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Dietmar Woidke, Ministerpräsident des Landes Brandenburg und Chef der Landes-SPD.
© Oliver Killig/dpa

Brandenburger SPD verliert an Zustimmung: Woidke auf Selbstbetrugskurs

Der Brandenburger SPD-Chef Dietmar Woidke reagiert kopflos auf steigende Umfragewerte der AfD. Nicht nur das ist fatal. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Alexander Fröhlich

Dietmar Woidke ist eine tragische Figur. Nach Manfred Stolpe und Matthias Platzeck ist er der dritte Mann jener Troika, die für eine über drei Jahrzehnte SPD-geführte Landesregierung in Brandenburg steht. Doch von der alten Stärke der märkischen SPD ist nichts übrig. Von Landtagswahlergebnissen von mehr als 30 Prozent können die Sozialdemokraten in Brandenburg nur träumen. Sie liegen jetzt nur noch bei 20 Prozent – genauso wie CDU und AfD, zweieinhalb Monate vor der Landtagswahl.

Ja, der Bundestrend schlägt sich in der Mark nieder. Doch Brandenburg tickte immer anders, die SPD blieb hier stark, als sie im Bund schon schwächelte. Ist es vielleicht das seit nunmehr fast zehn Jahren währende rot-rote Bündnis mit der Linken? Ausgerechnet die Brandenburger SPD, die als konservativer als andere Landesverbände gilt, hatte es gewagt. Das alles erklärt noch nicht den Niedergang.

Die Sozialdemokraten in Brandenburg wirken seltsam ratlos. Wer Dietmar Woidke nach der Europa- und Kommunalwahl – AfD, CDU und SPD nahezu gleichauf – gesehen hat, dem war klar: Der Mann ist fassungslos und hat keine Antworten. Insofern passt er zu dieser SPD: In der ablaufenden Legislatur hat sie den Draht an die Basis verloren, das Gespür für die Themen. Ließ sich von der Opposition bei der verpatzten Kreisreform treiben. Was sich bei den Straßenausbaubeiträgen wiederholte.

In der Koalition selbst übernahm die SPD nach lange gezeigtem Widerwillen die Forderung der Linken nach Beitragsfreiheit in den Kitas. Und anstatt früh Antworten zu finden auf den Klimawandel und die Zukunft der Braunkohle, verhinderte die SPD neue Perspektiven für die Lausitz jenseits von Tagebauen und Kraftwerken – und beklagt jetzt, dass der Ausstieg aus der Kohleverstromung die AfD stark mache.

Kopflos angesichts der Krise

So weit ist es gekommen, die SPD selbst gilt als unsicherer Partner, als kopflos angesichts der Krise. Und CDU und Linke versichern sich derweil trotz ideologischer Grenzen öffentlich, wie verlässlich der jeweils andere sei – wohlgemerkt im Unterschied zur SPD. Die glaubte lange, mit alten Tricks, ihrem Einfluss, ihren Machtstrukturen alles in den Griff zu bekommen. Und jetzt?

Woidkes Analyse nach der Europa- und Kommunalwahl fiel fatal aus. Anstatt den CDU-Konkurrenten Ingo Senftleben vor der Landtagswahl zu attackieren, spricht er nur über die AfD. Der Eindruck, Brandenburgs politische Landkarte sei jetzt AfD-blau, täusche, schrieb Woidke in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel, denn in Brandenburg genügten schon um die 20 Prozent, um auf der Karte mit einem Farbklecks als Sieger aufzutauchen. Es gebe keine Vormachtstellung der AfD.

Wird Woidke nach der Landtagswahl am 1. September, wenn die AfD mit 20 Prozent vor CDU und SPD stärkste Kraft wird, wenn ein Viererbündnis nötig sein könnte gegen die Rechtsnationalisten, seine These wiederholen? Nämlich die, dass man das Ergebnis differenziert sehen müsse, weil 80 Prozent der Brandenburger nicht die AfD gewählt hätten? Es ist die Offenbarung des eigenen Scheiterns, ohne dieses Scheitern zu erklären. Das gelingt auch nur mit Selbstbetrug.

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