Berliner Schnauzen: Bloß kein Weib im Gehege
Im Rudel herrscht eine strenge Hierarchie. Das gilt auch für die drei Iberischen Wölfe, die aus dem Lissabonner Zoo in den Tierpark gezogen sind.
Berlin hat drei neue Mitbewohner. Dieser Tage sind sie aus Lissabon angekommen, sind noch ohne Rufnamen, aber schon ordentlich registriert und mit Meldeadresse versehen: Isegrimms, Am Tierpark 125, 10319 Berlin. Ein Vater im besten Männchenalter, mit zwei Söhnen im Halbstarkenmodus. Es steht nicht zu befürchten, dass sie in Bälde zu einem dieser gruseligen Junggesellenabschiede krakeelend durch Friedrichshain ziehen. Der Combo kommt so schnell kein Weib ins Gehege. Nicht, dass sie nicht wollten, aber ein Weib – bitte, das ist wirklich nur zoologisch gemeint – würde nur Unruhe bringen, würde einen schweren Generationenkonflikt auslösen, wenn die Isegrimm-Jungs vor Vater Isegrimm auf dicke Hose machen, würde den Alten zu drastischen Erziehungsmaßnahmen zwingen, an deren Ende möglicherweise Verletzte zu beklagen wären.
Isegrimms, fast verrät es der Fabelname, spaßen in ihrer strengen Hierarchie untereinander nicht. Auch nicht die drei Iberischen Wölfe, die nun die einige Zeit leer stehende Wolfsanlage bewohnen. Dem Iberer ist, im Gegensatz zu anderen Eurasischen Wölfen, zu eigen, dass er nicht in größeren Rudeln umherzieht, dass er schlanker gebaut ist und schwarze Markierungen an den Vorderläufen und am Schwanz hat. Die Angaben konnten beim Antrittsbesuch nicht überprüft werden, die Herrschaften fremdeln noch in neuer Umgebung. Nur Alpha-Grimm lugte kurz aus dem Haus. Am Morgen, versichert Kurator Florian Sicks, seien die drei aber schon draußen unterwegs gewesen, einer der Jungen sei dabei in den Wassergraben geplumpst.
In Brandenburg wurden inzwischen über 20 große Rudel gesichtet
Vorsichtiger Blick des märchenkundigen Besuchers, ob der badende Isegrimm nicht dann auf der anderen Seite, der Besucherseite, rauskommen könnte. (Kann er nicht.) Der Wolf ist zurück und mit ihm sein Leumund. Der ist übel und hat den Wolf zum einen in die Komödien des Römers Plautus gebracht, zum anderen in die Gedanken des englischen Philosophen Thomas Hobbes: „Homo homini lupus“ behaupteten beide, der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Ist das so?
Der Wolf ist dem Schaf möglicherweise ein Wolf. In Brandenburg wurden inzwischen über 20 große Rudel gesichtet, mitunter werden Fotos veröffentlicht, die Wölfe zeigen sollen, aber eher so aussehen wie Fotos von vermeintlichen Aliens. Gesichert ist, dass Wölfe wieder in der Natur herumlaufen, auf der iberischen Halbinsel, der Heimat der Neu-Berliner, sind es inzwischen wieder etwa 2500. Ebenso sicher ist, dass man eigentlich kein verantwortlicher Schäfer sein möchte. Denn bei allen Legenden und Schauermärchen über den Wolf, wenn dem der Magen knurrt, frisst er nicht gut Kirschen, sondern festere Nahrung, vorzugsweise Lämmer und Rinder.
Unsere iberischen Mitbewohner machen das natürlich nicht. Sie lassen reißen und servieren, vor allem Rind am Knochen. An einem Tag der Woche, im Tierpark ist es der Freitag, legen die Wölfe wie ihre Kollegen in Brandenburg oder wo sonst noch Wölfe umherstreifen, eine Fleischpause ein. Fraglich ist, ob das Wissen über diesen Veggie-Day dem Wolf zu einem besseren Ruf verhelfen würde. Aber Rom, immerhin gegründet von Romulus und Remus, nachdem sie von einer Wölfin gesäugt worden waren, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.
IBERISCHER WOLF IM TIERPARK
Lebenserwartung: 10 Jahre
Interessanter Nachbar: Dromedar
Helmut Schümann