Wohnraum in der Hauptstadt: Wo steht Berlin bei der Wohnungspolitik?
Die Berliner Koalition hat den Wohnungsbau zu einem Schwerpunkt erklärt. Doch die Bausenatorin und der Regierende Bürgermeister verfolgen nicht dieselbe Linie. Ein Überblick.
Ob es 80.000 Wohnungen sind, die in Berlin fehlen, oder ob es eher 130.000 sind – fest steht, dass es in Berlin an Wohnraum mangelt, insbesondere an bezahlbarem. Die Koalition hat den Wohnungsbau zu einem Schwerpunkt ihres Handelns erklärt. Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) und Bürgermeister Michael Müller (SPD) verfolgen aber nicht dieselbe Linie. Ein Überblick.
Was hat R2G versprochen?
Bis zum Ende der Legislaturperiode will der Senat laut Koalitionsvertrag 55.000 neue Wohnungen in Landesbesitz schaffen. Davon sollen mindestens 30.000 durch Neubau entstehen. Denn das Problem beim Kauf ist, dass dadurch kein neuer Wohnraum entsteht.
Bis 2025 soll der Bestand an kommunalen Wohnungen durch Neubau und Kauf auf mindestens 400.000 Wohnungen gesteigert werden. Die Koalition will dazu jährlich mindestens 6.000 Wohnungen mit den sechs landeseigenen Gesellschaften in Berlin bauen.
Was ist konkret geplant?
Rund 37.000 Wohnungen sollen in folgenden Quartieren entstehen: Blankenburger Süden, etwa 70 Hektar, Buch, rund 54 Hektar, Buckower Felder, etwa 10 Hektar, Wasserstadt Oberhavel, etwa 76 Hektar, Gartenfeld, rund 34 Hektar, und Europacity/Lehrter Straße als einziges echtes Innenstadtgebiet mit circa 44 Hektar.
Die beiden Standorte Michelangelostraße mit 30 Hektar und Schumacher Quartier mit 48 Hektar werden als Modellquartiere für ökologischen Neubau, Nutzungsmischung und innovative Mobilitätskonzepte entwickelt. In den drei neuen Stadtquartieren Johannistal/Adlershof, 20 Hektar, Köpenick, 50 Hektar, und Lichterfelde Süd, etwa 96 Hektar, werden darüber hinaus Grünflächen und Naturschutz besonders integriert, indem vorhandene Biotope geschützt und Biotopverbindungen realisiert werden.
Wer kann sich das leisten?
Mit dem Ankauf von Wohnungen, der Ausübung des Vorkaufsrechts und der neuen Sozialmiete, bei der sich die Miethöhe nach dem Einkommen richtet, will die Koalition erreichen, dass auch einkommensschwache Familien gute Wohnungen bekommen und sie sich auch leisten können.
Das soll einmal über die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften erreicht werden, zudem über Genossenschaften und „innovative Wohnprojekte“. Privaten Investoren macht Lompscher das Leben eher schwer. Private Bauvorhaben müssen laut Koalitionsvertrag zukünftig eine „höhere Sozialrendite“ durch Schaffung von neuen, bezahlbaren Wohnungen, Kita- und Schulplätzen sowie Grünflächen leisten.
Welche Konflikte gibt es?
Den Ansatz von Bausenatorin Lompscher, möglichst viele Akteure zu beteiligen, findet der Regierende zu langsam und schwerfällig, die Fokussierung auf den Mieterschutz zu einseitig. Die Stadt wächst und wächst, bald leben hier vier Millionen Menschen, es muss aus Müllers Sicht schneller gehen mit dem Bauen.
Lompscher will ihren Partizipationsleitfaden im Herbst vorstellen. Die Baubranche fürchtet, dass den Bürgern zuviel Macht eingeräumt wird, was Bauvorhaben verzögern und damit auch verteuern könnte. Müller hat die Materie mittlerweile an sich gezogen und führt Gespräche; er will auch die Genossenschaften zum Neubau bewegen.
Ein Problem ist der Mangel an bebaubaren Grundstücken. Hier gelang es Müller auf Bundesebene, die Weichen für eine erleichterte Übertragung von Bauland des Bundes auf die Länder zu bewirken. Derzeit wird eher der Stadtrand bebaut, weil in der Innenstadt kaum Grundstücke vorhanden sind.
Welche Flächen sind blockiert?
„Das Potenzialgebiet Elisabethaue wird zur Bebauung in dieser Legislaturperiode nicht weiter verfolgt“, heißt es im Koalitionsvertrag – ein Erfolg für die Grünen. Auch eine Bebauung des Tempelhofer Felds wird im Vertrag ausgeschlossen. Das allerdings stellte der Regierende dem Vernehmen nach vor kurzem in Frage. Zumindest eine Ecke des Feldes müsste man doch bebauen können. Man wird sehen.
Fatina Keilani