Label Odeeh auf der Fashion Week: Zieht an, was ihr wollt!
Jörg Ehrlich und Otto Drögsler fordern mehr Mut in der Mode. Genau das setzen sie mit ihrem Label Odeeh am Dienstagabend im Humboldtforum um.
Jahrelang umwarb der Berliner Mode Salon Jörg Ehrlich und Otto Drögsler. Erst ein riesiger, kahler Raum aus rohem Beton überzeugte die beiden Designer von Odeeh, eine Schau in Berlin zu zeigen. Die Baustelle im Humboldtforum wurde am Dienstagabend nur für ein paar Stunden geöffnet, damit das Label aus der Nähe von Würzburg dort seine Mode für den nächsten Sommer zeigen konnte.
Mit dieser Modenschau hebt sich Odeeh ganz klar vom Rest der Fashion Week ab. Das war wohl auch der Deal: Nur wenn sie nicht einer von vielen Terminen ist, kann die Schau in Berlin stattfinden. Nicht jeder Designer könnte diesen mächtigen Rahmen füllen, Gefälliges würde gnadenlos untergehen vor all dem Betonbombast. Doch schon die Stoffe lohnen genaueres Hinsehen. Ein langer, goldfarbener Mantel ist aus grün und gelb gestreifter Seide, auf einer weiten Shorts tummeln sich Meerjungfrauen, und die großen Blumen erinnern an japanische Kimonos.
Überhaupt sind die Materialien den beiden Designern sehr wichtig. Jedes Muster entsteht zusammen mit den Webern, oft wird dasselbe Blumenornament nicht nur auf Seide gedruckt, sondern noch einmal so eingewebt, dass es sich plastisch aus dem Kleid zu lösen scheint. Odeeh mischt Punkte mit grafischen Linien, lässt transparenten Chiffon auf festen Baumwollstoff treffen.
Dass das Label es schafft, in diesem kalten, grauen Raum Nähe herzustellen, könnte daran liegen, dass die Designer schon wegen ihres Alters über viel mehr Souveränität und Gelassenheit verfügen als die meisten ihrer Berliner Kollegen. Ehrlich ist 52, Drögsler 57 Jahre alt. Sie haben die Jahre genutzt, die Berliner Absolventen mit dem mühsamen Aufbau ihres Labels verbringen, um sich Wissen draufzuschaffen. So viel davon, dass sie im Laden einfach Ruhe ausstrahlen und die Kleider wirken lassen können.
Gern schauen sie im ersten Stock des Bikini-Hauses vorbei, um sich die Odeeh-Kundin aus der Nähe anzuschauen, aber stören würden sie nie mit einem: „Gnädige Frau, probierns doch mal das Kleid an“, wie es der Österreicher Otto Drögsler ausdrückt. Also reden diese freundlichen, zugewandten Herren über ihre Entwürfe wie über gute Freunde, deren man sich nicht mehr durch ständige Aufmerksamkeit versichern muss. Vor mehr als 25 Jahren lernten sich die beiden bei einem Freund kennen, bald danach begannen sie zusammenzuarbeiten, erst für die Escada-Gruppe, dann viele Jahre bei der Premiummarke René Lezard.
„Diese Beziehung hält wahnsinnig viel aus.“ Otto Ehrlich schaut seinen Partner ruhig an, der nickt: „Wir passen sehr aufeinander auf, wir lassen uns an bestimmten Stellen in Ruhe und sind auch unsere härtesten Kritiker.“ Mit nur einem von ihnen würde es Odeeh nicht geben. „Wir sind beide sehr neugierig und machen aus allem ein kleines Projekt. Da schaukelt sich eine Idee hoch, die alleine nicht entstehen würde“, erzählt Drögser.
Sie gründeten Odeeh, weil sie einen neuen Anfang brauchten. Vor acht Jahren haben sie ganz klein mit einer Jerseykollektion angefangen. „Das war ein Bahnhof, wo wir losfahren konnten. Jetzt machen wir gerade die 15. Kollektion“, sagt Ehrlich. Sie produzieren in Deutschland, wegen der kurzen Wege. Alle zwei Wochen fahren sie die 200 Kilometer zu ihrem Produzenten, um den Prozess begleiten zu können. Das ist auch deshalb wichtig, weil die Kollektionen so viele Einzelteile enthalten, auf die sie ein Auge haben wollen. Erst auf den zweiten Blick gehören alle eindeutig zu Odeeh. Auch deshalb ist es gut, die Kleidung bei einer Modenschau zu sehen, denn dort setzt sich was gar nicht zueinander passen zu scheint, wie ein komplexes Puzzle zusammen. Aus einem hochgeschlossenen, goldenen Oberteil mit leicht geraffter Taille schaut ein mehrlagiger weiß-schwarzer Kragen heraus, unter einem grauen Hemdkleid eine Lage Chiffon. Ehrlich und Drögsler halten nichts davon, zu diktieren, wie etwas angezogen werden soll. „Wir wollen eine Auseinandersetzung anstatt zu sagen: Kombinier mal SchwarzWeiß mit Blümchen“, sagt Ehrlich.
Odeeh kam gerade auf den Markt, als alles in der Mode stromlinienförmiger, minimalistischer wurde. Jetzt sind die Designer ganz beglückt über die neuen, wilden Entwürfe, mit denen sich Luxushäuser von der Massenmode abheben. „Ich finde toll, was bei Gucci passiert. Die sagen ja nicht: Zieh einen Pullover mit einer Katze darauf an.“ Die beiden hoffen, dass sich das auch auf Berlin auswirkt. „Man hat sich hier in einen Minimalismus geflüchtet, der nicht immer gut gemacht ist.“
Auch deshalb ist es gut, dass Odeeh mit einer Schau in Berlin dabei ist: Um zu zeigen, wie einfach es sein kann, sich ein bisschen Kompliziertheit zu erlauben.