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Brillenbär-Nachwuchs im Tierpark Berlin.
© Tierpark Berlin

Berliner Schnauzen (20): Der Brillenbär

Er ist der Hipster aus Friedrichsfelde. Doch die Maserung täuscht: Der Brillenbär ist ein oberflächliches Schwein.

Die Brille ist ins Fell gefärbt / und wird von Bär zu Bär vererbt, / sie wächst ihm einfach im Gesicht, / den Brillenbären stört das nicht“, dichtet der junge Lyriker Danilo Pockrandt. Er muss den Berliner Tierpark zur Inspiration besucht haben, wo die Bärengroßmutter mit ihrem Bärenenkel durch das kniehohe Gras tollt, als hätten sie keine Brillen auf.

Doch wozu diese fellene Maserung um die Augen herum? Jedenfalls dient sie nicht, Feinde abzuschrecken. Denn in den Anden Südamerikas, wo der Brillenbär als letzter einheimischer Bär lebt, kann ihm keiner was. Er ist stärker als alle anderen Raubtiere in den tropischen Bergwäldern und das, obwohl er fast vegetarisch lebt. Mit seinen großen, flachen Backenzähnen zermalmt er auch die widerspenstigsten Pflanzen, knatschige Bromelien, zähe Palmenblätter, harte Rinden, stachelige Kakteen. Er hängt da ab, wo Obstbäume sind, wandert Stunden bis zur nächsten süßen Frucht.

Nur hin und wieder gönnt er sich eine Maus am Wegesrand. Im Tierpark wollen sie diese tagfüllenden Touren ersetzen: Ein Futterautomat schießt Erdnüsse ins Gebüsch, der Bär sucht, ein Hundekuchen liegt im Laubhaufen versteckt, der Bär wühlt, Bäume wurden mit Parfum besprüht, der Bär reibt seinen seinen Hals am Stamm. Und hat zu tun.

Sein einziger Feind ist der Mensch

Des Brillenbären einziger Feind ist der Mensch, der die Flinte zückt, wenn das hungrige Vieh seinen Maisfeldern zu nah kommt. Was häufig geschieht, deshalb gilt der Brillenbär als bedroht. Die Fellkringel um die Augen taugen auch nicht zur Tarnung. Als der etwa 110 Kilo schwere Bärenmann Juan vor ein paar Jahren mit einem Baumstamm als Brücke aus der Tierpark-Bärenschlucht ausbrach, fanden ihn die Pfleger sofort. Auf den hohen Baumwipfeln, die er mit scharfen Krallen erklimmt, um sich erstaunlich geschickt an seine geliebten Früchte heranzubalancieren, fällt er mit der Maske noch mehr auf.

Nachts baut er sich dort Plattformen aus Ästen und Nester aus Gräsern. Im Tierpark klaut eine Bärin der anderen allnächtlich das Nistmaterial wie Ehepartner sich die Bettdecke, erzählt Säugetierkurator Florian Sicks. Schärft die Brille denn wenigstens den Blick? Gewiss nicht, die Bären können besser riechen als sehen. Für die dreidimensionale Sicht hilft eher ihre kurze Schnauze, die Augen stehen eng zusammen, das ist gut beim Klettern.

Es bleibt nur eins: Eine schöne Brille zieht die Weiber an. Klappt in Berlin-Mitte ja auch. Der cremefarbene Fellkranz ist das Plexiglasgestell des Tierparks, Brillenbären sind die Hipster aus Friedrichsfelde. Erforscht ist das noch nicht. Im Tierpark scheint es jedoch zu funktionieren. Die Bären vermehrten sich zwischenzeitlich so stetig, dass die Tierschutzorganisation Peta Anzeige erstattete, zu viele Tiere auf zu wenig Raum.

Doch Vorsicht, liebe Brillenbärdamen, die coole Brille täuscht, der Brillenbär ist ein oberflächliches Schwein. Für Sex tötet er den eigenen Sohn. Erschlägt ihn mit seinen mächtigen Tatzen. Solange die Mutter sich um die Kinder kümmert, ist sie nämlich nicht bereit für ihn. Sterben die Jungen, bekommt sie rasch einen Eisprung und hat wieder Lust. Im Tierpark darf der viel massigere Mann daher nur im Wechsel mit den Bärinnen ins Gehege.

BRILLENBÄR IM TIERPARK

Lebenserwartung:  35–40 Jahre

Jungtiere:   Vor einem Jahr wurde Rina geboren

Interessanter Nachbar: Eisbär

Vorherige Schnauzen: Der Erdwolf, der Kiwi, das Stinktier

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