Die Uhrenbranche auf dem Scheideweg: Apple Watch sei Dank: Auf der Baselworld ticken die Uhren unterschiedlich
Die Aussteller auf der wichtigsten Uhren- und Schmuckmesse müssen sich künftig zwischen der traditionellen Mechanik und der neuen Technologie entscheiden. Die Konkurrenz kommt aus der IT-Branche. Wie sich die Apple Watch auf die Uhrenbranche auswirkt.
In genau einem Monat soll es soweit sein: In neun Ländern kommt die Apple Watch in die Geschäfte. Online kann man die Uhr schon ab dem 10. April vorbestellen. Ob die Shops tatsächlich mit ausreichend Exemplaren beliefert werden können, ist aber fraglich. Angeblich hat Apple mit Produktionsproblemen zu kämpfen. Laut dem Onlineformat "G for Games", dass News rund um technische Spielereien liefert, kommt das von Apple mit der Produktion der Displays beauftragte Unternehmen LG nicht mit der Zulieferung hinterher. Statt der erwarteten 2,5 bis 3 Millionen Uhren könne der kalifornische Elektronikhersteller so nur 1,25 bis 1,5 Millionen Apple Watches pro Monat ausliefern. Abgesehen von erweiternden Accessoires von anderen Herstellern, wie etwa farbenfrohe Armbänder, war die Apple Watch auf der aktuell laufenden Baselworld 2015 kein direktes Thema: Apple hat sein neues Produkt auf der wichtigsten Uhren- und Schmuckmesse nicht ausgestellt. Trotzdem dürfte die Apple Watch für reichlich Unsicherheit auf der Messe sorgen: Die Aussteller müssen sich fragen, welche Relevanz Smartwatches im Allgemeinen und die Apple Watch im Besonderen künftig haben werden.
Schließlich ist die Apple Watch schon preislich sehr breit aufgestellt: Das günstigste Modell ist für 399 Euro zu haben, ein Exemplar mit Roségold-Gehäuse bringt es auf immerhin 13 000 Euro. Zwar können Hersteller wie Jaeger-LeCoultre, A. Lange & Söhne oder Blancpain über diesen Höchstwert nur müde lächeln, ignorieren lässt sich die Apple Watch aber wohl kaum. Laut Apple soll das Produkt nämlich technisch interessierte und modeaffine Kunden gleichermaßen ansprechen. Bei der Produktvorstellung im Pariser Edel-Kaufhaus "Colette" legten sich vergangenen September sogar Karl Lagerfeld und US Vogue-Chefin Anna Wintour eines der Apple-Modelle an. Die Uhrenmarken auf der Baselworld müssen sich entscheiden, ob sie den Trend zu Smartwatches bedienen oder der tradierten Uhrenmacherei treu bleiben wollen.
Technologischer Vorstoß: Einige Marken suchen den Anschluss
Tatsächlich geben sich auf der Baselworld die meisten der konventionelleren Marken dieses Jahr noch zurückhaltend und präsentieren eher klassisches Uhrwerk. Dafür springen immer mehr jüngere Unternehmen auf den Technik-Zug auf. Als erste in der Schweiz hergestellte Smart Watch kann die "Helvetica No. 1 Bold Smart" der 1967 gegründeten Marke Mondaine immerhin Schritte zählen und den Schlafrhythmus aufzeichnen. Über einen Touchscreen wie die Apple Watch verfügt das Modell allerdings nicht, die aufgezeichneten Werte werden an das Smartphone übermittelt. Die "Connect Smart Watch" von Kenneth Cole oder die "Cogito Watch" von Connecte Device Ltd. gehen den umgekehrten Weg und informieren über Anrufe, die auf dem vorher mit der Uhr synchronisierten Smartphone eingehen. An die Funktionsvielfalt der Apple Watch, mit der sich am Handgelenk etwa Sensoren zur Messung der Herzfrequenz, Funktionen zur Terminkoordination oder ein mit Vibration unterstütztes Navigationssystem per Touchscreen bedienen lassen, schließen die Neuvorstellungen der Baselworld allerdings noch nicht an.
Im oberen Preissegment wagen ohnehin nur wenige Hersteller den technologischen Vorstoß: Ohne bereits ein Modell vorzustellen, kündigte Tag Heuer zumindest die Zusammenarbeit mit Google und Intel an. Die "B55 Connected" von Breitling lässt sich immerhin in jeder Zeitzone der Welt per Smartphone stellen. Andere Uhrenriesen wie Rolex oder Audemars Piguet zeigten keinerlei Ambitionen, sich künftig von ihren mechanischen Traditionsmodellen zu verabschieden. Und auch die auf der Baselworld gekührte "Uhr des Jahres" gibt sich klassisch: Der Preis der WeltN24-Gruppe und der Zeitschrift "Armbanduhren" ging dieses Jahr an Patek Philippe für ihre "Grandmaster Chime". Angeblich beanspruchte ihre Fertigstellung neun Jahre, mit einer Smart Watch hat das Modell nichts zu tun. Erstmals wurde auch eine "Uhrenperson des Jahres" gewählt, mit der Chefuhrmacherin von Cartier setzte der Preis auch hier ein Statement für Tradition. Die spielt in der Uhrenmacherei ja ohnehin eine tragende Rolle.
Konventionelle Marken setzen der Technik Tradition und Luxus entgegen
Das könnte der Industrie künftig allerdings zum Verhängnis werden. Nicht nur im Uhrenbereich schreitet die Technologisierung mit großen Schritten voran, das gesamte Mode- und Lifestylesegment steckt in einer technischen Revolution. Die sogenannte "wearable technology", die "tragbare Technologie" erreicht immer mehr Modemarken ‒ und ihre Kunden. Die New Yorker Designerin Rebecca Minkoff hat unlängst Armbänder mit technologischen Features auf den Markt gebracht, einige Tennis-Shirts von Ralph Lauren zeichnen schon jetzt die Herzfrequenz auf, noch in diesem Jahr soll ein leuchtender Nike-Schuh erscheinen, der sich ganz von selbst verschließt. Mit der Konferenz #Fashiontech widmete sich auf der Berliner Fashion Week im Januar gleich eine ganze Veranstaltung der technologischen Mode. Gerade für die Uhrenbranche sind diese Entwicklungen äußerst relevant. Jene Marken, die sich der technischen Revolution verschließen, haben ihr offensichtlich nur zwei Dinge entgegen zu setzen: Tradition und Luxuriösität. Von Letzterem gab es auf der Baselworld wie gewohnt mehr als genug zu sehen. Das mit weißen Diamanten von 152,96 Karat besetzte Modell "The Fascination" der britischen Marke Graff kostet zum Beispiel schlappe 40 Millionen US-Dollar. Schritte zählen, Herzfrequenzen aufnehmen oder SMS empfangen kann sie dafür nicht.