Antonia Goy auf der Fashion Week: Das Debüt der alten Hasen
Antonia Goy entwirft seit mehr als zehn Jahren Kollektion um Kollektion. Aber erst jetzt ist sie bereit für ihre erste Modenschau auf der Berliner Fashion Week.
Ein langes schwarzes Jerseykleid mit betonten Schultern wird in Variationen über den Laufsteg geführt. Schößchen, Schleppen, Applikationen und schürzenartige Überwürfe lassen es immer wieder neu erscheinen. Kunstvolle Drucke auf Seide, karierte Wollstoffe zu Mänteln, Hosen und Kleidern verarbeitet, Schwarz- und Fuchsia-Töne und viele blau-weiß gestreifte Blusen, voluminös, mit Rüschen und Schluppen, ohne jemals überladen zu wirken. Die Kollektion, die Antonia Goy gestern im Kronprinzenpalais zeigte, ist vielschichtig, komplex und ausgereift. Elegant, ohne madamig zu sein, opulent, ohne überladen zu wirken.
Kein Wunder, sind die Laufsteg-Debütanten Antonia Goy und Björn Kubeja doch in Wirklichkeit alte Hasen. Das Label gibt es seit zehn Jahren; Antonia Goy, die an der Kunsthochschule Weißensee Modedesign studierte, gründete es 2006, der Architekt Björn Kubeja kam 2009 dazu. Aber erst im Berliner Modesalon fühlen die Designer sich richtig aufgehoben. In den schönen Räumen des Kronprinzenpalais, wo die Wintersonne sanft das alte Parkett bescheint, haben sie den Rahmen gefunden, in dem sie ihre Mode zeigen möchten.
Beim Atelierbesuch wenige Tage vor der Schau erklärt Björn Kubeja, warum sie mit dem Laufsteg-Debüt so lange gewartet haben. „Bisher hat es keinen Sinn für uns gemacht“, sagt Kubeja. „Erst der Berliner Modesalon hat das Bewusstsein dafür geschaffen, dass hier wirklich gute Mode gemacht wird.“
Von der großzügigen Loftetage in der Heidestraße aus hat man einen weiten Blick über schneebedeckte Brachflächen in Richtung Hauptbahnhof. Die Wand ist mit Skizzen bedeckt und der große Tisch mit Schnittteilen aus Papier. Antonia Goy und Björn Kubeja sind nicht etwa hibbelig euphorisch, wie man sich Designer vor ihrer ersten Show vorstellt. Beide, sehr schlank und ganz in Schwarz, wirken ernst. Und die Frequenz, in der im Gespräch das Wort „Problem“ fällt, dürfte einem Motivations-Coach bedenklich erscheinen. Dabei läuft es gar nicht schlecht. Demnächst wird Antonia Goy im italienischen Luxus-Onlineshop Luisa Via Roma erhältlich sein. Als eines von nur vier Berliner Labels haben die Einkäufer die Entwürfe vergangenen Sommer auf dem Berliner Modesalon ausgewählt.
Die von Vogue-Chefredakteurin Christiane Arp kuratierte Gruppenausstellung versammelt seit Januar 2015 gutes deutsches Design auf einen Blick. Das ist interessant insbesondere für Besucher mit wenig Zeit wie die Einkäufer der exklusiven Onlinestores Mytheresa oder eben Luisa Via Roma. Die kamen im vergangenen Sommer erstmalig zum Berliner Modesalon und wählten als eines von nur sechs deutschen Labels Antonia Goy aus. Mehrere Kleider, Tops und Hosen des Labels kann man nur hier kaufen, zum Beispiel ein knallgrünes Seidenkleid mit Rüschenschultern für knapp 1000 Euro.
Mode in dieser Preisklasse zu verkaufen ist nicht leicht, wenn man kein großes Marketingbudget hat. Antonia Goy ist ein reines Familienunternehmen, immer wieder stecken die Designer privates Geld in die Firma. Vor zwei Jahren haben sie ihren Laden in der Berliner Brunnenstraße geschlossen, um sich mehr auf das internationale Geschäft zu konzentrieren. Deutsche Kunden sind nicht besonders modemutig, wie Kubeja beklagt. „Es ist ja nicht so, dass kein Geld da ist, aber die Leute laufen sehr uniformiert herum, es fehlt der Esprit.“ Dennoch halten Goy und Kubeja an ihrem Konzept fest. Sie erschaffen hochwertige Mode aus edlen Materialien, viele der Stoffe kommen aus Italien. Dort werden auch die Drucke gefertigt, die zu einer Art Markenzeichen des Labels geworden sind.
Eine Masche zu finden und einfach von Kollektion zu Kollektion zu variieren, ist nicht ihr Ding. Goy und Kubeja sind keine, die es sich leicht machen und die Selbstvermarktung fällt ihnen auch eher schwer. Möglicherweise ist das der Grund dafür, dass das Label Antonia Goy trotz zehn Jahren guter Arbeit noch immer eher unter dem Radar geblieben ist. Immer wieder probieren sie Neues aus, denken über Grundlegendes nach. Und arbeiten an der perfekten Passform, die auch Frauen jenseits der Idealmaße gut aussehen lässt. In der aktuellen Kollektion ging es den Designern um das Erforschen von Nähe und Ferne, hautenge Leggings finden sich ebenso wie voluminös drapierte Mäntel. „Sobald man anfängt, eine Sache gut zu machen, will man sie noch besser machen“, erklärt Kubeja den Anspruch. „Irgendwann ist man an dem Punkt, an dem man nicht einfach einen Ärmel machen kann.“
Dass es eines Tages leichter wird, glaubt Kubeja nicht. „Ich mache mir keine Illusionen, dass das mal besser wird.“ Dennoch wäre es schön, wenn die Designer dranbleiben würden. Ihre Mode ist es auf jeden Fall wert.
Bettina Homann