Rot-rote Regierung in Potsdam: Woidkes Kabinett: Alte Probleme, neue Gesichter
Der Koalitionsvertrag ist unterschrieben, viele Posten wurden neu vergeben, auch an Parteilose – und an einen streitbaren Landrat, der wegen seiner rigiden Flüchtlingspolitik in der Kritik steht. Welche acht Männer und drei Frauen zu Dietmar Woidkes künftiger Regierungsmannschaft gehören und was von ihnen zu erwarten ist.
Die Partei- und Fraktionsvorsitzenden von SPD und Linken in Brandenburg haben am Montag den Koalitionsvertrag unterschrieben. Doch Ämter zu verteilen ist für einen Ministerpräsidenten stets schwierig - elf Regierungsposten und deutlich mehr Interessenten. Nun steht die Wahl von Dietmar Woidke und seinem Koalitionspartner, der Linkspartei, fest. Sechs der neun Ministerien werden neu besetzt. Bei den Personalien hat sich Woidke von fachlichen Erwägungen leiten lassen, dabei jedoch manche Genossen verprellt. Viele in der SPD sind verärgert, weil das Arbeits- und Sozialministerium an die Linken ging. Es könnte für Woidke knapp werden bei der – geheimen – Wahl zum Ministerpräsidenten am kommenden Mittwoch. Die Koalition hat nur eine Mehrheit von drei Stimmen. Und wer gehört zur neuen Regierungsmannschaft?
Christian Görke, Finanzen, Vize-MP, Linke
Der 52-Jährige, Parteichef und starker Mann der Linken, bleibt Finanzminister. Er wird nun auch Vize-Ministerpräsident. Der frühere Lehrer ist seit 2003 im Landtag, war dort lange finanzpolitischer Sprecher, zuletzt auch Fraktionschef. Nach den Partei-Regularien gibt Görke sein Landtagsmandat ab.
Karl-Heinz Schröter, Inneres, SPD
Der künftige Innenminister ist die spannendste Personalie. Der 60-Jährige ist seit mehr als zwanzig Jahren Landrat in Oberhavel, er gilt als einer der profiliertesten Kommunalpolitiker im Land. Er ist Präsident des Landkreistages Brandenburg und Vizepräsident des Deutschen Landkreistages. Als Landrat brachte er seinen Kreis hoch, steht aber wegen seiner rigiden Flüchtlingspolitik in der Kritik. In Oberhavel erhalten Asylbewerber immer noch Gutscheine statt Bargeld. Weder ein Kreistagsbeschluss noch eine Intervention von SPD-Chef Sigmar Gabriel stimmten Schröter um. Seine wichtigste Aufgabe wird die Kreisreform sein, nach der es künftig nur noch zehn statt bisher 18 Kreise geben soll. Auch sonst ist Schröter streitbar, steht für dezidierte Positionen. So tritt er als „Bildungsrevoluzzer“ dafür ein, dass die Kommunen die Lehrer selbst einstellen dürfen, die staatlichen Schulämter abgeschafft werden. 2007 warnte Schröter, dass es in Brandenburg „verlassene Dörfer“ geben wird.
Diana Golze, Arbeit und Soziales, Linke
Die 39-jährige Diplompädagogin gilt als eins der größten politischen Talente der Linken. Golze lebt in Rathenow, ist seit 2005 im Bundestag, dort kinder- und jugendpolitische Sprecherin. Der Publizist Roger Willemsen, der ein Jahr lang alle Debatten im Bundestag verfolgte und seine Beobachtungen im Buch „Das Hohe Haus“ festhielt, beschrieb Golze einmal so: „Die braucht keine Polemik. Die geht hin. Die ist sachverständig, was sie zu sagen hat. Die hat das, was man im Bundestag immer sucht, aber so häufig nicht findet. Das ist Haltung. Und das überzeugt sofort.“ Golze ist künftig für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie zuständig. Das Ministerium, das zweieinhalb Jahrzehnte in SPD-Hand war, wird damit wieder ein Mammutressort wie zu Zeiten der früheren Ministerin Regine Hildebrandt.
Rudolf Zeeb, Staatskanzlei, SPD
Seinen schwäbischen Dialekt hat Zeeb nie ablegen können. Der Aufbauhelfer aus Baden-Württemberg war nach Stationen in der Staatskanzlei und im Finanzministerium zuletzt Innenstaatssekretär, wo er zum Erfolg Woidkes als Innenminister beitrug. Er gilt als Vertrauter des Regierungschefs.
Albrecht Gerber, Wirtschaft/Energie, SPD
Der 47-jährige Politologe, seit 2009 Staatskanzleichef, ist ein Machttechniker. Keiner kennt den Regierungsapparat so gut wie er. Er hat allen Ministerpräsidenten Brandenburgs in der Staatskanzlei gedient. Nun wird er erster Energieminister Brandenburgs, denn im Wirtschaftsministerium werden künftig alle Energiezuständigkeiten gebündelt, wozu der weitere Umgang mit der Braunkohle und der Ausbau erneuerbarer Energien gehören.
Günter Baaske, Bildung, SPD
Der 57-Jährige war seit 2009 Minister für Arbeit und Soziales. Schulen sind für ihn kein Neuland. Vor 1989 war Baaske Lehrer für Mathe und Physik. Von 1990 bis 2002 arbeitete er als Dezernent und Beigeordneter im Landkreis Belzig, später Potsdam-Mittelmark, wo er neben Sozialem auch für Schulen zuständig war. Nebenbei managte Baaske, Spitzname „Hugo“ die Band „Keimzeit“. Der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) holte Baaske 2002 als Sozialminister, nach der Landtagswahl 2004 führte Baaske die Landtagsfraktion. Er übernimmt das Bildungsministerium, das als eins der schwierigsten in der Regierung gilt. Seine Aufgabe wird es etwa sein, den Unterrichtsausfall zu reduzieren. Mit dem neuen Koalitionsvertrag, der unter anderem die Einstellung von 4300 neuen Lehrern vorsieht, hat das Ressort Ressourcen wie noch nie seit dem Jahr 1990.
Sabine Kunst, Wissenschaft, parteilos
Die 59-jährige frühere Präsidentin der Uni Potsdam kann ihr Ressort weiterführen. In ihrer Verantwortung lag die einzige schwierige Strukturreform der letzten Legislaturperiode: Kunst setzte die umstrittene Fusion der BTU Cottbus und der Hochschule Senftenberg zur BTU Cottbus-Senftenberg durch. Kunst ist parteilos.
Kathrin Schneider, Infrastruktur, parteilos
Woidke hält viel von der 52-jährigen Agraringenieurin, die parteilos ist, bisher Staatssekretärin im Infrastrukturministerium war und nun in die erste Reihe rückt. Sie hatte vorher einige Jahre die gemeinsame Landesplanung für Berlin- Brandenburg geleitet und war auch Chefin der Fluglärmkommission.
Jörg Vogelsänger, Agrar/Umwelt, SPD
Bisher war der 50-jährige Maschinenbauingenieur und frühere Bundestagsabgeordnete Infrastruktur-, Verkehrs- und Agrarminister. Verkehrspolitik ist eigentlich sein Steckenpferd. Nun wird er das wieder fusionierte Agrar- und Umweltministerium lenken. Woidke hat die 2009 erfolgte Aufspaltung des Ressorts von Anfang an für einen Fehler gehalten.
Helmuth Markov, Justiz/Europa, Linke
Der 62-Jährige war bis 2014 Finanzminister, seit dem Rücktritt von Volker Schöneburg 2014 Justizminister. Von 1999 bis 2009 saß Markov im Europaparlament. Sein künftiges Ministerium wird, wie auf Bundesebene, nun um Europa und Verbraucherschutz erweitert. Eigentlich hatte Markov aufhören wollen, die Genossen stimmten ihn aber um.