Berliner Feuerwehr: Zuckerwatte, Hüpfburg und ein ungewollt realer Brand
Landesbranddirektor Wilfried Gräfling wurde verabschiedet – beim Tag der offenen Tür der Feuerwehr. Die präsentierte sich nach Protesten vor allem bürgernah.
Als Landesbranddirektor Wilfried Gräfling am Sonntag auf dem großen Platz der Feuerwehr-Direktion West am Charlottenburger Nikolaus-Groß-Weg ans Mikrofon tritt, sagt er zuerst: „Wir brauchen Sie.“ Vor ihm stehen 221 junge Dienstanfänger in Reih und Glied – im Rahmen des jährlichen Erlebnistags der Berliner Feuerwehr nimmt ihnen Gräfling wenig später feierlich den Diensteid ab.
Es ist das letzte Mal, dass Gräfling diese Aufgabe übernommen hat, zum 31. Juli geht der knapp 63-Jährige in Rente – „221 kommen und 1 geht“ war denn auch das Motto der Veranstaltung. Neben Gräfling wandte sich auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) an den Feuerwehrnachwuchs: „Ich danke Ihnen und zolle Ihnen tiefsten Respekt.“
Warme Worte des Senators erhielt auch Wilfried Gräfling wenig später bei seiner feierlichen Verabschiedung aus dem Feuerwehrdienst. Gleich zu Beginn eröffnete Geisel mit den Worten „Lieber Herr Gräfling“ – eine Anrede, die es laut Gräfling so noch nie gegeben habe. „Sie haben sich um Berlin verdient gemacht“, sagte Geisel in seiner Laudatio. 35 Jahre lang arbeitete Gräfling bei der Berliner Feuerwehr, zuletzt zwölf Jahre im höchsten Amt als Landesbranddirektor.
Geisel nannte ihn einen „äußerst aufrichtigen, integren und ehrlichen Menschen“, der sich stets vor die Beschäftigten gestellt und ihre Interessen durchgesetzt habe. „in seiner Zeit als Landesbranddirektor hat er mit sehr langem Atem für die Belange seiner Feuerwehr gekämpft“, eine Haltung, die man brauche, wenn man Dinge bewegen wolle.
Zahl der Rettungseinsätze steigt kontinuierlich
Diese Haltung wurde von Gräfling in jüngster Vergangenheit stark eingeforderte: Über einen Monat lang hatten Feuerwehrleute unter dem Motto „Berlin brennt“ im Frühjahr mit einer brennenden Tonne vor dem Roten Rathaus protestiert, das Resultat war zumindest ein Teilerfolg: eine 44- statt derzeit 48-Stundenwoche, eine erhöhte Feuerwehrzulage, die Auszahlung der angestauten Überstunden, sowie 350 neue Feuerwehrleute. Geisel sprach am Sonntag von einer „gut aufgestellten Feuerwehr“.
Dennoch: Nach wie vor weist die Feuerwehr einen hohen Krankheitsstand auf, die Fahrzeuge sind veraltet und die Eintreffzeiten zu lang. Umstände, die sich nicht über Nacht ändern lassen, denn das zugesicherte Personal, das auch den Krankheitsstand verringern könnte, muss erst ausgebildet werden. Neue Fahrzeuge sind bestellt, sie sollen laut Geisel in den nächsten Jahren eintreffen.
Und die Eintreffzeiten werden sich erst verbessern, wenn auch die Notrufzahlen sinken. Gut 3000 Notrufe gehen bei der Berliner Feuerwehr täglich ein, das sind zwei pro Minute. Aus etwa jedem zweiten Anruf wird ein Einsatz. Während die Alarme wegen Bränden gleichbleibend sind, stieg die Zahl der Rettungseinsätze in den vergangenen Jahren kontinuierlich. Der Senat plant durch eine Kampagne das Bewusstsein in der Bevölkerung für Notrufe zu sensibilisieren.
Doch ein Tag der offenen Tür ist nicht der Rahmen für Protest, hier wollte sich die Feuerwehr bürgernah und freundlich zeigen und das gelang: Neben 350 geladenen Gästen kamen mehr als 20.000 Besucher am Sonntag bei sommerlichem Wetter auf das Feuerwehrgelände, ein Erlebnis vor allem für die Jüngsten.
Neben Zuckerwatte, Hüpfburg und Cheerleadern stand das tägliche Geschäft im Vordergrund: Ob Menschenrettung bei einem Gebäudebrand, Feuerwehrtaucher im Einsatz oder einfach mal hinter dem Steuer eines Löschzugs Platz nehmen – beim Erlebnistag gibt’s Feuerwehr zum Anfassen, große Augen und offene Mündern garantiert. Natürlich durften die Besucher auch selbst Hand anlegen, etwa beim Wettlöschen an der Löschwand oder dem Wiederbelebungstraining an einer Puppe.
Zwischendurch wurde die Veranstaltung ungewollt real: Vor einer Außentribüne mit mehreren hundert Zuschauern wollten Einsatzkräfte zeigen, wie eine Werkfeuerwehr eine brennende Fertigungsstraße löscht. Plötzlich frischte der Wind überraschend auf und drückte schwarzen Rauch in die Zuschauertribüne, diese wurde kurzzeitig geräumt. Verletzt wurde aber niemand, nach ein paar Minuten konnte alle wieder Platz nehmen.
Nach der offiziellen Verabschiedung sagte Gräfling, der Tag verlaufe, wie er sich das gewünscht habe – ohne lange Reden und großes Aufsehen. „Ich habe das Gefühl, es geht weiter“, sagte er schmunzelnd mit Blick auf die neuen Feuerwehrleute. Zum Abschied bildeten diese ein Ehrenspalier für den Chef, ein Trompeter spielt „My Way“ von Frank Sinatra und Gräfling schritt salutierend durch die Reihen der Kollegen.
Wer Gräfling im Amt des Landesbranddirektors folgt, ist offiziell noch nicht bekannt, der neue Chef soll Ende Juli per Senatsbeschluss ernannt werden und am 1. August seinen Dienst antreten.