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Alles drin. Auch der Zoll, der Grenzveterinärdienst und die Pflanzengesundheitskontrolle sind im Cargo-Center angesiedelt. 
© Sebastian Gabsch

Der Basar am BER: Wo die Wirtschaft von Berlin und Brandenburg pulsiert

2013 wurde das Cargo-Center am BER eröffnet. Bis zu 100.000 Tonnen Luftfracht werden dort pro Jahr abgefertigt, darunter exotische Pflanzen und Pandas.

Das Coronavirus hat das Cargo-Center am neuen Hauptstadtflughafen quasi in den Winterschlaf versetzt. Bis zu 100.000 Tonnen Luftfracht können hier laut Flughafengesellschaft pro Jahr abgefertigt werden. Derzeit aber ist so gut wie nichts los in dem rund 12.000 Quadratmeter großen Kubus am Rande des Rollfeldes neben dem neuen Terminal. Die meisten Rolltore für die Lkw-Anlieferung sind geschlossen, die Tierkäfige der Veterinärstation verwaist und auf den Gängen hängt eine Atmosphäre des Wartens. Warten darauf, dass das Cargo-Center endlich das sein kann, für was es gedacht ist: Ein wichtiger Baustein der boomenden Logistikbranche in der Hauptstadtregion, Verteilstation für Waren aus der ganzen Welt.

„Bundesweit geht rund ein Drittel der deutschen Ausfuhren per Flugzeug ins Ausland. Die Luftfracht ist also von herausragender Bedeutung“, meint Torsten Jüling, Manager Aviation Marketing/Aircargo bei der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH. Vor allem um Berlin herum wurde in den vergangenen Jahren viel in die Infrastruktur für den Warentransport investiert. An vielen Stellen haben große Handelsunternehmen wie Amazon, Lidl und Zalando große Logistikcenter eröffnet. 2021 soll auch das neue Mega-Paketzentrum von DHL in Ludwigsfelde fertig sein. Der Versandriese investiert gut 90 Millionen Euro. Rund 600 neue Jobs sind geplant.

Dazu kommen fünf sogenannte Güterverkehrszentren in und um Berlin sowie zwölf kleinere und größere Häfen, wo Waren gelagert und von der Straße auf die Schiene oder auf das Wasser verladen werden können. Angaben der brandenburgischen Wirtschaftsförderung WFBB zufolge beträgt das geschätzte Umsatzvolumen der Branche in der Region knapp elf Milliarden Euro. Rund 200.000 Beschäftigte leben in Berlin und Brandenburg vom täglichen Geschäft mit dem Warenverkehr.

Geschäft um ein Drittel eingebrochen

Im Cargobereich des Hauptstadtflughafens arbeiten laut Jüling rund 400 Mitarbeiter. Bis zu Eröffnung des BER am 31. Oktober teilen sich die Flughäfen Tegel und Schönefeld noch die Arbeit. Dann soll alles über den neuen Airport gehen. Noch 2018/2019 wurden laut Flughafengesellschaft an beiden Standorten im Schnitt 80.000 Tonnen pro Jahr umgeschlagen. Im Moment aber geht erst einmal gar nichts mehr – zumindest in Berlin. Um rund ein Drittel sei das Geschäft wegen der Pandemie eingebrochen, sagt Jüling. Absurderweise profitieren dagegen große Flughäfen wie Leipzig oder Frankfurt/Main von der Coronakrise: In Frankfurt-Hahn etwa hat der Frachtverkehr laut des Statistischen Bundesamtes zwischen März und Mai im Vergleich zum Vorjahr um 57 Prozent zugelegt.

[Endlich fertig! Aus der Dauerbaustelle BER wird ein internationaler Flughafen. Doch viele Probleme bleiben. Lesen Sie alle Beiträge zum neuen Hauptstadtflughafen auf unserer Themenseite.]

Der Grund: Während in Frankfurt auch reine Frachtmaschinen landen, wird in Berlin nur sogenannte Beiladung abgewickelt, Waren also, die im Bauch herkömmlicher Passagierflieger verschickt werden. Weil das Passagieraufkommen aber den Statistikern zufolge im selben Zeitraum um 87,4 Prozent schrumpfte, kann in Berlin auch kaum etwas ausgeladen werden. Der Transport über reine Frachtflieger dagegen wuchs während des Lockdowns um 7,9 Prozent, gibt das Statistische Bundesamt an. In „normalen“ Zeiten dagegen wird laut dem Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft knapp 50 Prozent der Luftfracht in den Unterdecks von Passagierflugzeugen verschickt.

Die Nähe zu Osteuropa als Standortvorteil

Christian Böhm, Leiter des Zollamtes an den Berliner Flughäfen, geht davon aus, dass das Vor-Krisen-Niveau aus Tegel und Schönefeld am BER frühestens wieder 2022 erreicht wird. „Es hängt natürlich viel davon ab, dass ein Impfstoff gefunden wird.“ Grundsätzlich hält er die Perspektive des Standortes für glänzend. „Berlin hat einen Standortvorteil durch die Nähe zu Polen und Tschechien. Viele der Waren hier gehen heute schon direkt dorthin oder nach Weißrussland oder Russland“, sagt der Zollamtschef. Dazu kommen viele Lebensmittel und Produkte für den großen Berliner Markt, Obst und exotische Blumen aus Asien, Kräuter aus der Türkei, Zierfische für die Aquaristikläden aus Thailand. „Vor allem Waren für die vielen Asia-Läden in Berlin kommen meist per Luftfracht. Basilikum, Koriander – manchmal riecht es hier wie auf dem Basar“, berichtet Böhm.

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Damit der BER als Umschlagplatz richtig durchstarten kann, braucht es dem Zollchef zufolge noch weitere Direktverbindungen in Drittländer, am besten möglichst viele Langstreckenflüge nach Asien. Bisher werden von Tegel nur noch acht Fernziele angeflogen. 2017 hatte die damals bereits angeschlagenen Fluggesellschaft Air Berlin nahe zu alle Langstreckenverbindungen nach Berlin eingestellt. „Mit der Insolvenz ist damals viel weggebrochen“, erinnert sich Böhm. Für den BER erhofft er sich, dass andere Fluggesellschaften die Lücken auffüllen.

Vom Standort überzeugt. Torsten Jüling, Manager Aviation Marketing/Aircargo bei der Flughafengesellschaft (r.), und Christian Böhm, Leiter des Zollamtes an den Berliner Flughäfen.
Vom Standort überzeugt. Torsten Jüling, Manager Aviation Marketing/Aircargo bei der Flughafengesellschaft (r.), und Christian Böhm, Leiter des Zollamtes an den Berliner Flughäfen.
© Sebastian Gabsch PNN

Dann könnte das neue Cargo-Center vielleicht sogar an seine Kapazitätsgrenze gelangen. Errichtet wurde es nach einer europaweiten Ausschreibung durch die Dietz AG. Seit 2013 ist es in Betrieb. Die Abfertigung übernehmen die beiden Frachtabfertigungsunternehmen Wisag Cargo Service und Swissport Cargo Service. Nicht nur der Zoll, sondern auch der Grenzveterinärdienst und die Pflanzengesundheitskontrolle sind direkt im Center angesiedelt. Außerdem ist ein Kühlzentrum für 70 bis 120 Europaletten für zwei Temperaturzonen vorhanden, ebenso Röntgengeräte für Luftfrachtsendungen bis zu 1,80 mal 1,80 Meter.

Der wohl spektakulärste Import per Luftfracht der jüngeren Vergangenheit waren die beiden Pandabären Jiao Qing und Meng Meng, die Eltern der beiden Panda-Zwillinge Pit und Paule aus dem Berliner Zoo. Sie sind 2017 in Schönefeld gelandet und wurden im Cargo-Center im Empfang genommen. „Jedes Tier hatte seinen eigenen großen Käfig. Aber die waren so aufgeregt. Da kam man gar nicht nahe ran“, erinnert sich Böhm, der damals selbst die Artenschutzunterlagen der Bären geprüft hat.

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Aus der Hauptstadtregion dagegen werden zum Beispiel Ersatzteile für die Automobilindustrie oder Pharmaprodukte verschickt. Immerhin bis zu zehn Tonnen Beiladung kann ein Passagierflugzeug laut Jüling an Bord haben. Eine Volumen, dass auch für die Industrie interessant ist. „Schließlich gibt es um Berlin herum inzwischen einige große Unternehmen wie Rolls Royce, das Pharmaunternehmen Takeda in Oranienburg oder Mercedes-Benz in Ludwigsfelde“, sagt Böhm.

Auch einen weiteren großen Fisch hat man schon an der Angel: „Wir werden mit Sicherheit auch bei Tesla involviert sein. Wir stehen bereits in direktem Kontakt zum Unternehmen“, sagt Cargo-Center-Chef Jüling. In Grünheide, wenige Kilometer vom BER entfernt, lässt Konzernchef Elon Musk gerade seine erste sogenannte Gigafabrik in Europa errichten. Bereits im Sommer 2021 sollen dort die ersten Elektroautos vom Band rollen, bis zu 500 000 Fahrzeuge pro Jahr sind geplant. Für Musks Standortwahl war die Nähe zum Flughafen von großer Bedeutung.

Neuer  Rekord beim Flächenumsatz

Ein gutes Geschäft erwarten sich offensichtlich auch immer mehr andere Logistiker in der Region. Für 2019 meldete die BNP Paribas Real Estate für den Großraum Berlin einen erneuten Rekord beim Flächenumsatz von Logistikarealen. Mit 501 000 Quadratmeter konnte sogar erstmals die halbe Million geknackt werden, heißt es. Das bereits „starke Vorjahresergebnis“ sei dabei um 16,5 Prozent getoppt und der zehnjährige Durchschnitt sogar um „stolze 24 Prozent übertroffen“ worden, so die Banktochter. Damit sei bereits zum dritten Mal in Folge die 400 000-Quadtaratmeter-Marke übersprungen und der „beeindruckende Aufwärtstrend“ fortgesetzt.

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Getrieben wird die Nachfrage laut BNP Paribas von einem bemerkenswert breiten Branchenmix, vor allem aber von Handelsunternehmen, Logistikdienstleistern und der Industrie. Letztere gehört laut Brandenburgs Wirtschaftsförderung nach wie vor zu den Wachstumsträgern im Land. Allein 2018 entfielen 40 Prozent der neuen Arbeitsplätze auf die Industrie. „Von ihr profitieren Branchen wie die Logistik. Brandenburg ist 2019 zusammen mit Berlin erstmals zum Spitzenreiter unter den deutschen Logistikregionen aufgestiegen“, erklärte WFBB-Chef Steffen Kammradt erst vor Kurzem.

Auf mehr Arbeit ist man am BER jedenfalls schon eingestellt. Neben dem bestehenden Cargo-Center ist bereits Platz für ein zweites Luftfrachtzentrum, das Cargo-Center II. „Planfeststellungsbeschluss liegt vor. Wir können bei Bedarf sofort anfangen, zu bauen“, sagt Torsten Jüling.

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