Debatte um Craft-Bier: Berliner Kleinbrauer freuen sich auf US-Konkurrenz
Fruchtiges Bier aus den USA? Da verstehen viele Anhänger des deutschen Reinheitsgebots keinen Spaß. Dabei ist Craft-Bier in Berlin schon jetzt beliebt.
Handgemacht soll es sein, teurer als industriell gefertigtes Bier – aber deswegen eben auch geschmacklich reizvoller. Die Stadt diskutiert über Craft-Bier, seit die US-Brauer von „Stone Brewing“ aus Kalifornien am Wochenende angekündigt haben, einen Standort im ehemaligen Gaswerk in Mariendorf zu eröffnen. Die Reaktionen der Leser auf tagesspiegel.de auf den Bier-Trend aus Amerika reichen von „Megainnovation“ bis „Plörre“. Auf Twitter wurde das Craft-Bier eher als Gefahr für das Reinheitsgebot diskutiert, denn als Alternative. Und um die geht es ja gerade nicht. In Berlin sind die Reaktionen nämlich eigentlich positiv. Denn gerade hier gibt es vielerorts bereits die Erzeugnisse kleiner, lokaler Brauereien zu kaufen: In Szeneadressen wie dem Café Pförtner in Wedding oder Designhotels wie dem Marriott am Charlottenburger Steinplatz zum Beispiel.
Einer, der früh mit dem Brauen im Kleinen begonnen hat, ist Thorsten Schoppe von Schoppebräu. Der Ingenieur für Brauereitechnik stellt an der Hasenheide in Neukölln und im Pfefferwerk in Prenzlauer Berg seine Biere selbst her. „Craft-Bier heißt mehr Mensch pro Bier“, sagt er. Hier braue der Braumeister noch persönlich die Menge Bier im Jahr, die in Großbrauereien pro Tag hergestellt werde. Sylvia Kopp ergänzt, dass „Craft“ auch mit „kunstfertig gebraut“ übersetzt werden muss. Sie sollte es wissen, leitet sie doch die Berlin Beer Academy, die in Berlin-Mitte Seminare, Kurse und Verköstigungen anbietet. „Von Hand brauen ja einige, aber Crafter sind diejenigen, die angetreten sind, es anders zu machen.“
Craft-Biere sind nämlich zumeist sehr obergärig, experimentierfreudiger kreiert, mit einem weiten geschmacklichem Spektrum und einem oft höherem Alkoholgehalt. Da werden fast vergessene traditionelle Brauweisen aufgefrischt, um etwa statt mit Hopfen mit Kräutern oder Orangenschalen zu verfeinern.
Das trifft bei Puristen natürlich auf Ablehnung, die gerne auf das Reinheitsgebot verweisen. Deshalb kommt die Craft-Bier-Bewegung in Deutschland langsamer ins Rollen als in anderen europäischen Ländern. „Die Deutschen sind die Letzten, die Wind bekommen haben“, sagt Sylvia Kopp. „Die Konsumenten sind noch nicht aufgeklärt.“ In Berlin allerdings ist das wie so oft ein wenig anders. „In Berlin haben wir ein neugieriges und sehr internationales Publikum“, sagt Johannes Heidenpeter. Seine Mikrobrauerei liegt in der Kreuzberger Eisenbahnstraße. Er braut seine fruchtigen Kreationen im Keller und schenkt sie gleich im Erdgeschoss in seiner Braustube wieder aus. Frischer geht’s nicht.
Angst vor der neuen Konkurrenz hat er wie die meisten seiner Berliner Kollegen nicht. Eher im Gegenteil. „Stone ist für Innovationsgeist und Ideenreichtum bekannt“, sagt Branchenkennerin Kopp. „Die werden ein gutes Fahrwasser schaffen und die Berliner Craft-Biere mitziehen.“ Außerdem würden die Amerikaner auf den großen europäischen Markt zielen und nicht so sehr auf Berlin selbst. Gerade darum geht es jedoch den Berliner Kleinbrauern. „Mein Anspruch ist, dass die Kunden das Bier mitsamt seiner Herkunft direkt vor der Nase haben“, sagt Johannes Heidenpeter. Bier sei historisch immer etwas sehr Lokales gewesen, das sei beim Berliner Craft-Bier nicht anders.
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