Berliner Schnauzen: Der Meerespelikan hat die beste Waffe gegen den Regen
Wäre er in Florida, würde er im Sturzflug angesaust kommen. Hier sitzt er ungerührt im Sommerregen – und widmet sich ganz der Körperpflege.
Wenn es plötzlich in Strömen anfängt zu regnen, stört das so manche Bewohner des Berliner Tierparks. Wenn dann der Wind auch noch wild in den Bäumen rüttelt, ist bei den meisten Aufregung angesagt: Die Rehe rennen in ihrem Gehege auf und ab, die Lamas schauen unglücklich drein und suchen sich einen Unterstand, die Alpakas wippen von einem Beinpaar zum anderen. Einer mindestens aber bleibt ungerührt sitzen, was kümmert es ihn, wenn er nass wird, er hat ja schließlich sein wasserabweisendes Gefieder: der Florida-Meerespelikan.
Die Wohnbedingungen eines Meerespelikans in Deutschland, Berlin, genauer noch: im Tierpark, könnten kaum stärker abweichen von dem, wie er eigentlich lebt. Sein Name sagt schon, was ihm hier fehlt. Ein Süßwassertümpel ist seine neue Heimat, Süßwasserfisch seine neue Leibspeise, nicht lebendig zappelnd zu verköstigen, nein, bereits tot, aufgetaut, so will es das Gesetz. Was soll da jetzt so ein stürmischer Sommertag noch Schlimmes anrichten?
Der Florida-Meerespelikan teilt sich sein großzügiges Gehege mit all den anderen Pelikanarten, die es gibt, darunter einige, die keine maritimen Wurzeln haben. Auch ein paar Enten wohnen dazwischen – die leben hier aber gefährlich, denn der Pelikan, der täglich zehn Prozent seines Körpergewichts (er wiegt zwei bis vier Kilogramm) verdrückt, hat auch schon mal ein Entchen schnabuliert. Mit einer Schnabellänge von etwa 35 Zentimetern. Doch was ist eine fette Beute schon wert, wenn sie da direkt neben einem sitzt? Der Meerespelikan ist ja eigentlich Jäger.
Das Gefieder hält ihn trocken
Wäre er noch in Florida, würde er nun im Sturzflug angesaust kommen. Er ist Einzelkämpfer, während seine Süßwasser-Pendants gesellig in Gruppen jagen. Die bilden eine Kette, treiben die Fische ins flache Wasser und schöpfen sie dann mit ihrem Schnabel „wie mit einem Kescher“, sagt Tierpark-Kurator Martin Kaiser. Der Meerespelikan aber ist ein Stoßtaucher. Aus 20 Metern Höhe käme er angeschossen, spitz wie ein Pfeil, weil er die Beine gestreckt und die Flügel angelegt hätte. Beim Eintauchen würde es platschen, und dann wäre er verschwunden, würde in den Tiefen nach einem Fisch schnappen und wieder auftauchen.
Der Sturzflug ist nötig, denn so einfach ist das Untergehen für sie nicht: Ein Luftpolster unter der Haut hält sie oben. Fasst man sie an, knistern sie wie gefaltetes Pergament, erzählt Kaiser. Aber hier gibt es keine Sturzflüge. Flugunfähig sind die Tiere allesamt gemacht worden, damit sie nicht wegfliegen. Nach Florida oder sonst wohin, wenn sie das Fernweh packt. Vom vorderen Ufer des Geheges schwimmen die Ruderfüßer also rüber auf die Insel in der Mitte des Tümpels.
Hier gibt es bloß den Regen und den Wind, der jetzt nicht mehr nur an den Bäumen, sondern auch am Pelikan rüttelt. Der bleibt jedoch stoisch sitzen. Und er hat ein Ass im Ärmel, wenn man so will. Das Gefieder hält ihn ja trocken, dank seiner ausschweifenden Körperpflege. An seinem Bürzel – das ist der hintere Teil eines Vogels – befindet sich die Drüse, deren öliges Sekret für ihn überlebenswichtig ist. Er schnappt mit dem Schnabel nach dem Bürzel und schmiert sich rundum ein, wappnet sich. Wenn schon nicht gegen die Wasser des Atlantiks, dann eben gegen den Berliner Sommerregen.
FLORIDA-MEERESPELIKAN IM TIERPARK
Lebenserwartung: etwa 35 Jahre
Interessanter Nachbar: Lama