Sporthallen für Flüchtlinge in Berlin: Wütende Mitglieder treten aus Sportvereinen aus
Einige Sportler haben kein Verständnis dafür, wenn in ihre Sporthalle Flüchtlinge einziehen. Vereine, die keine Hallen mehr haben, beklagen nun Austritte von erbosten Mitgliedern.
Auf einmal waren die Türen versiegelt, und damit wurde es teuer. Denn hinter den Türen des Geräteraums lagen Volleybälle und -netze, dort lagen all die Dinge, die nun mal die Volleyballer von „ProSport24“ brauchen. Training ohne Bälle und Netze? Schwierig. Aber nun klebte ein Siegel an den Türen. Nicht mal in die Turnhalle selber in der Prinz-Regenten-Straße in Berlin-Wilmersdorf durften die Sportler. Ein Security-Mitarbeiter versperrte den Eingang als menschliche Mauer. Hinter den Türen der Halle hatten sich Flüchtlinge eingerichtet, für Sportler war nun kein Platz mehr.
Die Volleyballer von „ProSport24“ mussten nun mühsam in einer andere Halle ausweichen, vor allem aber: Sie mussten neue Netze und Bälle kaufen. Michael Schenk erzählt die Geschichte, der Geschäftsführer von „ProSport24“.
52 Hallen sind derzeit von Flüchtlingen bewohnt
Aber solche Storys können viele Vereins- und Verbandsfunktionäre schildern, erbost, verbittert, aufgewühlt. Der Landessportbund Berlin (LSB) gab ihnen eine Plattform am Montagabend für ihre Kritik, der LSB hatte ein mehrstündiges Treffen organisiert, in dem es um die Situation des Sports vor dem Hintergrund von derzeit 52 Sporthallen geht, die derzeit in Berlin mit Flüchtlingen belegt sind. Und er will mit der massiven Präsenz von Sportfunktionären natürlich auch Druck aufbauen.
Schenk war auch dabei, einer von vielen, die in diesem Zwiespalt stecken. „Wir wollen alle ja nicht, dass die Menschen unter der Brück schlafen, aber wir wollen, dass erstmal andere Standort geprüft und verwendet werden“, sagt er. Das ist auch die Leitlinie des Landessportbundes, das ist der Druck, den der LSB erzeugen will. LSB-Direktor Heiner Brandi sagt dem Tagesspiegel: „Wir sehen natürlich die Zwangslage, in dem der Senat und das Landesamt für Gesundheit und Soziales steckt, wir wollen ja auch, dass den Flüchtlingen geholfen wird. Aber wir fordern, dass sehr gründlich Alternativstandorte zu den Sporthallen gesucht und gegebenfalls genützt werden.“ Denn die Einschränkung in den Sportbetrieb „ist ein tiefer Einschnitt in ein soziales Netzwerk“.
Wie tief dieser Einschnitt sein kann, schildert Geschäftsführer Schenk. Vier Abteilungen von „ProSport24“ sind durch den Wegfall von zwei Sporthallen (neben Wilmersdorf noch eine in Pankow) betroffen: Volleyball, Basketball, Handball, Badminton. „Wir haben insgesamt 150 Auftritte aus dem Verein“ , sagt Schenk. „Die meisten sind Eltern, deren Kinder jetzt entweder gar nicht mehr oder nur eingeschränkt trainieren können. Die sagen: Weshalb sollen wir Beiträge zahlen, wenn wir dafür keine Gegenleistung bekommen.“ Bis jetzt habe der Verein dadurch eine Einbuße von 4500 Euro.
Für einige Mannschaften bei den Basketballern, Volleyballern und Badmintonspielern fällt das Training komplett aus, andere Teams werden in die Trainingszeiten der anderen 22 Abteilungen von „ProSport24“ gequetscht. So trainieren Basketballer zu den Übungszeiten der Bogenschützen. Dadurch sind die anderen Abteilungen natürlich auch durch die Hallenschließung betroffen, „dort steigt nun auch der Unmut“.
Sporthallen kontraproduktiv für Integration
Schenk rechnet mit weiteren Austritten, entsprechende Drohungen sind in der Geschäftsstelle bereits protokolliert. Damit hätte der Klub noch mehr finanzielle Einbußen. „Uns tut jeder Euro weh, weil wir ja auch hauptamtliche Trainer haben, die wir bezahlen müssen“, sagt Schenk. „Außerdem wollen die Übungsleiter ja auch eine Aufwandsentschädigung.“ Eine geschlossene Sporthalle sei im Übrigen auch kontraproduktiv für die Integration von Flüchtlingen. „Gerade bei den Ballsportarten gibt es eine gewisse Dramatik“, sagt Schenk. „Wir wollten ja Flüchtlinge speziell in den Ballsportarten betreuen“. Zudem, das sagt Klaus Eichstädt, der Präsident von „ProSport24“, habe der Verein vor vier Wochen beschlossen, „dass Flüchtlinge, die bei uns Sport treiben wollen, beitragsfrei sind“.
Lageso müsse schnell reagieren
Vor allem ist Geschäftsführer Schenk sauer, dass die Halle in der Prinz-Regenten-Straße quasi in einer Nacht- und Nebelaktion beschlagnahmt wurde. Und bei allem Verständnis für die Nöte des Flüchtlingsmanagements, dieses Vorgehen ist ihm doch zu heftig: „Das ist nicht der Stil, den wir gewohnt sind.“ Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), das für die Unterbringung der Flüchtlinge zuständig ist, verweist immer wieder darauf, dass es selber von immer neu eingetroffenen Flüchtlingen überrascht wird und ganz schnell reagieren muss. Diese Notlage erkennen auch die Sportfunktionäre. Aber sie sind auch der Meinung, dass es andere Möglichkeiten zur Unterbringung von Flüchtlingen gebe als Sporthallen.
Probleme mit Sportgeräten
Denn die Folgen sind gravierend. Angela Baufeld, Pressesprecherin des LSB, fasst zusammen, was bei der Versammlung an Details zur Sprache kam. So hatte der Verein Karower Dachse, der sich intensiv der Integration und der Inklusion widmet, eine Halle verloren. Ersatz dafür gibt es nicht. 200 Mitglieder seien deshalb bereits ausgetreten, habe ein Vereinsvertreter beklagt.
Der Verein Pfeffersport im Prenzlauer Berg beklage ebenfalls Vereinsaustritte, und er habe eine Rollstuhlsportabteilung, deren Mitglieder nun von besonderen Herausforderung stünden: Für Rollstuhlfahrer ist es besonders schwierig, Ausweichhallen zu finden. 90 Mitglieder müssten nun einen Ersatzstandort finden oder mit dem Training aussetzen.
Und dann gibt es ja auch noch das Problem mit den Sportgeräten. Entweder, man hat gar keinen Zugriff mehr auf sie, wie etwa die Volleyballer von „ProSport24“. Oder man kann sie retten, steht dann aber vor einem ganz einem völlig unerwarteten Hindernis. Wie ein Verein, der am Montagabend ratlose jene Frage wiederholte, vor der er schon gestanden hatte, als seine Halle geschlossen wurde: Wohin mit 13 Rhönrädern?