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Spieglein, Spieglein. Dieser – wenn auch beschmierte – legale Container in Kreuzberg gehört dem Roten Kreuz, das sieht man am Logo. Bei anderen ist nicht klar, wem man da eigentlich hilft, wenn man Altkleider einwirft. Es fehlen Infos zum Inhaber, zum Spendenzweck.
© Mouhamed Müller

Umkämpfter Markt: Wohlfahrtsverbände warnen vor illegalen Altkleidercontainern

Berliner Bezirke haben schon hunderte illegale Container abräumen lassen. Mit dem Engagement der Bevölkerung steigt die Zahl von Geschäftemachern. Worauf achten?

Der Winterspeck zwickt in der Jeans, das Hemd spannt und die gestrickten Socken von der Großmutter wollen nicht so richtig zu den neuen Turnschuhen passen: Die Berliner spenden besonders angesichts steigender Flüchtlingszahlen mehr Altkleider – doch im Container-Geschäft versuchen sich auch Geschäftemacher zu bereichern. Viele Bezirke gehen mittlerweile rigoros gegen illegale Aufsteller vor – manche nur mit mäßigem Erfolg. Daher appellieren viele Wohlfahrtsverbände jetzt an die Berliner, genauer hinzugucken, wo man was einwerfen sollte.

Rund 13 Kilo pro Person jedes Jahr

Rund 12 bis 15 Kilogramm ungeliebte Kleider will der Durchschnittsberliner laut Schätzungen des Deutsche Roten Kreuzes (DRK) im Jahr loswerden. Vor allem seit den steigenden Flüchtlingszahlen gehen immer mehr Kleiderspenden bei den Wohlfahrtsverbänden ein. Doch wer seinen alten Lieblingspulli in einen der vielen Alktleidercontainer wirft, kann nicht sicher sein, dass er auch Gutes tut. Viele Container sind illegal aufgestellt und die Betreiber nutzen die gestiegene Spendenbereitschaft aus, um sich zu bereichern. Das stellt auch der Dachverband „FairWertung“, ein Zusammenschluss gemeinnütziger Gebrauchtkleidersammler, fest. „Wir beobachten mit Sorge, dass teilweise Sammler mit der Spendenbereitschaft für Flüchtlinge Kasse machen wollen“, sagt Andreas Voget, Geschäftsführer des Dachverbandes FairWertung in Essen.

In den Berliner Bezirken kämpft man schon seit Langem gegen das Problem. Immer wieder müssen Container von der Berliner Stadtreinigung (BSR) oder externen Firmen entfernt werden. Doch mancherorts ist das ein Kampf gegen Windmühlen. Torsten Kühne, Bezirksstadtrat für Verbraucherschutz, Kultur, Umwelt und Bürgerservice in Pankow (CDU) sagt: „Wenn wir einmal durch den Bezirk durch sind, können wir vorne wieder anfangen.“ In Pankow hat Kühne 17 Aufsteller identifiziert. „Bis auf zwei sind die alle unseriös.“ Eine ernüchternde Erkenntnis. Allein im öffentlichen Straßenland stehen in Pankow schätzungsweise 500 illegale Container. Der Bezirk arbeitet, genau wie Friedrichshain-Kreuzberg, Tempelhof-Schöneberg und Reinickendorf mit der BSR zusammen, um sie wegschaffen zu lassen. Doch oft tauchen sie kurz später woanders wieder auf.

Kleidung wird zu Füllstoff für Autositze

„Das sind solche Geflechte, da muss man schon von mafiösen Strukturen sprechen“, sagt Kühne. Vor Gericht hat der Bezirk es indes schwer, sich gegen die illegalen Betreiber durchzusetzen. Kühne fordert daher vom Senat, dass Aufsteller, die bereits mit illegalen Containern aufgefallen sind, ein generelles Verbot erhalten, in Berlin Kleider zu sammeln. Damit hätte der Bezirk leichtere Hand. „Wir waren immer zu langsam“, sagt auch Bezirksstadtrat Peter Beckers (SPD) aus Friedrichshain-Kreuzberg. Seit sein Bezirk im Januar verstärkt gegen den Wildwuchs vorgeht, sind schon sagenhafte 185 Container entfernt worden. Viele Bezirke lassen abtransportieren.

In Reinickendorf greift man schon länger hart durch – mit Erfolg. Laut Bezirksstadtrat für Ordnung und Gewerbe Martin Lambert (CDU) gibt es mit Ausnahme von vereinzelten Fällen keine Probleme mehr. Höchstens einmal im Monat muss im Bezirk noch ein Container entfernt werden. Seine Empfehlung lautet: „Von Anfang an konsequent vorgehen und nicht lange zögern.“ Er gibt den Aufstellern zwei bis drei Tage Vorwarnung und lässt die Container dann auf den Werkhof schaffen. „Jeden Tag, den die Dinger befüllt werden, machen die Geld damit.“ Und das funktioniert so: Statt die Kleiderspenden an Bedürftige zu geben oder recyceln zu lassen, sodass aus ihnen Füllstoffpellets für Autositze oder Weichbodenmaterial für Spielplätze wird, verkaufen die Betreiber die Kleidung gewinnbringend an Zwischenhändler.

Die verkaufen sie weiter ins Ausland, nach Asien, Afrika oder Nahost. Ein gutes Geschäft, laut Schätzungen umfasst der deutsche Altkleidermarkt 300 Millionen Euro. Seit 2012 ist man in Berlin vermehrt auf die illegalen Container aufmerksam geworden, denn da trat das Kreislaufwirtschaftsgesetz in Kraft. Es besagt, dass jeder Aufsteller eine Sammelgenehmigung beim Land beantragen, die Sammelstellen erfasst werden und erhoben werden muss, wie viel Altkleider in den Bezirken anfallen.

Wird der Container regelmäßig geleert?

Pressesprecher Rüdiger Kunz vom DRK Berlin erklärt, dass sich legale und illegale Container anhand von drei wichtigen Kriterien erkennen lassen. Zunächst muss neben dem Namen der Organisation auch eine funktionsfähige Telefonnummer angebracht und auch erreichbar sein. Viele seriöse gewerbliche Altkleider-Sammler tragen zudem das Qualitätssiegel des BVSE-Fachverbands Textilrecycling. Zum Zweiten muss erkennbar sein, dass der Container regelmäßig geleert wird. „Gerade bei einem Wetter wie jetzt gibt es schnell Schäden an den Spenden“, sagt Kunz. Mitunter haben Leute indes Container wild mit Konzertplakaten beklebt. Drittens muss es eine Möglichkeit geben, Auskunft zu bekommen, was mit den Spenden gemacht wird. Beim DRK müssen rund zehn Prozent der Spenden entsorgt werden, weil sie nicht mehr tragbar sind. Ein weiterer Teil, etwa 15 Prozent, wird an Kleiderkammern verteilt und kommt so Obdachlosen und Flüchtlingen zugute. Etwa 35 Prozent der Spenden gehen in den „Recycling-Kreislauf“ ein: Die Kleider werden zu Pellets oder Füllungen weiterverarbeitet. Der Erlös aus diesen Verkäufen geht in die Mitarbeiterentlohnung und finanziert soziale Projekte des DRK. Doch auch die Wohlfahrtsverbände verkaufen einen Teil ihrer Spenden weiter ins Ausland und stehen in der Kritik, mit dem Import von Altkleidern nach Afrika den heimischen Textilmarkt kaputtzumachen.

Das grundsätzliche Problem ist, dass in ganz Deutschland viel mehr Spenden anfallen als gebraucht werden. Und fallen mehr Altkleider an, als es legale Entsorgungsmöglichkeiten gibt, tut sich für illegale Betreiber eine lukrative Lücke auf. „Ich habe volles Verständnis dafür, Wildwuchs einzudämmen. Aber ich sehe noch kein Konzept, wie der Bedarf, Kleidung zu spenden, sonst aufgefangen werden soll“, sagt Kunz. Der Abbau von Containern im öffentlichen Straßenland betrifft nämlich nicht nur die illegalen Betreiber. Auch Wohlfahrtsverbände wie das DRK erhalten immer weniger Genehmigungen, ihre Container aufzustellen und weichen deshalb vielfach auf Privatgelände, etwa Parkplätze von Supermärkten, aus. „Idealerweise sollten wir nicht die Gesamtmenge der Container runterfahren“, sondern mehr legale Möglichkeiten schaffen, das fordert Kunz.

Direkt bei der Kleiderkammer abgeben

Auch Humana gehört zu Sammelanbietern, bei denen man problemlos einwerfen kann. Aus den Bezirken kommt indes die Empfehlung, am besten gar keine Container zu nutzen. In Pankow rät Kühne den Bewohnern, Altkleider lieber bei Secondhand-Läden oder Kleiderkammern abzugeben. Wer seine Kleidung an Flüchtlinge spenden möchte, sollte ohnehin den direkten Weg nehmen und sie bei den Kleiderkammern der Unterkünfte abgeben. Dort kann man schneller und zielgenauer auf den Bedarf eingehen. Denn nicht immer wird das gebraucht, was aus Berliner Kleiderschränken ausgemistet wird. Badelatschen zum Duschen etwa, weiß Kunz, werden im Moment besonders nachgefragt und würden nie über den normalen Spendenbedarf gedeckt.

Infos auch über www.altkleiderspenden.de oder etwa kreuzberg24.net/offizielles/container.html

Pascale Müller

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