Großdemonstration zur Grünen Woche: Zehntausende fordern Wende in Agrarpolitik und bei Ernährung
Unter dem Motto "Wir haben es satt" sind am Samstag mehr als 30.000 Bürger und Bauern für eine umwelt- und tierfreundliche Landwirtschaft auf die Straße gegangen.
Zehntausende Demonstranten, darunter auffällig viele junge Leute. Mehr als hundert Traktoren sowie bunte Luftballons und Transparente, soweit das Auge reicht: Anlässlich der Grünen Woche haben am am Sonnabend nach Angaben der Veranstalter rund 33.000 Menschen in Mitte eine Wende in der Agrarpolitik und Ernährung gefordert. Die Polizei sprach von "mehreren zehntausend" Teilnehmern. Sie verlangten unter anderem ein Verbot umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat und riefen die kommende Bundesregierung zu einer neuen Agrarpolitik auf. Ein Bündnis von mehr als hundert Umwelt-, Verbraucher-, Landwirtschafts- und Entwicklungsinitiativen hatte zu dem Protestmarsch bundesweit aufgerufen. Auf den Transparenten stand: "Kein Schwein braucht Tierfabriken!", "Wir haben's glyphosatt" oder "Ohne Bienen ist kein Staat zu machen!".
"Es geht um Artensterben, Grundwasserverschmutzung und vieles mehr"
"Die industrielle Land- und Ernährungswirtschaft verursacht lokale und globale Probleme für Bauern, Klima, Tiere und Umwelt", erklärte der Sprecher des "Wir haben es satt"-Bündnisses, Jochen Fritz. Der Umbau hin zu einer umwelt- und tierfreundlichen Landwirtschaft, in der Bauern gut von ihrer Arbeit leben könnten, dürfe von der Politik nicht weiter aufgeschoben werden.
Konkret angesprochen wurden Probleme wie Artensterben, Grundwasserverschmutzung oder Billigexporte nach Afrika. Zahlreiche Teilnehmer forderten auf Plakaten eine generelle Kennzeichnungspflicht für tierische Lebensmittel. Die Verbraucher müssten eindeutig erkennen können, ob ein Produkt aus artgerechter Tierhaltung kommt. Auch ein Verbot von Antibiotika in der Tierhaltung sowie mehr Unterstützung für kleinere bäuerliche Betriebe gehörten zum Forderungskatalog.
"Wer nachhaltig produziert und isst, muss belohnt werden"
Mit rund 33.000 Demonstranten habe sich die Teilnehmerzahl im Vergleich zum Protestumzug anlässlich der Grünen Woche im Vorjahr verdoppelt, erklärte das Bündnis. Dies zeige, dass das Interesse an Landwirtschaft und Ernährung immer größer werde. Auch deshalb müssten die verantwortlichen Politiker den Ruf nach einem ressourcenschonenden Umbau der Landwirtschaft endlich ernst nehmen.
"Essen ist politisch, immer mehr Menschen erkennen das", erklärte Organisator Jochen Fritz. "Damit wir alle nicht langfristig die Zeche dafür zahlen", müsse die künftige Bundesregierung "den Spieß jetzt umdrehen."
Diejenigen, die nachhaltig produzieren und essen, müssten belohnt werden.
Falls es zu einer Großen Koalition von CDU und SPD komme, müsse als ein erster Schritt Glyphosat verboten werden.. Außerdem müsse der überfällige Umbau der Tierhaltung finanzieren werden, "damit Schweine wieder Tageslicht sehen und Kühe auf Weiden grasen können".
Auch Gipfel der Agrarminister spricht sich für bessere Tierhaltung aus
Anlass für die Großdemonstration, die vom Berliner Hauptbahnhof durch das Regierungsviertel bis zum Brandenburger Tor zog, war neben der Grünen Woche auf dem Messegelände auch der sogenannte Agrarministergipfel im Bundeswirtschaftsministerium. Dort trafen sich am Samstag die Agrarminister zahlreicher Länder sowie Spitzenvertreter der Welternährungsorganisation (FAO) und der Weltorganisation für Tiergesundheit zu einer Konferenz. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) erklärte zum Abschluss, dass sich die Vertreter von rund 70 Staaten sowie Vertreter der EU-Kommission und internationaler Organisationen zu einer verantwortlichen Tierhaltung verpflichtet hätten. "Der nachhaltige Umgang mit den Tieren bei der Produktion tierischer Nahrungsmittel ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit", sagte der Minister. Man wolle sich "weltweit verstärkt gegen den unnötigen Einsatz von Antibiotika zur Wachstumsförderung in der Tierhaltung" einzusetzen, zudem sollten für eine "ressourcenschonende" Tierhaltung "standortgerechte, regional angepasste Lösungen" gefunden werden.
Vor dem Landwirtschaftsministerium gab's ein Kochtopf-Konzert
Schon am Vormittag hatten rund 160 Landwirte, die an der Spitze der Demo mit ihren Traktoren fuhren, den versammelten Ministern aus aller Welt eine Protestnote übergeben. "Wir wollen raus aus der fatalen Exportorientierung und Landkonzentration, die Bauern hier und weltweit das Genick bricht", erklärten sie. Allein in den vergangenen zwölf Jahren habe in Deutschland ein Drittel der Höfe aufgeben müssen.
Als der "Wir haben es satt"-Umzug am Bundeslandwirtschaftsministerium vorbeikam, schlugen die Demonstranten lautstark auf Kochtöpfe und forderten die Achtung der Menschenrechte, faire Handelsbedingungen und mehr Hilfen für die ländliche Bevölkerung weltweit (mit dpa und AFP).