Cocktailbar in Berlin: Zeitlos am Südseestrand in Charlottenburg
Die Uhren werden Samstagnacht wieder eine Stunde vorgestellt. Egal – in Charlottenburg schmelzen sie am Strand.
Mensch, wie werden noch mal die Uhren am Radiowecker, an der Mikrowelle und am Ofen umgestellt? Immer derselbe Stress. Und das auch noch mit einer Stunde weniger Schlaf. In der Nacht von Samstag auf Sonntag springt die Zeit wieder eine Stunde nach vorne. In Charlottenburg ist das aber egal. Da, in der Schlüterstraße 60, ist nämlich das „Zeitlos“.
Warum genau die 2002 eröffnete Bar nahe dem Savignyplatz so heißt, weiß Alam Böhmer nicht. Seit 2016 gehört ihm das Lokal, das viele Stammgäste aus Spandau und Marzahn besuchen – wegen der guten S-Bahn-Anbindung. Der Chef hat eine plausible Erklärung, warum der Name so gut zum Laden passt: „Wenn man reinkommt, denkt man nicht mehr an die Zeit.“
Wer das erste Mal die Bar neben den Bahngleisen betritt, guckt erst mal auf den Boden. Da ist nämlich Sand. Und auch der Rest des Ladens lässt eher an einen Südseestrand als Charlottenburg denken. Das stimmt gleich sanfter, wenn man an die geklaute Stunde denkt. Die Gäste sitzen auf Barhockern unter Himmel-Deckengemälde und Bambusdach und wähnen sich in einer kleinen Strandhütte. Und in kleinen Strandhütten ticken keine Uhren, ist doch klar. An der Wand zergehen sie sogar, die Zeitanzeiger. Hier hängen Bilder von den schmelzenden Uhren von Salvador Dalí.
Keiner schmeckt wie der andere
Passend zum Urlaubsgefühl ist die Getränkekarte lang, vor allem an Cocktails gibt es reichlich Auswahl. Als er den Laden übernahm, musste sich Alam Böhmer erst einmal an die ungewöhnlichen Mischungen gewöhnen. Denn der gelernte Barkeeper merkte schnell, dass die Rezepte im Zeitlos originell sind. So ist zum Beispiel der Mai Tai, ein gelblich-orangefarbener Cocktail-Klassiker, im „Zeitlos“ mit Grenadine gemischt und daher rot.
Noch kreativer geht es aber beim Cocktail des Hauses zu. Blitzschnell kippt Barkeeper Shobus Reza Säfte und Pürees zusammen, Eis dazu, schütteln, fertig ist das Getränk. Das Rezept für den Cocktail stammt von Zeitlos-Chef Böhmer, der sogar die Zutaten für die Spezialität des Hauses verrät: Mango- und Erdbeerpüree, weißer und brauner Rum, Mangosirup, Zitronen- und Maracujasaft – fertig ist der fruchtige Drink. Wer arglos noch einen bestellt, wird aber überrascht: Der zweite „Zeitlos“ schmeckt nie wie der erste.
Und wenn mehrere Gäste an einem Tisch das Getränk bestellen, bekommen sie alle einen individuellen Zuschnitt: Für die einen ein bisschen herber oder fruchtiger, je nach Gast. Das müsse der Barkeeper nach Gefühl entscheiden, sagt Alam Böhmer. Aber wer auf genau demselben Rezept besteht, bekommt es natürlich auch.
Ob Zeitlos-Cocktail oder andere Erfrischung: Nach ein paar Gläsern treten die Gäste mit staubigen Schuhen und entspannter Stimmung wieder in den von Uhren geprägten Alltag ein. Das hält dann vielleicht nur so lange, bis die Wirkung der Cocktails nachlässt. Aber immerhin ist es wohl eines der letzten Male, dass an den Zeigern gedreht wird. Das EU-Parlament hat die Abschaffung der Zeitanpassung in den Sommermonaten beschlossen. Bis 2021 müssen die Europäer die Uhr aber weiterhin alle sechs Monate vor und dann wieder eine Stunde zurückdrehen. Wenn also wieder Ärger aufkommt, einfach ins „Zeitlos“. In das in der Schlüterstraße, oder in der Franklinstraße, oder am Ku’damm.
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