaschen füttern. Aber Vorsicht: Naledi kaut gern auf den Plastikflaschen herum und versucht diese mitzuvernaschen, sobald die Milch alle ist. Da müssen zwei Männer eingreifen, um die Flasche aus ihrem Maul zu ziehen.
An kaum einem anderen Ort kommt man den gefährdeten Tieren so nahe wie in diesem Camp mit 94 Quadratkilometern Auslauf. Nur sechs luxuriös ausgestattete Safarizelte mit Doppelbett und Badewanne auf der Terrasse stehen Reisenden zur Verfügung. Abends treffen diese sich zum Sundowner am Lagerfeuer, wilde Elefanten trotten am Horizont entlang, und dann schwärmen die Urlauber davon, wie ergreifend es war, den Rüssel eines Elefanten zu fühlen.
Reisetipps für Botswana
EINREISE
Touristen aus der Europäischen Union erhalten bei Ankunft in Botswana ein Visum. Der Pass muss noch sechs Monate gültig sein.
ANREISE
Es gibt keine Direktverbindungen aus Europa, alle ausländischen Flüge nach Maun kommen aus Südafrika. Von Berlin mit der Lufthansa oder Swiss nach Johannesburg, von dort weiter mit South African Airways oder Air Botswana.
TOURISMUS
Botswana liegt im Trend. Bei „New York Times“ und „Forbes“ steht das Land auf der Liste der wichtigsten Ziele für 2017. Im März wird es Gastland der Reisemesse ITB in Berlin sein. Die Zahl deutscher Touristen hat sich zuletzt um ein Drittel auf 38 000 pro Jahr erhöht. Obwohl Botswana eine teure Destination ist. Eine Individualreise in das Okavangodelta ist wegen der örtlichen Gegebenheiten unmöglich, alle Camps haben vier oder fünf Sterne und relativ wenige Zelte. Reisende müssen diese vorher über Veranstalter buchen. Zum Beispiel über Airtours: eine Woche inklusive aller Flüge, Mahlzeiten, Safaris und Steuern ab etwa 7000 Euro pro Person. Es gibt günstigere Buschcampingangebote, die nur Randgebiete des Deltas im Programm haben: ab 2600 Euro ohne Flüge ins Land. Mehr Infos unter botswanatourism.eu.
Mehr über die Camps unter wilderness-safaris.com
Ulf Lippitz
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