Gesellschaft: Auf immer und ewig
Die Schuhe von Red Wings einzulaufen, ist für viele Männer eine willkommene Herausforderung. Bei den Modellen für Frauen ist alles anders.
Diese Schuhe passen zum amerikanischen Traum. Sie sind widerspenstig, es ist harte Arbeit, sie einzulaufen. Am besten zieht man die Stiefel von Red Wing für ein paar Wochen nicht mehr aus, bis sie für die geschundenen Füße zu einem Zuhause geworden sind. Und bis der Schmerz nachlässt, der ihnen das harte Leder zufügt, auf dem noch die Kratzer und Bisse sichtbar sind, die einst dem Bullen zugefügt wurden.
„Männer mögen das“, sagt Allison Gettings, Designerin bei Red Wing, und lächelt unschuldig. „Und Mädchen auch“, fügt sie hinzu. Deshalb gibt es diese Schuhe für harte Jungs jetzt auch für zarte Frauenfüße. Ein Jahr hat Allison Gettings in der heimischen Fabrik in Red Wing, Minnesota zusammen mit ihrem Team daran gearbeitet.
Schon als Kind wollte sie unbedingt genau solche Schuhe haben, wie sie ihr Vater und Großvater herstellten. Die junge Frau gehört zur dritten Generation der Inhaberfamilie. Aber das war ein Männerding. Ihre Suche nach vergleichbaren Modellen für Frauen frustrierte sie: „Ich bin eine schreckliche Kundin, der man es nicht recht machen kann, ich schaue mir jeden Schuh ganz genau an.“ Deshalb war sie ganz aus dem Häuschen, als sie für ihre Firma endlich ihren Kindheitstraum verwirklichen durfte.
Abenteuer-Schuhe für Großstädter
Sie wollte nicht einfach die Männermodelle verkleinern, wie es viele Marken machen. Dafür ist das ikonische Modell, der Moc Toe, einfach zu schwer und klobig, ein derber Schnürstiefel mit weißer Gummisohle und einer wulstigen Naht rund um die vordere Kappe.
Die Managerin hat viel Zeit in Archiven und Produktionshallen verbracht, um herauszufinden, was einen Schuh zu einem Red Wing macht. „Das Wichtigste waren die Qualität und die handwerkliche Produktion bei uns in den USA, das selbst gegerbte Leder und dass der Stil zeitlos ist. Die Schuhe sind so gut gemacht, dass sie einem das ganze Leben erhalten bleiben. Das muss auch auf den Stil der Schuhe zutreffen.“
Auch war Gettings klar, dass Frauen nicht bereit sein würden, Qualen auf sich zu nehmen um die Schuhe einzulaufen: „Für viele Jungs ist es eine Herausforderung, ihre Red Wings einzutragen. Aber Frauen wechseln oft mehrmals am Tag ihre Schuhe. Außerdem sind sie einfach nicht schwer genug.“
Also veränderte sie die Form der Schuhe bei allen Modellen und verarbeitete Kuh- statt Bullenleder, weil das dünner ist und eine gleichmäßigere Oberfläche hat. Den Moc Toe versah sie mit einem stabilen Absatz und nahm das einzige Damenmodell Gloria, Knie hohe Schnürstiefel, die 1926 entstanden, wieder ins Sortiment.
Länger als 100 Jahre hat es gedauert, bis sich Red Wing dazu entschloss, eine ganze Damenkollektion anzubieten. Dabei hatten sie die besten Voraussetzungen, findet Gettings: „Wir haben schon immer in den USA produziert, wir sitzen seit 1905 in Red Wing, Minnesota.“ In den achtziger Jahren, als viele amerikanische Firmen ihre Produktion nach Übersee verlegten, hielt das Familienunternehmen an seinem Standort fest. „Es ist unheimlich wichtig für das Management, dass die Produktion vor Ort bleibt“, sagt Gettings. Rund 2000 Menschen arbeiten in der 16 000-Einwohner-Stadt: „Es gibt eine Menge Familien, die bei Red Wing arbeiten, dazu kommen viele kleine Unternehmen drum herum wie Cafés und Hotels.“
Für die Eröffnung des weltweit ersten Ladens für Frauenschuhe von Red Wing kam sie in der vergangenen Woche extra nach Berlin, für die Amerikanerin genau die richtige Stadt für ihre Schuhe: „In Paris und Mailand ist die etablierte Mode, in Berlin herrscht eine rauere Atmosphäre mit echter, handfester Kleidung, die man auf der Straße sieht. Daran wollen wir teilhaben.“
Dass hier die Geschäfte mit den derben Schuhen so gut funktionieren, hat auch mit der Tradition der Jeans- und Sportswearmesse Bread & Butter zu tun, auf der Red Wing immer einer der wichtigsten Aussteller war und sehr gern nicht nur vom Gründer Karl-Heinz Müller, sondern von vielen seiner Aussteller zu aufgekrempelten Jeans getragen wurde. Auch diese Hose wurde für hart arbeitende Amerikaner erfunden, genau wie die Schuhe von Red Wing. Das meiste Geld verdient das Unternehmen bis heute mit Arbeitsschuhen für den nordamerikanischen Markt. Mit der kleineren Heritage-Linie für Großstädter macht die Firma zwar nur zehn Prozent ihres Umsatzes, doch ihr hat sie ihre Popularität vor allem in Europa und Japan zu verdanken.
Dazu sollen nun auch die Frauen beitragen. Mit dem ersten Jahr ist Allison Gettings mehr als zufrieden, vor allem der Moc Toe verkaufte sich gut. „Das hat auch mit Sehnsucht nach dem Echten, Entschleunigten in einer sich immer schneller drehenden Welt zu tun und dem Gefühl der Sicherheit, das schwere Schuhe geben“, sagt sie. Und vielleicht auch mit der Möglichkeit, alles in diesen Schuhen erleben zu können.
Red Wing für Frauen, Almstadtstr. 1-3 in Mitte, der Männerladen liegt in der Münzstr. 8., geöffnet Mo-Sa 11-20 Uhr
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