Prime Time Theater: Wo Weddings Superhelden wohnen
Das Prime Time Theater präsentiert ein neues Programm: „Die Weddingers“ – angelehnt an die Comic-Serie „The Avengers“. Heute ist Premiere.
Beim Spätkauf und in der Eckkneipe, hinter der Schlange vorm Jobcenter und dem Automatencasino – da wohnen die Superhelden. In der Müllerstraße 163, im Prime Time Theater. Bekannt für die Serienparodie „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“, von der zurzeit bereits die 111. Folge aufgeführt wird, startet das Theater am 28. Juli das neue Stück „Die Weddingers“. Angelehnt ist das Ganze an Marvels Comic-Helden „The Avengers“.
Statt als Helden wie Iron Man, der Unglaubliche Hulk oder Thor kämpfen in der Weddinger Version allerdings stadtteilgetreu Ayran Man, die Rote Witwe, Captain Wedding, der Halbgott Thür, der Unglaubliche Volk und Emo-Girl gegen den Bösewicht Konformist – ein Diktator, der die Berliner Restaurantvielfalt zerstören und überall nur noch denselben Döner, Burger und Braten servieren möchte, dies offensichtlich angelehnt an Ketten wie Starbucks und McDonalds. Ade, Nachbarschaftsrestaurant, weg mit dem sudanesischen Spezialitätenladen an der Ecke oder der kleinen Bäckerei mit den tollen Marzipan-Croissants.
Jeder Held steht für einen Teil der Hauptstadt
Die Weddingers aber repräsentieren die Vielfalt Berlins. „Jeder Held steht für einen Teil der Hauptstadt und jeder hat seinen eigenen, ganz speziellen und keineswegs einfachen Charakter“, heißt es in der Ankündigung.
Während Ayran Man aus der migrantischen Community kommt, ist Thür aus Norddeutschland – Symbol für den innerdeutschen Zuzug. „Die Rote Witwe war früher Spionin in der DDR, Captain Wedding ist alteingesessener Berliner, Emo-Girl ein unerträglicher Millennial und der Unglaubliche Volk ein Prenzlberger Öko-Monster“, erklärt Philipp Lang, Autor des Stücks und Prime-Time-Schauspieler. Volk wurde zu dem, was er ist, weil er Sojamilch über ein elektronisches Gerät verschüttet hat. Ihr Hauptquartier haben die Superhelden übrigens unter den Flaktürmen im Volkspark Humboldthain. Gespielt werden die Rollen allesamt von der Besetzung aus „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“. Die 20-köpfige Truppe des Prime Time Theaters, 2003 im Soldiner Kiez gegründet und inzwischen eine Berliner Institution, bekommt für das Projekt 60 000 Euro Förderung von der Lottostiftung. „Damit können wir uns zum ersten Mal eine Kostümbildnerin leisten“, sagt Lang.
Marc Poritz kümmert sich um Videoinstallationen und Spezialeffekte auf der kleinen Bühne –Laser, Blitze, herumflitzende Sterne. „Die visuellen Anforderungen sind bei diesem Stück um einiges höher als bei den meisten anderen“, sagt er.
Das Theater will aber auch dem Kiez etwas zurückgeben – das neue Stück wird begleitet von einer Spendenaktion. Berlinerinnen und Berliner sollen kurze Videos aufnehmen, in denen sie beschreiben, welchen Superhelden sie sich für die Stadt wünschen. Für jeden eingereichten Beitrag wird ein Euro an den gemeinnützigen Verein „Kiezbezogener Netzwerkaufbau“ (KbNa e.V.) gespendet. Gemeinsam mit seinem Team aus Ehrenamtlichen organisiert Gründer Yousef Ayoub Fußballturniere und Kochabende zwischen Polizei und Jugendlichen aus dem Soldiner Kiez in Wedding und organisiert gemeinsame Veranstaltungen mit Moscheen, Kirchen oder Sozialeinrichtungen. Hauptziel sei das friedliche Zusammenleben im Kiez, sagt Ayoub. Immer wieder inszeniert der Verein auch fiktive Schlägereien auf der Straße oder in U-Bahnhöfen, um über die Bedeutung von Zivilcourage aufzuklären und Arbeit zur Gewaltprävention zu leisten. Hierbei sollen, wenn es nach Ayoub geht, in Zukunft auch die Schauspieler des Prime Time Theaters mithelfen.
Neue Helden darf man sich per Video wünschen
Die ersten 110 Videos sind bereits eingegangen. Einige werden auch bei den Aufführungen des Stückes eingebaut – als Einspieler, während sich die Darsteller umziehen.
„Die Berliner sind mit ihren Wünschen sehr bodenständig“, sagt Lang, „sie wünschen sich etwa einen Helden, der Hundescheiße in BVG-Tickets verwandelt oder bezahlbaren Wohnraum herzaubert.“
Außerdem kommen Themen wie Altersarmut, Umverteilung und Integration bei den kurzen Beiträgen vor. Das Stück ist ebenso politisch, erklärt Lang. Der Konformist soll als Bösewicht einen Diktator mimen, der keine Vielfalt zulässt – das sei auch Kritik an aktuellen politischen Figuren wie Donald Trump und den Inhalten der AfD, sagt Philipp Lang.
Zurzeit suchen die Schauspieler noch nach weiteren Sponsoren, die sich an der Aktion beteiligen. „Wir wollen Firmen zu überzeugen, auch pro Video einen gewissen Betrag an das Kieznetzwerk zu überweisen, erklärt Lang. Es könnten sich auch Privatpersonen beteiligen.
„The Weddingers“ soll vom 28. Juli bis zum Jahresende 20 Mal aufgeführt werden. Parallel laufen aber natürlich auch weiter die Episoden von „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“.
Prime Time Theater, Müllerstraße 163 in Wedding. Reservierungsanfragen online unter primetimetheater.de (per Klick auf die Veranstaltung); Karten kosten zwischen 8 und 17 Euro. Weitere Infos unter: www.dieweddingers.com. Videobeiträge können über die Homepage www.dieweddingers.com hochgeladen, oder per Facebook und Mail geschickt werden. Im Prime Time Theater selbst ist außerdem eine Video-Ecke eingerichtet.