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Aufschlagen. Der Open-Air-Club Trädgården liegt direkt unter den mächtigen Pfeilern einer Autobahnbrücke.
© Simon Paulin

Schweden: 48 Stunden Design in Stockholm

Möbel, Architektur und Stoffe huldigen hier dem Minimalismus. Schwedens Hauptstadt ist ein Anlaufpunkt für Ästheten.

10 Uhr

Cafés sehen wie Designerlaboratorien aus, Friseurläden erinnern an minimalistische Galerien, U-Bahn-Stationen an Plattencoverkunst. Betritt man den Knotenpunkt Odenplan durch den Eingang Vanadisvägen, begrüßt eine Neonlichtinstallation die Passagiere. Die gezackten Linien über der Rolltreppe formen eine Hügelkette wie auf dem legendären Cover der britischen Band Joy Division.

Stockholm atmet an jeder Ecke Design. Um zu verstehen, wie aus Schweden eine Designnation werden konnte, einfach in die U-Bahn am Odenplan einsteigen und bis zum Nationalmuseum fahren (Station Kungsträdgården). Nach mehrjähriger Umbauzeit hat es im vergangenen Herbst wiedereröffnet. Der Hingucker im Innenhof ist der neu entworfene Fahrstuhltrakt, den eine geflochtene Stahlstruktur ziert. Neben einer Kunstsammlung besitzt das Haus eine große Abteilung für schwedisches Design. Oben in der zweiten Etage beginnen, dann dem ausgeschilderten Rundgang nach unten folgen und begreifen, dass die schwedische Identität von der Nähe zur Natur, von Minimalismus und, ja, von Einsamkeit geprägt ist. Wozu Schnörkel, die kaum ein Gast würdigen kann?

Das hat die Gestaltung beeinflusst. Die Stühle und Sofas sind mehrheitlich aus Holz gefertigt, funktionell und haben eine klare Formensprache. Die erste Designvereinigung der Welt, der Svensk Form, hat sich 1845 in Stockholm gegründet. In der Ausstellung wird selbst eine quietschgelbe Parkuhr zum begehrenswerten Objekt. Und wer danach einen Snack benötigt, zieht sich ins neueröffnete Museumsrestaurant zurück. Für die Einrichtung haben vier Designbüros zusammengearbeitet und eine moderne Version des nordischen Stils kreiert.

12 Uhr

Gegenüber dem Museum residiert das schwedische Königshaus. Verlangt man dort nach neuen Stoffen, schauen die Verantwortlichen bei Svenskt Tenn vorbei, einem Traditionsgeschäft am Strandvägen, zehn Minuten Fußweg vom Museum entfernt. Den merkwürdigen Namen (übersetzt: schwedisches Zinn) verdankt die Firma ihren Anfängen, als sie nur Produkte aus Zinn verkaufte. 1924 gründete die Textilkünstlerin Estrid Ericson das Unternehmen, wegweisend wurde es ab den 30er Jahren, als der österreichische Architekt und Designer Josef Frank zu Svenskt Tenn stieß. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft hatte er Wien verlassen müssen und war mit seiner schwedischen Frau nach Stockholm gezogen.

Thommy Bindefeld, der Kreativchef der Marke, sitzt in der ersten Etage des Geschäfts, wo Kunden Salate und Süßes im Tea Room probieren. Hinter einer Glaswand liegt das ehemalige Büro der Gründerin. Bindefeld zeigt auf einen rotweiß bezogenen Stuhl und einen Kinderhocker daneben. Dort saßen früher die Chefin und ihr Designer, die Hierarchie klar verteilt, sie oben, er unten.

Josef Frank kreierte bunte florale Muster, die heute als typisch schwedisch gelten. Bindefeld erzählt, dass man Tischdecken oder Tücher aus den 160 hauseigenen Mustern als Erbstücke weiterreiche und Auktionshäuser eigene Abteilungen nur für Svenskt Tenn führen. Besucher können sich vor Ort Stoffe zuschneiden lassen oder in der unteren Geschäftsetage eines der zahlreichen Kissen, Decken oder Bezüge gleich mitnehmen.

Das hübsche Geschirr kommt bei Svenskt Tenn zur Tea Time auf den Tisch.
Das hübsche Geschirr kommt bei Svenskt Tenn zur Tea Time auf den Tisch.
© Svenskt Tenn

14 Uhr

Hinter Svenskt Tenn beginnt Stockholms elegantes Viertel Östermalm. Wer hier lebt, fühlt sich ein wenig wie auf der Upper East Side. Dazu passen die Einrichtungsläden. Bei „Asplund“ (Sibyllegatan 31) gibt es neben internationalen Marken eine eigene Möbelkollektion, wichtig: hergestellt in Schweden. Geschwungene Eichentische, streng geometrische Konsolen und Bänke für den gut gefüllten Geldbeutel respektive die Kreditkarte. Fast niemand zahlt in Schweden bar, einige Läden akzeptieren sogar nur noch Plastikgeld. Schräg gegenüber pflegt das Möbelgeschäft „Modernity“ einen lockeren Einrichtungsstil. Durch die Geschäfte bummeln und sich Ideen für das eigene Zuhause holen.

17 Uhr

Zurück zum Odenplan. Drum herum erstreckt sich das Viertel Vasastaden, das momentan für Designfreaks interessant wird. Kleine Galerien haben sich in einem ehemaligen Industriequartier niedergelassen, beispielsweise Nordenhake (Hudiksvallsgatan 8), die auch eine Filiale in Berlin betreibt. Bei den ausgestellten Werken verliert man leicht die Übersicht, ob es sich nun um gegenständliche Kunst oder einen kunstvoll entworfenen Gebrauchsgegenstand handelt.

Profaneres Alltagsdesign findet sich um die Ecke im Acne Archive (Torsgatan 53). Das Geschäft verkauft Einzelteile und Restposten der beliebten schwedischen Modefirma zu reduzierten Preisen. Der etwas behäbige Service entspricht dem lässigen Image der Marke.

19 Uhr

Stockholmer lieben es, ihren Aperitif in einer Hotelbar zu trinken. Die lange Schlange im Hof des ehemaligen Philips-Komplexes beweist es. Dort warten die Durstigen geduldig auf den Fahrstuhl, den ein Türsteher für sie freigibt und der sie zur Dachbar des Designhotels Blique by Nobis bringt. Einfacher haben es Hotelgäste. Sie können an den Wartenden vorbei und nach oben düsen. Der Blick über die Dächer geht bei Sonnenschein kilometerweit über Rathausspitze und Kirchtürme hinweg. Und von der Terrasse schaut man direkt in die Fenster von Stockholms spektakulärstem Neubau: ein sich nach oben verjüngendes Gebäude, das wie ein verschachteltes Wohnhaus aussieht – als wäre es aus riesigen Bauklötzen errichtet.

20.30 Uhr

Nackte Betonpfeiler, dunkelgrüne Vorhänge, ein robuster Holztresen. Im Restaurant „Hantverket“ (Sturegatan 15a) hat der Architekt auf Industrieschick mit warmen Farben gesetzt. Im beliebten Lokal kocht Stefan Ekengren eine Art skandinavisches Brasserie-Essen: Grüne Tomatensuppe mit butterweicher Avocado drin, in Pergamentpapier eingerollter Spargel auf einer sämigen Buttersauce. Hauptgerichte kosten ab 17 Euro. Die Einheimischen, verrät die Kellnerin, kommen gern um 19 Uhr zum Abendessen. Später hat man daher gute Chancen, noch einen Platz zu bekommen – und sei es am Tresen vor der Showküche. Dort sitzt man in der ersten Reihe, wenn Ekengren seine Gerichte auf dicken Küchenbrettern oder Schiefertafeln anrichtet.

23 Uhr

Die Sommernächte in Stockholm können heiß und lang werden. Unter den Betonpfeilern der Skansstul-Brücke lädt das Trädgårdenzu Open-Air-Partynächten ein. Die Sperrholz- und Containerästhetik könnte von der früheren Bar 25 in Berlin abgekupfert sein, allerdings haben die Stockholmer nicht diesen abgekämpften Gesichtsausdruck wie nach ein paar Tagen Dauerrave an der Spree. Liegt vielleicht daran, dass es eine Sperrstunde gibt. Um drei Uhr morgens ist Schluss. Aber bis dahin kann man auf zwei Dancefloors wunderbar zu Elektro tanzen und die gesunde Konstitution der schwedischen Jugend bewundern. Überhaupt kein Musikfan? Am Eingang stehen Tischtennisplatten für Tanzmuffel.

Nichts für die eigenen vier Wände gefunden?

Aufsehen. Der spektakuläre Lifttrakt im Nationalmuseum zieht die Blicke der Besucher auf sich.
Aufsehen. Der spektakuläre Lifttrakt im Nationalmuseum zieht die Blicke der Besucher auf sich.
© Bruno Ehrs

10.30 Uhr

Über die Jahre hinweg haben die Stockholmer nicht nur ihr Gespür für reduzierte Ästhetik verfeinert, sondern auch ihren Sinn für exzellenten Kaffee. Beides trifft im „Drop Coffee“ (Wollmar Yxkullsgatan 10) aufeinander. Das Café liegt an einer belebten Straße auf der Insel Södermalm, gegenüber der Altstadt. Auf Holzschemeln trinkt man Espresso, frühstückt einen Bagel und starrt auf die weiß-grün gestrichene Wand, bis sich Koffein und Farbe zu einer kontemplativen Vision vereinen. Aus dem Off erklingt ein leises Tipp-tipp-tipp. Das sind die Laptopjunkies. Sie sind in einen gesonderten Raum an den Stehtisch verbannt.

11 Uhr

Eine der bekanntesten Designerinnen Schwedens wohnt gleich um die Ecke: Monica Förster. Die 53-Jährige entwarf bereits Produkte für Svenskt Tenn, für italienische Marken wie Alessi und Frau Poltrona, ihr eigenes Büro liegt versteckt auf Södermalm. Das Viertel hat den Ruf, die Kreativzelle der schwedischen Hauptstadt zu sein. Die Krimis von Stieg Larsson spielen im Stadtteil, der architektonisch alles von zweigeschossigen Bauernhäusern aus dem 17. Jahrhundert bis zu Sozialbauten aus den 80er Jahren bietet. Monica Förster residiert in einer umgebauten Brauerei, „die Grundmauern sind aus dem 15. Jahrhundert“, schwärmt sie. Sie empfiehlt das „Bistro Süd“ (Swedenborgsgatan 8A), weil sich dort die Intellektuellen der Gegend zum Austernessen treffen. Oder einen viertelstündigen Spaziergang zum Stigbergstäppan. Der kleine Park wirkt wie ein Privatgarten, ist jedoch öffentlich zugänglich und hat einen der schönsten Blicke auf die Altstadt sowie auf einige vorgelagerte Inseln.

13 Uhr

So viel wird entworfen. Was am Ende daraus werden kann, sieht man in der aktuellen Ausstellung des Fotografiemuseums Fotografiska (Stadsgardshamnen 22). Die britische Fotokünstlerin Mandy Barker hat überall auf der Welt Plastikmüll aus dem Ozean gesammelt und in riesigen Schautafeln zusammengestellt. Oder eine Serie von Fußbällen, die im Zeitraum von vier Monaten an 114 verschiedene Strände der Welt gespült wurden. Von den 992 Bällen haben es einige in die Ausstellung geschafft, die noch bis zum 25. August läuft.

14 Uhr

Etwa eine Viertelstunde geht man vom Museum zu Fuß zum Fähranleger von Slussen. Von dort das Schiff rüber auf die Vergnügungsinsel Djurgarden nehmen (fährt alle zehn Minuten), die Achterbahnen, Rummelbuden und das Abba-Museum hinter sich lassen und bis zur Spitze gehen. In einer ehemaligen Bootswerft hat das Restaurant „Oaxen“ (Beckholmsbron 26) eröffnet. Abends servieren die Kellner mit Michelin-Stern ausgezeichnete Gerichte, am Wochenende kommt man mit dem Brunch günstiger weg. Gegrillter Hering in brauner Butter, dazu ein warmer Kartoffelsalat für umgerechnet 13 Euro, kross frittierter Schweinebauch mit Pflaumenglasur, Blumenkohl und Rosenkohl für ein paar Euro mehr. Der Architekt hat das Oaxen wie einen maritimen Lichtauffangraum entworfen. Die Sonne scheint durch die meterhohe Glasfront, von der Decke hängen Bootsrümpfe. Sehr schick.

Auftischen. Im Restaurant „Oaxen“ speisen Gäste unter Schiffsrümpfen und mit Panoramablick aufs Wasser.
Auftischen. Im Restaurant „Oaxen“ speisen Gäste unter Schiffsrümpfen und mit Panoramablick aufs Wasser.
© Erik Olsson

17 Uhr

Den ganzen Tag umhergelaufen und doch nichts für die eigenen vier Wände gefunden? Das Designtorget im Kulturhaus (Sergelgången 29) versammelt schwedisches Design von jungen Kreativen und ein paar Klassiker wie das String-Pocket-Regal von Nisse Strinning. Besonders bei Deutschen sei es beliebt, sagt die Verkäuferin. Vor Ort kann man es sich aus verschiedenen Holzarten und in diversen Farben zusammenstellen. Ach, nur mit Handgepäck gebucht? Kein Problem, das Geschäft liefert auch nach Deutschland.

Reisetipps für Stockholm

Hinkommen

Von Berlin fliegt unter anderem SAS nach Stockholm. Tickets für den knapp eineinhalbstündigen Flug kosten ab 110 Euro im Handgepäcktarif.

Unterkommen

Das Designhotel Blique by Nobis hat dieses Jahr eröffnet. Doppelzimmer sind ab 85 Euro pro Nacht zu haben. Mehr unter nobis.se.

Rumkommen

Ein Zeitticket der Stockholmer Verkehrsbetriebe lohnt sich. Für eine 24-Stunden-Karte zahlt man 130 SEK (etwa 12,50 Euro), für eine 72-Stunden-Karte 260 SEK (25 Euro). Unser Autor war auf Einladung von Visit Sweden in Stockholm unterwegs. Das Tourismusbüro hat mehr Infos auf der Seite visitsweden.de zusammengestellt.

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