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Kamtschatka-Quallen zählen zur Gattung der Schirmquallen und bestehen aus 98 Prozent aus Wasser.
© imago/Anka Agency International

Berliner Schnauzen: Der größte Feind der Qualle ist das Nichts

Fett wie eine, das Rückgrat einer, schlimmer noch: die Persönlichkeit einer Qualle! Gott sei Dank wissen die Kamtschatka-Babyquallen im Aquarium nicht, wie man draußen über sie denkt.

Ein Fisch, die Augenweit aufgerissen, in einer Qualle. Und er lebt! Gefangen in einem durchsichtigen Glibberwesen vor der Küste Australiens. Dieses Foto wurde tausendfach geteilt. Der Fotograf berichtete, er habe zunächst überlegt, den Fisch zu retten – doch dann entschied er sich, Natur und Verdauung der Qualle ihren Lauf zu lassen und so schwamm der Fisch im Nesseltier davon . Nicht hilfreich für das eh' schon schlechte Quallenimage, so ein Schnappschuss.

Fett wie eine Qualle, das Rückgrat einer Qualle, oder – schlimmer noch – die Persönlichkeit einer Qualle. Grauenhaft. Keiner will so sein, keiner mag Quallen. Allein schon der wissenschaftliche Name, den der Mensch ihr gegeben hat. Benannt nach Medusa, einst betörende Schönheit, von Athene in ein hässliches Monster mit Schlangenhaaren verhext und fortan dazu verdammt, jeden Mann in Stein zu verwandeln, der in ihre stechenden Augen blickt.

Gott sei Dank wissen die Kamtschatka-Babyquallen im Aquarium nicht, wie man da draußen über sie denkt. Wer zu 98 Prozent aus Wasser besteht, dem ist das, höchstwahrscheinlich, auch egal. Als Qualle hat man andere Probleme. Wer sich so perfekt an seine Umwelt angepasst hat, muss achtgeben, dass er sich nicht in ihr auflöst. Im Falle der Qualle: in Wasser. Fallen im Aquarium die Pumpen aus, die verhindern, dass die wehrlosen Tiere mit ihren Geleekörpern an die Wände knallen, ist binnen weniger Stunden kaum noch etwas von ihnen übrig. Der größte Feind der Qualle ist das Nichts.

Die Babyquallen, fingerkuppengroß, sind noch fast durchsichtig, erst später werden sie sich gelb verfärben. Sie zählen zur Gattung der Schirmquallen, und der ihre ist besonders prächtig. Er wird bis zu 60 Zentimeter groß, 16 Tentakelbündel trägt so eine Schönheit am Leib.

Wenn eine Kamtschatka-Qualle durch Atlantik oder Pazifik treibt, sieht sie aus wie ein aufgeschlagenes Ei – was ihr den Spitznamen Eigelbqualle einbrachte. Nicht zu verwechseln ist sie mit der Spiegeleiqualle. Sie teilen zwar den Look, letztere findet man allerdings in wärmeren Gewässern wie dem Mittelmeer, oder als Quallensalat im chinesischen Restaurant.

So einen würde die Kamtschatka-Qualle nicht verschmähen: Sie frisst, neben Plankton und Krebstieren, liebend gerne andere Schirmträger. Deshalb fungiert sie im Zoo als Müllschlucker-Kannibale für ausrangierte Kollegen, die nicht mehr richtig schwimmen können. Eigentlich füttert Daniel Strozynski, der Quallenexperte, die Tiere mit Krebsen aus der eigenen Zucht. Fünf Mal am Tag, Quallen sind gefräßig. Entdeckt Strozynski auf seiner Tour eine altersschwache Qualle, die nicht mehr gut schwimmt, macht er kurzen Prozess. Raus aus dem Becken, aber mit Vorsicht, sie gehen so leicht kaputt, und dann in mundgerechte Happen schneiden. Es darf nur nicht die eigene Quallenart sein, eine Kamtschatka frisst keine andere Kamtschatka. „Mit einer Schere, das ist wichtig“, sagt Strozynski. „Mixer geht nicht, da bleibt nichts mehr zu fressen übrig.“ Da ist es wieder, das Problem mit dem Nichts. In Einzelteile zerschnitten werden die Quallen den Kamtschatkas zum Fraß vorgeworfen. Immer noch besser, als sich in Luft aufzulösen, irgendwie.

KAMTSCHATKA-QUALLE IM ZOO

Lebenserwartung:  Zwei Jahre

Interessanter Nachbar: Gepunktete Wurzelmundqualle

Sabrina Markutzyk

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