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Die Diamant-Klapperschlange.
© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (91): Diamant- Klapperschlange

Die Diamant-Klapperschlange ist fast taub, kann nicht riechen und sieht schlecht - aber sie hat eine Art Infrarot-Scanner unter den Augen

Mit gerecktem Kopf lauert sie, klappert mit der Schwanzspitze. Ein lautes Rasseln von den kleinen Schellen aus Horn. Das ist die Warnung an den, der sich nähert. Dann schnellt sie vor, bohrt ihren Vorderzahn in das Fleisch des Feindes. Gift breitet sich in dessen Hautzellen aus. Rot, blau, schwarz schwillt sein Gewebe an, bis es zersetzt ist. Spätestens jetzt sollte das Gegengift her, sonst gilt: Arm ab oder Mensch tot. So läuft das, bei der Diamant-Klapperschlange. Sie ist die giftigste im Berliner Aquarium und die größte ihrer Art.

In vielen Religionen verkörpern Schlangen seit jeher das Böse. Eine Python bewachte das Orakel der alten Griechen. In Mexiko verehrten sie einst eine gefiederte Schlange als Gott, und für die südafrikanischen Venda war sie Symbol der Fruchtbarkeit. Schlangen gelten als heilbringend oder verderbend, weise oder hinterlistig. Vor allem aber als unberechenbar.

Deshalb sind beim Fütterungsritual im Berliner Aquarium keine Besucher zugelassen. Pfleger Ronny Keßner reicht den Tieren Mäuse mit einer Zange. Auf wenige Zentimeter kommt er an sie heran. Die Klapperschlangen klappern laut. Einen Angriff gab es noch nie. Gegengift steht jedoch in der Kammer bereit.

Ihr wildes Zünglein ersetzt die Nase

Die Diamant-Klapperschlange wird bis zu 1,50 Meter lang, Hautschuppen ziehen sich wie eine Kette aus Edelsteinen über ihren glatten Körper. Zwar ist sie fast taub, kann nicht riechen und sieht schlecht. Feinde erkennt sie aber mit einer Art Infrarot-Scanner unter den Augen. In den südlichen Wüsten Nordamerikas, ihrer Heimat, spürt sie durch diese zwei Gruben mit feinen Sensoren, ob sie eine Wüstenbrise streift oder ein Lebewesen sich nähert. Ihr wildes Züngeln ersetzt die Nase: Die gespaltene Zunge nimmt Düfte auf und transportiert sie zum „Jacobsonschen Organ“ zwischen Nasenspitze und Augen, wo das Gehirn sie zuordnet.

So sucht die Diamant-Klapperschlange nachts ihre Beute. Vögel oder Mäuse. Und so entscheidet sie, welches Weibchen zu ihr passt. Dann windet sie sich heran, stellt das schwarz-weiße Schwanzende auf, um zu imponieren. Die Schlange, die Verführerin. „Komm“, sagte sie einst, „iss von dem Apfel“ und vertrieb Adam und Eva aus dem Paradies. „Komm“, scheint jetzt auch dieses Schlangenmännchen im Aquarium des Zoos zu sagen. Apfel und Paradies sind ihm ziemlich egal – es hat Lust auf die Jungschlange, die eingerollt im Sand liegt, will einen seiner zwei Hemipenisse in ihr Loch schieben. Das Männchen versucht das Weibchen auszurollen, ein reines Muskelspiel, denn Schlangen haben keine Gliedmaßen – als einzige Tiere. Nur die Wirbelsäule hält sie zusammen.

Im Frühling geht das Geklapper wieder los

Im Winter, wenn die Klapperschlangen gruppenweise in Höhlen schlafen, brauchen sie kein Futter, sie schweigen und ruhen. Im Frühling geht das Geklapper wieder los. Durch die dicken Scheiben im Aquarium hört man die Rasseln nicht. Meist liegen die fünf Schlangen still da wie verdauende Spiralen. Nur, wenn eine von ihnen sich häutet, die alte Hülle wie Plastik im Gestrüpp hängt und das Muster auf der neuen Haut stärker glänzt, bleiben Besucher stehen. So wie heute beim Paarungsakt.

DIAMANT-KLAPPERSCHLANGE IM ZOO

Lebenserwartung:  20-30 Jahre

Fütterungszeiten: ein Mal pro Woche, nicht öffentlich, weil gefährlich

Interessanter Nachbar: Gangesgaviale

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