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Wache Augen. Mit der Zahl der Wölfe in Brandenburg vermehren sich auch die Probleme. Dieser Wolf lebt allerdings in einem märkischen Wildpark.
© dpa

Bauern in Brandenburg fürchten Wölfe: Wolfs Revier reicht bis Berlin

Die Wölfe breiten sich in Brandenburg aus. Im Südwesten von Berlin fallen sie neuerdings sogar Kälber an. Die Bauern wehren sich mit Radio und Licht. Und beklagen Gefahren für die artgerechte Viehzucht.

Der Kampf der Rinderzüchter gegen gefräßige Wölfe mutet auf den ersten Blick etwas hilflos an. Da laufen in der Nacht Radios mit Musik, werfen kleine Scheinwerfer einen schwachen Lichtkegel auf die Rinder mit ihren Kälbern und flattern Streifen von rot-weißem Absperrband an den Koppelzäunen. Doch eine Garantie, dass sich die Raubtiere davon abschrecken lassen, gibt es nicht. Denn trotz aller Vorkehrungen sind jetzt zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage mehrere Kälber auf einer Weide in der Nähe von Brück, keine 50 Kilometer vor der südwestlichen Berliner Stadtgrenze und unweit der Autobahn nach Leipzig gelegen, getötet oder verletzt worden.

Bisher wurden vor allem Schafe gerissen

Experten des Landesumweltamtes haben bei der Untersuchung der Kadaverreste eindeutig Wolfbisse festgestellt. Bislang waren von den Angriffen der seit fast zehn Jahren wieder in Brandenburg lebenden Tiere hauptsächlich Schafe betroffen. Wegen der Tötung von Rindern, die sich eigentlich gut gegen die Attacken zur Wehr setzen konnten, hat nun eine neue Diskussion über den Umgang mit den Wölfen begonnen.

„Die Verluste gehen nicht in die Hunderte Euro, sondern in die Tausende“, sagt der Bauer Peter Kernchen aus Trebitz bei Brück. „Wir sind ja keine Wolfexperten, sondern wollen uns und unsere Tier nur schützen.“ Deshalb fährt er mit seinem Jeep jetzt nachts regelmäßig zu seinen Rindern, um das Wolfsrudel zu vertreiben. Dieses hat sich auf dem nahen Truppenübungsplatz Lehnin-Brück schon vor einer ganzen Weile angesiedelt. Doch statt Jagd auf Damwild, Hasen oder andere Tiere im Wald zu machen, sparen sich die Wölfe diese Mühe. „Wir servieren ihnen ja einen gedeckten Tisch“, sagt der Bauer.

Das Landesumweltamt bezuschusst Zäune

Das Landesumweltamt will nicht nur die Schäden ersetzen, sondern die Bauern auch beim Kauf neuer Schutzzäune finanziell unterstützen. Man werde auf die Tierhalter zugehen, versicherte die Behörde. Im Jahre 2013 rissen Wölfe in Brandenburg nach Angaben des Landesumweltministeriums insgesamt 22 Schafe. In diesem Jahr wurden allein bis Juli 36 Schafe und ein Kalb registriert.

Seit 2007 steigt die Zahl der Wölfe in Brandenburg stetig. Derzeit geht das Ministerium von mindestens zwölf Rudeln, zwei Paaren sowie zwei Einzeltieren aus. Es dürften sich somit 100 bis 120 Tiere hier aufhalten, zumeist auf Truppenübungsplätzen und in Tagebaulandschaften. Da sie nachts aber oft lange Strecken von 50 und mehr Kilometern zurücklegen und dabei auch viele Straßen überqueren, finden zahlreiche Exemplare unterwegs den Tod.

Seit 1990 vermerkt die Statistik 25 überfahrene Wölfe, einer starb unter einem Zug. Mindestens fünf Tiere waren erschossen worden, obwohl sie nach wie vor unter strengem Naturschutz stehen. Erst im August hatte der Fund eines geköpften Wolfes an der Bundessstraße 168 bei Lieberose im Südosten Brandenburgs viel Aufsehen erregt. Das dreijährige Tier war zuerst erschossen worden. Danach trennten die bis heute unbekannten Täter den Kopf vom Körper und legten diesen unter ein Schild mit der Aufschrift „Naturschutzgebiet“.

"Wir müssen die Rinder im Stall lassen", klagt der Bauernverband

Zu den Gegnern einer „unkontrollierten Ausbreitung“ des Wolfes gehört auch der Bauernbund, der im Unterschied zum größeren Bauernverband vor allem kleine und mittlere Familienbetriebe vertritt. „Wir wollen ihn nicht bei uns auf dem Lande“, sagte Geschäftsführer Reinhard Jung nach den letzten Attacken auf Rinder. Der Wolf sollte aktiv bejagt werden, wenn ihm die etwa 60 000 Hektar Naturreservate sowie tagebau- und munitionsverseuchten Sperrgebiete nicht mehr als Revier reichen würden.

Der Bauernbund sieht durch die wachsende Zahl von Wölfen sogar die von den Verbrauchern so geschätzte Tierhaltung auf der Weide in Gefahr. „Ausgerechnet die umweltfreundlichste und tiergerechteste Haltungsform wird damit langfristig unwirtschaftlich, wenn nicht gar unmöglich gemacht“, meint Jung, der selbst in der Prignitz als Tierzüchter arbeitet. Schließlich würde es vermehrt zu Ausbrüchen von Rinderherden kommen, die vor Wölfen panisch davonlaufen könnten. „Dann treten vermehrt Schadensfälle auf und die Beiträge zur Haftpflichtversicherung steigen so an, dass es günstiger ist, die Rinder gleich im Stall zu mästen.“

Schon bei der Verabschiedung des Wolfmanagementplans der Landesregierung vor zwei Jahren hatte der Bauernbund seine Zustimmung verweigert. Es fehle eine „konkrete Zielgröße für eine verträgliche Wolfspopulation in Brandenburg“, kritisierten die Bauern damals. Genau das aber sei das Mindeste, wenn man einen Kompromiss zwischen Naturschutz und Tierhaltung finden wolle.

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