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Neuer Glanz. Aus dem Neubau des Hotels ragt der Kubus des Restaurants „Spices“ heraus (oben).
© Bürgenstock Resort

Glamour in der Schweiz: Bürgenstock, ein Refugium für alle

Am Pool fläzen wie Adenauer. Freiluft-Lift fahren wie Sean Connery. Und endlich verstehen, was mondän bedeutet.

Da gibt es zum Beispiel die Geschichte vom Hündchen, dessen Herrschaft dafür sorgt, dass es mit der Limousine bis vors Hotel chauffiert und vom Portier gemeinsam mit zwei Pagen zur Suite geleitet wird. Oder die Story vom New Yorker Ehepaar, das seine Sommerurlaube auf dem Berg verbringt und täglich mit dem Rolls-Royce Cabriolet die Zeitung holen fährt – ein Weg von ein paar hundert Metern. Oder die Anekdoten von der Unterwasserbar, durch deren Bullaugenfenster die Gäste die strampelnden Beine der Schwimmer im nierenförmig geschwungenen 50er-Jahre-Hollywood-Pool beäugen können.

Wer wissen will, was das schöne, alte Wort „mondän“ bedeutet, der ist auf dem Bürgenstock gut aufgehoben. Um den Hotelberg in der Zentralschweiz ranken sich zahlreiche Legenden des Luxustourismus. Historie, die gerade wieder neu mit Leben gefüllt wird. Nach fast neunjährigem Dornröschenschlaf und diversen Besitzerwechseln hat eine staatliche Investmentfirma des Emirats Katar eine halbe Milliarde Franken investiert, in ein neues Resort am altehrwürdigen Ort.

Hoch ragt er auf über dem Vierwaldstättersee im Kanton Nidwalden in der Zentralschweiz, der Bürgenberg mit dem Hoteldorf oben auf dem Kamm. Vier Hotels wurden und werden neu oder wieder eröffnet, das „Palace“ hinter historischer Fassade, der Glas-Kalkstein-Bau des „Bürgenstock Hotels“, die rustikale „Taverne“ und das „Waldhotel“ von Stararchitekt Matteo Thun für medizinische Behandlungen. Hinzu kommen zwölf Restaurants und Bars, Villen mit 68 Residenzsuiten, ein 10 000-Quadratmeter-Spa, der Neun-Loch-Golfplatz, zwei schicke, holzbedachte Tennishallen samt -platz, der im Winter zur Schlittschuhbahn wird, denkmalgeschützte Kleinode vom Stickereihaus bis zur Wetterstation und ein alpiner Garten mit Picknickplätzen für Tagesgäste. Ein Refugium für alle, lautet die Philosophie der neuen Betreiber. Nicht mehr mit exklusiven Clubs wie weiland in den Sixties, sondern inklusiv soll es sein, für die Mondänen von heute ebenso wie für die Wanderer, die bloß das Panorama genießen und dabei eine Bratwurst verspeisen wollen.

Ein Bond mit Höhenangst, noch so eine Legende

Dem Bürgenstock nähert man sich mit dem Schiff von Luzern aus und fährt auf eine fast senkrecht aus dem Wasser ragende Felswand zu. In Kehrsiten steigt der Gast in die Bürgenstock-Bahn, die älteste, schwindelerregend steile Standseilbahn der Schweiz, eingleisig mit Ausweichstelle und 90-Grad-Knick. Der Zielbahnhof auf 870 Metern liegt direkt im Fünf-Sterne-Hotel. Linkerhand erspäht man den nicht weniger schwindelerregenden Felsenweg, über den schon Konrad Adenauer mit Theodor Heuss spazierte, und der zum Hammetschwand-Lift führt, einem direkt an den Kalkfelsen montierten stählernen Freiluft-Fahrstuhl. Es ist der höchste Europas, ein schnelles Himmelsvehikel, das kaum eine Minute braucht bis zur Aussichtsplattform auf 1132 Metern. Sean Connery soll bei den Dreharbeiten zu „Goldfinger“ hier schummrig geworden sein. Ein Bond mit Höhenangst, noch so eine Legende. Die gesamte „Goldfinger“-Crew wohnte 1964 auf dem Bürgenstock; auch Gert Fröbe schwamm im Hollywood-Pool.

Bürgenstock warb mit dem Hammetschwand-Lift.
Bürgenstock warb mit dem Hammetschwand-Lift.
© Bürgenstock Resort

Nur ein paar Schritte weiter heiratete Audrey Hepburn ihren Mel Ferrer in der Kapelle. Sophia Loren residierte in den 60er Jahren mit Ehemann Carlo Ponti allsommerlich in der Villa Daniel. Und ein waschechter Magnum-Fotograf soll dem hobbyfotografierenden Nidwaldner Kantonspolizisten Arnold Odermatt erklärt haben, wie er Charlie Chaplin am besten ablichtet. Eigentlich war Odermatt für die Sicherheit der illustren Gäste abgestellt. Erzherzöge, Zaren, Grafen, Generäle hielt der Ordnungshüter mit seiner Rolleiflex fest, auch Königin Amélie von Portugal und den indischen Premierminister mit Tochter Indira Gandhi.

Ein Chef namens Schöpfer und ein Generalmanager namens Herr

In den 60er Jahren gehörte Sophia Loren zu den illustren Gästen des Resorts.
In den 60er Jahren gehörte Sophia Loren zu den illustren Gästen des Resorts.
© akg-images / Mondadori Portfolio

Die besten Bürgenstock-Anekdoten hat Jo Müller auf Lager. Die vom Hündchen mit Limousine, die vom 100-Dollar-Trinkgeld-Amerikaner oder auch von jenen ausländischen Gästen, die den Concierge baten, in der Früh doch bitte die „Cow Bell Machine“ abzustellen. In den 70er Jahren arbeitete sich Müller vom Kassierer über den Empfangschef bis zum Hoteldirektor auf dem Bürgenberg hoch, heute ist er das offizielle Gedächtnis des Hauses. „Zukunft hat Herkunft“, lautet sein Motto, viele Schätze hat er gerettet und so manches Mal die Bauarbeiten gestoppt. In sieben Hallen bewahrt er Mobiliar, Kunstwerke und Dokumente auf, anderes fand Platz in den neuen alten Hotels: kostbare Kachelöfen, Fischskulpturen oder die Horgen-Glarus-Gartenstühle, auf denen Adenauer und Co. sich beim Kaffeekränzchen am Pool fläzten. Auch die letzten Gemälde aus der einst tausend Werke umfassenden Kunstsammlung seines Vor-Vorgängers Friedrich Frey-Fürst hängen dank Müller wieder in den Salons.

Jo Müller sitzt in der Lake View Lounge des Bürgenstock Hotels mit dem spektakulären Seeblick bis rüber nach Luzern. Viel zu dunkel hier, das Lichtdesign stimmt noch nicht, ruft ein Herr vom Nebentisch. Es ist Projektleiter Bruno H. Schöpfer, der Erfinder des neuen Resorts. Wenn das nicht ebenfalls mondän ist: ein Chef namens Schöpfer und ein Generalmanager namens Robert Herr. Dazu Investoren aus Katar – jeder Ankömmling wird arabisch-gastfreundschaftlich mit einem Glas Tee empfangen – und Ex-Direktor Müller, der als Kurator fungiert und auf drei Ausstellungskorridoren die Hotelhistorie präsentiert. Von den Anfängen mit den Tourismuspionieren Franz Josef Bucher und Josef Durrer über den Glamour der 60er Jahre bis zu sage und schreibe drei der von Legenden und Verschwörungstheorien umworbenen Bilderberg-Konferenzen mit Weltgrößen aus Politik, Wirtschaft und Militär.

Rockefeller war hier, Kissinger, die Liste ist lang

Müllers bezaubernde Gattin Marianne stößt zur Lounge-Runde hinzu. Sie arbeitete hier viele Jahre als Sekretärin, auch bei den Bilderberg-Treffen. Diskretion versteht sich von selbst, aber eins verrät sie dann doch. Die Loren war wahnsinnig nett, sagt sie. Aber den Ponti mochte sie nicht, wenn sie zum Diktat ins Chalet gebeten wurde. Er hatte so schrecklichen Mundgeruch.

Nicht dass die Müllers immer dabei waren. Aber den charmanten Kunstsammler-Sohn Fritz Frey, der in den 60er Jahren Showbusiness und Politikprominenz auf den Berg lockte, haben sie gut gekannt. Frey kurvte mit seiner orangefarbenen Vespa über das einen Kilometer lange Hotelgelände, geleitete die Loren mit Sonnenschirm ihres Wegs und baute den damals tollkühnen Pool samt Unterwasserbar mit Seepferdchen- und Meerjungfrauendekor. Rockefeller war hier, Kissinger und Walter Scheel, Joan Fontaine, Shirley MacLaine, die Liste ist lang. Auch Marcel Reich-Ranicki und Georges Simenon. Apropos Kultur: Das Bürgenstock-Hotel besitzt ein eigenes Kino, und das Hotelschiff legt am Luzerner Pier direkt vor Jean Nouvels spektakulärem Konzerthaus ab. Die neuen Betreiber hoffen, mit dem bald noch schnelleren Boot auch Klassikstars auf den Berg locken zu können.

Auch Audrey Hepburn nächtigte auf dem Bürgenstock.
Auch Audrey Hepburn nächtigte auf dem Bürgenstock.
© picture-alliance/ dpa

Was Franz Josef Bucher wohl zu all dem gesagt hätte? Es war der Bauernsohn aus dem Dorf Kerns, der mit seinem Kompagnon Durrer zunächst eine Parkettfabrik betrieb und dann die Idee hatte, das Gelände mit dem Flurnamen Alp Tritt zu kaufen und auf der Bergkuppe Hotels zu errichten. Das erste wurde 1873 eröffnet, bald folgten Standseilbahn und Felsenlift. Ein knorziger Typ mit Vollbart, ein Raufbold, der sich zum geschickten Unternehmer mauserte. Jo Müller erzählt, wie Bucher in Genua einmal eine Tram baute, um sie der Stadt alsbald zu verkaufen, für eine Million Franken. Die gebündelten Scheine brachte er im Leinensack heim und breitete sie vor sich aus. Das Foto hängt jetzt im Hotel. In der Gotthardbahn fuhr Bucher dritter Klasse; weil es keine vierte gibt, soll er gesagt haben. Als er 1906 starb, hinterließ er zehn Luxushotels, sechs Bergbahnen und ein Millionenvermögen.

Der Berggott hier muss ein Lichtkünstler sein

Vielleicht liegt es ja an Buchers Geist, dass das Mondäne sich auf dem Bürgenstock bis heute mit dem Bodenständigen verbindet. Naturstein, Holz, Wasser: Das Resort bezieht seine Eleganz aus nachhaltigen Materialien. Gneis- und Kalkgestein aus den Alpen, Lärche aus dem Bürgenbergwald, europäische Eiche, amerikanischer Nussbaum, Granitböden in den Bädern, Teppiche aus Neuseeland-Wolle – und das Wichtigste: Wasser aus dem Vierwaldstättersee.

Auch das ist dem Hotelkönig Bucher zu verdanken, der das Wasser schon im 19. Jahrhundert auf den Berg hochpumpen ließ. Wärme- und Energiebedarf des Resorts speisen sich aus dem See, das Wasser im Spa sowieso, auch das im Infinity-Pool. Man liegt im warmen Wasser draußen vor dem Wellnessbereich, und der Blick verliert jeden Halt, wenn er hinüber in die milchige Dämmerung schweift und nahtlos hinunter zum fast 500 Meter tiefer liegenden See. Wenn dann der Morgennebel aufreißt und sich mit den Poolwasserdämpfen vermischt, wenn die Wintersonne auf den Puderzuckerschnee trifft und schließlich die graue Wolkentrübnis ins Gleißende umschlägt, begreift man: Der Berggott hier muss ein Lichtkünstler sein.

Überhaupt, der Blick. Von den Bullaugen im historischen Schwimmbecken über die Lake View Lounge bis zu den hölzernen Pergolen vor der Glasfassade des Waldhotels: Die gesamte Resort-Architektur ist um das Panorama herum gebaut. Fast jedes Hotelzimmerfenster gibt die Sicht frei auf ein je eigenes Naturkino. Richtung Rigi und Pilatuskette, die wie Inseln aus dem Abendlicht aufsteigen, über Wälder und Weiden oder eben vom Kamm über die schroffen Felswände hinunter bis zu den Fährschiffen auf dem schimmernden See.

Mondän kommt von „mundus“, lateinisch für: die Welt. Auf dem Bürgenstock versinkt sie im Wolkenmeer.

Reisetipps für Bürgenstock

Hinkommen

Von Berlin aus fliegen Easyjet und Swiss nach Zürich – ab 30 Euro pro Strecke. Vom Flughafen weiter mit dem Zug nach Luzern in rund einer Stunde Fahrtzeit, je nach Verbindung. Tickets kosten umgerechnet 11,20 Euro. Ab Luzern verkehrt der Shuttle: Mit dem Schiff über den Vierwaldstättersee und ab Kehrsiten geht es mit der Seilbahn hoch und direkt ins Resort. Beides ist im Hotelpreis inklusive. Fahrplan und Infos: buergenstock.ch

Unterkommen

Am günstigsten ist ein Zimmer in der Taverne, ab 111 Franken pro Nacht für ein Doppelzimmer, umgerechnet 93 Euro.

Im Waldhotel, das von Thun entworfen wurde, liegt der niedrigste Zimmerpreis bei 234 Franken (200 Euro), im Bürgenstock Hotel bei 595 Franken (500 Euro). Infos unter buergenstock.ch

Rumkommen

Das Bürgenstock-Resort genügt sich weitgehend selbst. Gäste können in der „Shopping Arcade“ zwischen Boutiquen und Edelgeschäften flanieren. Gesundheitsbewusste gehen ins Spa – es gibt eines nur für Frauen.

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