Mode: Fashion Week in Berlin: Das könnte allen so passen - so wird der Frühling 2017
Die gute Nachricht für Modefreunde: Der FRÜHLING 2017 wird bunt. Auch für Männer. Die schlechte: Das ist alles, woran man sich halten kann. Eine Zusammenfassung der Fashion Week von Berlin.
GUT VERNETZT
Wenn schon Haut zeigen, dann richtig. Transparente Stoffe gab es dieses Mal zwar auch – aber die hielten sich im Vergleich zur letzten Sommerausgabe der Fashion Week eher zurück. Dafür gab es jetzt kaum eine Schau, in der nicht wenigstens einem Model ein Netz übergeworfen wurde. So wie bei Michael Sontag, der seine in Weiß und Schwarz nicht nur mit Swarovski-Steinen verzierte, sondern auch lange, flatterige Bänder daran knüpfte, was seinen schlichten Outfits gut tat. Bei Odeeh kam das klassische Muskel-Netzträgerhemd für die Männer zum Einsatz, bei Dawid Tomaszewski waren die gelben Röcke aus feinem löchrigen Gewirk ein schöner Kontrast zu den Bibojacken aus gelben Federn. Die Meisterinnen des Netzes sind aber unbestritten Augustin Teboul, ihre Kleider gleichen oft fein gewebten Spinnenweben, durchsetzt mit Spitze und Leder. Die mit der Hand gearbeiteten Entwürfe sind wie immer kostbare Kunststücke. Es ist wohl das letzte Mal, dass man Annelie Augustin und Odély Teboul als Duo zu sehen bekam, die Wege der beiden trennen sich, die Marke soll es weitergeben.
SICHERE WESTEN
Und noch ein Weg scheidet sich: Der Latz trennt sich von der Hose – auch wenn beides zusammen immer mal wieder vorgeschlagen wird – sieht aber doch allzu oft einfach kindisch aus. Anders ist das mit den Westen, die man im Moment eher mit Bildern von Booten auf dem Mittelmeer und patrouillierenden Sicherheitskräften assoziiert. So behalten sie auch durchaus etwas Wehrhaftes, wenn sie wie bei Odeeh über einer Bluse straff mit Bändern am Rücken zusammengehalten werden. Dorothee Schumacher verziert ihre Variante mit großen Schmucksteinen oder lässt sie aus mit japanisch anmutenden Blumenmustern bedruckten Stoffen anfertigen. Bei Sample-CM sieht die kurze blaue Weste dann tatsächlich aus wie für die Seenotrettung.
VIELE FÄLTCHEN
Vom Rettungsruf zur Romanze: Mit dem Trend zu Rüschen und Volants werfen die Designer einen Blick ganz weit zurück in die Kostümhistorie. Rüschen tauchten mit der Renaissance bereits im 15. und Volants im Rokoko des 18. Jahrhunderts auf. Beide selbstredend der höfischen Gesellschaft vorbehalten. Längst demokratisiert, finden die beiden romantischen Details ihren Weg in die Linien mehrerer Designer für den Frühling 2017. Brustpartien und Kragenformen mit feingliedrigen Falten bei Anja Gockel, zu Rüschen geraffte Plissees bei Dimitri, und Lena Hoschek faltet, rüscht und romantisiert ja eh immer, was das Zeug hält. Besonders eindrucksvoll rüscht diesmal die niederländische Marke Avelon: ein blutorangenes transparentes Kleid, mit senk- und waagerecht angenähten Rüschenteilen in Kleinformat. Großspuriger ging Malaika Raiss mit der faltenreichen Schnitttechnik um: Überdimensionierte Rüschen setzte sie einmal rundherum um einen lässigen Parka an. Im Bereich der Volants bewies Dorothee Schumacher ihr Können: Kaum eines ihrer leichten Minikleider kam ohne voluminöse Schulterpartien aus. In der Farbe der Stunde, blau, oder gar in metallischem Effekt, sah das sehr modern und kaum mehr nach höfischer Ordnung aus.
AUF STREIFE
Unordentlich ist auch der Umgang mit dem Muster als großes Modethema: Batik bei Marcel Ostertag, Paisleys bei Lala Berlin und Grafiken bei Maissonnoée. Und überall Streifen, ganz viele Streifen. 0039 Italy zeigten zwei- und dreifarbige Streifenteile. Im Berliner Salon präsentierte die Newcomerin Sarah Effenberger für ihre Marke Fomme geradlinig bemusterte Ensembles und einige Teile des etablierten Labels Laurél waren in unterschiedlicher Stärke längs gestreift. Hien Les Streifen waren zwar schwarz-weiß, aber so schön umgesetzt, dass die Assoziation zur Knastklamotte ausblieb. Andernorts blieben die Streifen nicht unter sich: Die Kombination des strengen Musters mit verspielter Spitze. Marina Hoermanseder zeigte einen zart rosafarbenen Spitzen-Pullunder über weißem Nadelstreifen auf blauer Hemdbluse. Perret Schaad applizierten große Spitzenblüten auf gestreifter Transparenz. Schwung im strengen Musterklassiker.
BAHNBRECHENDE BLUMEN
Gar nicht streng sind Blumenmuster, auch wenn manche darauf einen besonders strengen Blick werfen: In „Der Teufel trägt Prada“ gibt es da so eine Szene. Die Moderedakteurinnen scharen sich am Konferenztisch um die herrische Chefin, das Layout zu den Frühlingstrends soll besprochen werden. „Man kann ja was mit Blumen machen“, flötet eine. Und die Chefin mit eisiger Miene: „Blumen im Frühling. Bahnbrechend.“ Stimmt schon, Blumenmuster sind ein alter geblümter Hut sozusagen. Trotzdem: Marina Hoermanseder, Dorothee Schumacher oder Sportalms Ulli Ehrlich – alle wollen nächsten Frühling Blüten sehen. Schon wieder. Glücklicherweise finden die Modemacher immer neue Wege, die Blumenpracht neu zu inszenieren. Johanna Perret und Tutia Schaad sammelten eigenhändig Blüten und Blätter, die sie dank Scanner auf den Bildschirm brachten. Digital modifiziert landete das Grünzeug auf den Kleidern von Perret Schaad. Und dass Blumen längst nicht mehr den Damen vorbehalten sind, beweisen Odeeh: grafische Blumendessins auf Männermode. „Bahnbrechend“ ist auch das nicht, hübsch aber allemal.
BESONDERE BLUSEN
Mit dem Bahnen brechen ist das in der Mode eh so eine Sache: Bei aller Freiheit ist das Design immer an den Körper gebunden, dessen Formen wollen bedient werden. Deswegen gehört die Neuinszenierung alter Klassiker zur Kernaufgabe – Hemd und Hose immer wieder neu.
Die weiße Bluse als Ausdruck von Seriösität und Eleganz ist so ein Klassiker, der jede Saison bespielt wird. Schnell sieht man, dass sie mehr kann, als Büro und Biedermeier: „La grande blouse“ nennt man in Frankreich die Bluse für den ganz großen Auftritt. An einer durchsichtigen Bluse von Avelon gab es anknöpfbare kleine Rüschenstreifen, kastenförmig mit weiten Hemdsärmeln war die weiße Bluse bei Philomena Zanetti, sie wirkte sportiv und leger. Auch der Bluse männliches Pendant, das weiße Herrenhemd war zahlreich vertreten, bei der Männermarke Brachmann etwa. Interessanterweise zeigten zwei Designer aus der Damenmode, die jetzt das erste Mal auch Männersachen präsentierten, die schönste Version des weißen Hemdes: Orientalisch inspiriert war die Knopfleiste bei Michael Sontag und René Storck dem kragenlosen Schlitz gewichen.
OHNE KÖRPER
Hieß es nicht vor ein paar Sätzen noch, die Körperform gäbe die Mode vor? Stimmt auch, nur ging man diese Saison mit den Körpergrenzen besonders kreativ um: Sie wurden durch skulpturale Schnittführung und viel Volumen kurzerhand weiter nach außen verlegt. Das ausgeprägte Spiel mit Form und Fülle bei den Schweden von Odeur: Shorts und Shirts in Übergröße. Modetheoretisch lässt sich die kleidliche Entkörperung so erklären: Seit die Digitalisierung alle Aspekte des Lebens durchdringt, verliert der Realkörper an Relevanz. Modisch „drückt sich eine Indifferenz gegenüber einer Welt aus, an der man nur noch bedingt teilhat, weil man Haltung und Stil längst auf anderen, digitalen Bühnen zeigt“, so das Kunstmagazin „Monopol“. Ah ja, die Mode ohne Körper. Besonders spannend bei Wataru Tominaga: Der diesjährige Sieger des renommierten Modepreises vom Festival d’Hyères ergänzte seine überzeichneten Schnitte um viel Farbe und Muster. Das kann er besonders gut, hat er doch „Fashion Print“ am Central Saint Martins College in London studiert, einer der wichtigsten Modeschulen überhaupt. „Ich möchte mehr Fantasie in die Mode bringen, speziell in die Männermode“, sagt der Japaner. Treffer, versenkt!
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