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Mangelhafte Infrastruktur trägt in Berlin dazu bei, dass der Verkehr für Radfahrer und Fußgänger gefährlich ist - vor allem an großen Kreuzungen.
© Jörg Carstensen/dpa
Update

Nach tödlichen Unfällen in Berlin: Zehn Regeln für einen sicheren Straßenverkehr in Berlin

Vorsicht, Rücksicht und Respekt: Wer diese und einige andere Empfehlungen beachtet, bewahrt sich und andere vor katastrophalen Folgen im Straßenverkehr.

Zwei Kinder sind in der vergangenen Woche auf Berlins Straßen tödlich verunglückt. Selten wurden die Risiken des Verkehrs so drastisch offenbar. Zum Tag der Verkehrssicherheit demonstrierten am Sonnabend mehrere hundert Menschen vor dem Bundesverkehrsministerium gegen die allgegenwärtige Lebensgefahr auf unseren Straßen. Und Berlins Verkehrssenatorin hat versprochen, mehr für die Sicherheit in der Stadt zu tun - was, will sie in dieser Woche bekannt geben. Oft trägt mangelhafte Infrastruktur dazu bei, dass kleine Fehler katastrophale Folgen haben. Hier einige Empfehlungen, um sich und andere davor zu bewahren.

1. Tempo rausnehmen

Bewegungsenergie und Bremsweg wachsen mit höherer Geschwindigkeit nicht linear, sondern im Quadrat. Das bedeutet: doppeltes Tempo = vierfacher Bremsweg – und vierfache Zerstörungskraft beim Aufprall. Hinzu kommt die Schrecksekunde, während der man noch ungebremst weiterfährt: bei Tempo 50 fast 14 Meter. Deshalb hat ein Auto bei diesem Tempo noch nicht einmal angefangen zu bremsen, wo es bei Tempo 30 schon stehen würde.

2. Das Ganze im Blick haben

„Unangepasste Geschwindigkeit“ ist eine der häufigsten Unfallursachen – und etwas völlig anderes als „überhöhte Geschwindigkeit“. Denn „unangepasst“ kann auch Tempo 45 sein, wenn an der 50er-Strecke Kinder stehen oder es regnet. Ein 50er-Schild bedeutet nicht, dass man Tempo 50 fahren, sondern dass man es unter den günstigsten Bedingungen darf. Für die Strafzumessung nach einem Unfall mit Personenschaden (der juristisch „fahrlässige Körperverletzung“ ist) macht das einen Riesenunterschied.

3. Achtsam sein

Wer sich sieht, fährt sich nicht um. Deshalb ist es so wichtig, Blickkontakt mit anderen Verkehrsteilnehmern zu suchen – ob als Radfahrer oder Fußgänger neben abbiegenden Autos (und erst recht Lkw) oder am Zebrastreifen. Oft ist dieser Blickkontakt auch über die Autospiegel möglich. Umgekehrt gilt: Wenn man den Fahrer nicht sehen kann, sieht er einen wohl ebenso wenig. Dann besteht Lebensgefahr!

4. Keinen Schatten haben

Viele Fußgänger und Radfahrer unterschätzen, wie schlecht sie ohne auffällige Kleidung oder Beleuchtung für Autofahrer erkennbar sind. Das gilt insbesondere bei Dunkelheit und Regen, aber kann selbst im Schatten von Straßenbäumen gefährlich sein. Auffällige Kleidung und Radfahren mit stets eingeschaltetem Licht verringern das Risiko. Blinkende Fahrradlichter sind zwar streng genommen nicht zugelassen, werden von der Polizei erfahrungsgemäß aber toleriert.

5. Respekt vor der Tram

Eine Straßenbahn ist leise und beschleunigt gut. Dabei ist sie schwerer als ein Sattelschlepper, hat schon auf trockenen Schienen den dreifachen Bremsweg eines Autos und kann keinen Zentimeter ausweichen. Es schadet nicht, all das im Hinterkopf zu haben, wenn Schienen in der Nähe sind.

6. Vorsicht an den Türen

Es kostet Überwindung, auf vollen Straßen als Radfahrer einen Meter Seitenabstand zu parkenden Autos zu halten. Aber es kann einen retten, wenn plötzlich eine Tür geöffnet wird. Das sollten sich sowohl die Radfahrer als auch die ungeduldigen Automobilisten dahinter klarmachen (die auch wissen sollten, dass nur blau beschilderte Radwege benutzt werden müssen). „Dooring“-Unfälle gehören zu den schlimmsten überhaupt. Deshalb ist die Kampagne der Verkehrsverwaltung sinnvoll, die Autoinsassen den „holländischen Griff“ beibringen soll: Die linken Türen werden beim Aussteigen mit der rechten Hand geöffnet und umgekehrt. Denn dabei muss man sich zwangsläufig zur Seite drehen – und bemerkt nahende Radfahrer leichter.

7. Abstand halten

Es wird enger im Berliner Verkehr. Damit steigt das Risiko für eine Hauptunfallursache, nämlich „ungenügender Sicherheitsabstand“. Das gilt nach vorn wie seitlich. Abhilfe ist ein wenig Rücksicht. Also nicht mit dem Auto beim Spurwechsel in den Sicherheitsabstand des Nebenmannes drängeln. Und im Zweifel immer hinter Radfahrern bleiben, wenn man nicht mit mindestens eineinhalb Meter seitlichem Abstand an ihnen vorbeikommt. Das gilt sowohl in schmalen Wohnstraßen als auch auf mehrspurigen Magistralen. Umgekehrt gilt für Radler: Nie ganz rechts fahren! Die verbleibenden Zentimeter zum Bordstein sind die Lebensversicherung, wenn sich doch einer allzu knapp vorbeidrängelt.

8. Alarmstufe Grün

Die tödlichen Abbiegeunfälle geschehen oft, wenn beide Beteiligte Grün haben. Auch bei grüner Ampel gilt es, auf durchrasende Orangerotfahrer zu achten, auf Nachzügler im Stau, auf Rechtsabbieger sowieso – aber auch auf Linksabbieger von gegenüber, die schwitzend den Gegenverkehr passieren und dabei den Vorrang der Radfahrer und Fußgänger missachten.

9. Kreuzungen freihalten

Fünf Meter müssen frei bleiben – gemessen vom Schnittpunkt der gedachten Bordsteinverlängerungen. Real werden in Zeiten des Parkplatzmangels viele Kreuzungen und Fußgängerfurten so brutal zugeparkt, dass kein Kinderwagen mehr durchpasst. Das ist nicht nur rücksichtslos, sondern auch hoch gefährlich. Denn diese Autos versperren allen anderen die Sicht und setzen damit eine der häufigsten Unfallursachen gerade bei Fußgängern und Kindern. Wer also sein Auto so abstellt, muss sich darüber im Klaren sein, dass er vielleicht die Gesundheit eines Menschen auf dem Gewissen hat. Ordnungsämter und Polizei schert (auch) dieses Thema leider wenig. Andere Städte bekämpfen die Gefahr, indem sie an den Kreuzungsrändern Sperrflächen markieren und ein paar luftig angeordnete Fahrradbügel darauf installieren.

10. Halt an Haltestellen

Wer aus dem Bus steigt, sollte einen Blick nach rechts werfen, um nicht von einem jener Radfahrer erwischt zu werden, die den Vorrang der BVG-Passagiere missachten. Wer als Radler mit mehr als Schritttempo einen aussteigenden Busfahrgast anfährt, bekommt vor Gericht die Hauptschuld. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass die in Berlin allzu oft mangelhafte Verkehrsführung scheinbar dazu einlädt. Und Autofahrern sei gesagt, dass der Vorrang der Ein- und Aussteiger auch an Tramhaltestellen auf der Fahrbahn gilt.

Beteiligen Sie sich an unserem Projekt Radmesser. Verkehrssicherheit für Fahrräder auf Berlins Straßen soll endlich messbar werden. Durch einen innovativen Sensor wollen wir Abstände messen, mit denen Fahrzeuge Fahrradfahrer überholen.. Mehr dazu und die ersten Ergebnisse finden Sie auf unserer interaktiven Seite https://interaktiv.tagesspiegel.de/radmesser/

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