Stone Brewing verlässt Berlin: Zapfenstreich für das Craft Beer aus Mariendorf
Die kalifornischen Brauer kamen 2016 mit großen Ambitionen und Investitionen. Nach zweieinhalb Jahren geben sie den Standort frustriert auf.
Aus San Diego machte sich Greg Koch vor einigen Jahren auf, ein beinahe vergessenes Industriedenkmal wieder zum Leben zu erwecken. Nicht in die City zog es ihn, sondern in einen ab vom Schuss gelegenen Teil Mariendorfs. Im September 2016 eröffnete der kalifornische Craft-Bier-Brauer im Marienpark, im ehemaligen Gaswerk die europäische Zentrale der „Stone Brewing“ und ein riesiges Restaurant mit Biergarten. Nach zweieinhalb Jahren ist nun Schluss.
25 Millionen Euro investierte Koch in den Standort – vielleicht war das „zu groß, zu mutig, zu früh“, wie er anmerkt. Stone Brewing übergibt den Standort samt Belegschaft am 1. Mai an Brewdog, eine schottische Craft-Bier-Brauerei. Brewdog ist die größte Craft-Bier-Brauerei Europas und betreibt weltweit 80 Bars, auch eine in Mitte. Das Bierlokal in der Oderberger Straße in Prenzlauer Berg will Stone Brewing weiter betreiben.
Frustration mit dem Baugeschäft
In einem Blogpost im Internet äußert sich Koch enttäuscht: Der Standort Mariendorf sei eins der „schwierigsten und frustrierendsten Dinge gewesen“, die er je getan habe. Die größte Frustration habe er mit Baufirmen erlebt. Während man auf die deutsche Bürokratie vorbereitet gewesen sei, habe er bei Bauunternehmern die Tendenz bemerkt, „alles zu beenden, sobald ein Problem aufkam“.
Welche baulichen Probleme konkret seit Eröffnung der Brauerei im Sommer 2016 aufgetaucht seien, benannte Pressesprecher Colin Lenz auf Anfrage des Tagesspiegels nicht. Doch zu Anfang, bevor die Brauerei eröffnete, habe es lange Verzögerungen gegeben. Eigentlich hatte man früher öffnen wollen.
Das Gaswerk Mariendorf hatte Koch aus 150 möglichen Standorten ausgewählt. Im Bezirk Tempelhof-Schöneberg stieß das Projekt auf Begeisterung. Der Marienpark soll als modernes Gewerbegebiet weiter entwickelt werden. Stone Brewing mit seinem Konzept aus Produktionsstandort und Erlebnisgastronomie galt als Investor mit Strahlkraft. Von Mariendorf aus wollte der Brauer den europäischen Markt erobern. Brauerei und Vertrieb waren das Hauptziel, der Restaurantbetrieb mehr Beiwerk.
Vom Bezirk unterstützt, aber der S-Bahnhof fehlt
Die Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler, zeigte sich am Montag überrascht von dem Berliner Aus für Stone Brewing. Sie persönlich sei „sehr traurig“ darüber, aber gleichzeitig erleichtert, dass es eine nahtlose Übernahme durch Brewdog gebe. Als Bezirk habe man damals in der Planungsphase der kalifornischen Brauerei viel Unterstützung geleistet und bei Problemen nach Lösungen gesucht.
Der Wagemut des bisweilen als „Beer-Jesus“ bezeichneten Kaliforniers, so groß in diesen Standort zu investieren, stieß aber gerade in Hinblick auf die Gastronomie auf Skepsis in der Stadt. Denn die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist nicht besonders gut; der nächste S-Bahnhof ist zu Fuß gut 20 Minuten entfernt. Eine nähere Station am Kamenzer Damm ist jetzt zwar in Planung, wird es aber frühestens Mitte/Ende der zwanziger Jahre geben.
Edle Bierbänke im Design-Garten und regionale Küche
Der Restaurantbereich in dem 115 Jahre alten, 2400 Quadratmeter großen Gebäude ist weit davon entfernt, ein normale Biergaststätte zu sein. Die alte Werkshalle wurde aufwändig saniert, tonnenschwere Findlinge und Baumstämme in ihrem Innern platziert. 1200 Gäste können dort Platz finden.
Bei Stone Brewing sitzt man an abwechslungsreich designtem Mobiliar. Der Biergarten wurde von Landschaftsarchitekten gestaltet. Auch dort stehen nicht nur Bierbänke und -tische, sondern gartentaugliche Möbel aus edlem Holz. Alles hochpreisig.
Genau wie das Angebot auf der Getränke- und der Speisekarte oder das Veranstaltungskonzept. Denn Koch setzt darauf, dass Qualität ihren Preis hat und haben muss. Die Küche bietet eben nicht Bratwurst und Pommes, sondern setzt auf eine moderne Küche mit guten, vielfach regionalen Produkten. Und auch Craft Beer – egal ob im Restaurant oder im Laden – hat seinen Preis, der doch bedeutend höher liegt als bei einem herkömmlichen Bier.
"Die meisten Deutschen kaufen das billige Zeug"
Koch musste jedoch erkennen, dass Biertrinker in Deutschland nicht so viel zahlen wollen. „Deutsche Bierpreise sind die die niedrigsten in Westeuropa. Wie die meisten von uns aus ihrem Leben wissen, sind die besten Dinge selten am billigsten.“ Es werde zwar inzwischen auch in Deutschland viel Hochwertiges gebraut, aber „die meisten Deutschen ignorieren diese wundervollen Biere und kaufen das billige Zeug“.
Was er von Bier aus Massenproduktion hielt, demonstrierte Koch vor fünf Jahren bei einem Termin auf der Mariendorfer Baustelle. Von einem Gabelstapler aus ließ er einen zentnerschweren Stein auf Paletten mit normalem deutschen Bier fallen.
Brewdog soll das Bier für Stone in Mariendorf brauen
In Mariendorf baute Stone Brewing ein modernes Brausystem auf, in einem Gang können hier 100 Hektoliter Bier gebraut werden, das in ganz Europa vertrieben wird. Nur war die Kapazität nicht ganz ausgelastet. Auch weitere Fermentierungstanks hätten noch Platz gehabt, sagt Pressesprecher Lenz. „Wenn wir weitergemacht hätten, hätten wir welche aufgestellt.“
Brewdog wird die Kapazität jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit erweitern: Die Schotten sollen in Zukunft die Bierproduktion von Stone übernehmen, neben ihrer eigenen Brauproduktion. In einem Pilotbrausystem mit einer Kapazität von 10 Hektolitern sollen zudem junge Brauer die Möglichkeit bekommen, sich auszuprobieren.
Brewdog erhält die Schlüssel zu den „World Bistro & Gardens“ am 1. Mai. Laut Pressemitteilung soll das Restaurant dann sechs bis acht Wochen schließen, also zu schönster Frühlingszeit. Konkrete Pläne, was sich ändern soll, sind noch nicht öffentlich.
Allerdings schreibt Brewdog, dass seine Brauerei im amerikanischen Columbus (Ohio) als Inspiration dient. Dort ist nicht nur auf 17 Hektar der US-amerikanische Sitz der Brauerei, dort gibt es ein Hotel, das „Doghouse Columbus“ sowie ein Museum. Außerdem chartert die Brauerei ab und an Flugzeuge für ihre „BrewDog Airline“ zwischen Großbritannien und den USA, um Bierfans den amerikanischen Standort zu zeigen. Auch Berlin sei als Ziel angepeilt, heißt es in der Pressemitteilung.
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