Mit Westbam durch Berlin: Wo die Techno-Szene früher blühte
Wie so viele zog auch Westbam nach dem Mauerfall in den Osten Berlins. Ein Spaziergang mit einem der legendärsten Berliner DJs durch Prenzlauer Berg.
Westbam erscheint im legeren Outfit zum Spaziergang. Er trägt eine Jogginghose und eine Baseballcap, wobei Letztere natürlich sein Markenzeichen ist. Vielleicht lässt sich sein Look auch als Hip-Hop-Style deuten, passend zu seinem neuen, Ende Februar erscheinenden Album mit dem Titel „The Risky Sets“, auf dem zig Größen der amerikanischen Rapszene als Gäste vertreten sind.
Der vereinbarte Treffpunkt mit ihm ist der Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg. Er zeigt auf ein Haus direkt am Platz. „Im obersten Stockwerk befindet sich meine Wohnung“, sagt er. Seit gut einem Jahr ist er dort aber nur noch selten. Denn er lebt inzwischen auf Mallorca. Im Osten der Insel hat er sich eine Finca gekauft. Weit weg vom Partytourismus, wie er betont. Am Ballermann sei er in seinem ganzen Leben noch nicht gewesen.
Er kramt sein Handy aus der Tasche und zeigt ein paar Bilder von seiner neuen Heimat. Jede Menge traumhafter Sonnenuntergänge vor malerischen Strandkulissen sind darauf zu erkennen. Der DJ und Technoproduzent, der über drei Jahrzehnte lang die Partykultur Berlins mitgeprägt hat, lebt jetzt in einer Postkartenidylle – so gar nicht wie die alte Heimat. Seine beiden in Berlin aufgewachsenen Söhne, der eine 15, der andere 17 Jahre alt, würden die Ruhe dort freilich hassen.
Maximilian Lenz kam 1984 nach Berlin
Westbam spaziert in Richtung Helmholtzplatz. Gleich bei der ersten Ampel geht er bei Rot über die Straße. „Ich will auch mal bei Rot gehen“, sagt er und zitiert damit eine Textzeile aus dem schrägen Hit „Da vorne steht ’ne Ampel“ von Der Plan, die als Wegbereiter für die Neue Deutsche Welle gelten. Dann fügt er noch hinzu: „Man muss sich darum bemühen, ein schlechtes Vorbild zu sein.“
Er sagt ständig solche Sätze, bei denen man nie so recht weiß, ob er diese nun ernst oder ironisch meint. Er redet pausenlos. So wie er als DJ eine Partymeute unterhalten muss, so versucht er auch im ganz normalen Gespräch, alles dafür zu tun, um nicht zu langweilen.
Westbam, der eigentlich Maximilian Lenz heißt und in Münster geboren wurde, kam 1984 nach Berlin. Damals stand die Mauer noch. Zu Beginn der Achtziger war er noch Punk, entdeckte aber bald die Begeisterung für die Arbeit am Mischpult und legte regelmäßig im „Metropol“ in Schöneberg auf, damals eine der angesagtesten Diskotheken in ganz Westdeutschland. Er selbst wohnte in der Zeit mal in Schöneberg, mal in Charlottenburg. Nach der Wende zog das Nachtleben weiter in den Osten des wiedervereinigten Berlins und das „Metropol“ musste schließen. Auch Westbam orientierte sich dann irgendwann in Richtung Osten. Vor seinem Umzug auf die Balearen wohnte er 15 Jahre lang am Kollwitzplatz.
Er zeigt auf das Kollberg 35, direkt am Platz, eine Kneipe mit Gastrobetrieb. „Das war lange Zeit meine bevorzugte Nachbarschaftskneipe“ sagt er. „Jetzt ist das eine Ü-40-Disse.“ Ob in der mehr Schwaben zu finden sind als anderswo in der Stadt – schließlich befindet sie sich im Herzen von Prenzlauer Berg –, könne er nicht sagen. Michi Beck von den Fantastischen Vier, ein Stuttgarter, wohne zwar in der Nähe, „aber ansonsten kenne ich hier mehr Spanier und Mexikaner als Schwaben“.
Aus monotonem Dröhnen wurde Musik für die Charts
Er werde oft gefragt, ob er sich auf Mallorca seinen Altersruhesitz gesucht habe, erzählt er. Die Antwort: nein. Der Beweis sei sein neues Album und auch als DJ sei er schließlich immer noch an den meisten der Wochenenden im Jahr unterwegs. Auf seiner abgelegen Finca könne er außerdem genauso kreativ sein, wie in der Großstadt. „Du brauchst heute als DJ und Produzent keinen Plattenladen mehr ums Eck und auch kein Studio“, sagt er. Sein neues Album sei komplett am Laptop entstanden. Auf Mallorca und auf den vielen Flügen zu seinen DJ-Gigs.
Es fühlt sich an, als sei Westbam Berlin einfach entwachsen. Er hat Techno hier in den Achtzigern und Neunzigern mit groß gemacht. Auch dank ihm wurde aus monotonem Dröhnen Musik für die Charts. Er hat zig Loveparade-Hymnen geschrieben und mit der Mayday den Rave als Massenveranstaltung quasi erfunden. Er hat mit Techno richtig viel Geld verdient, so viel, dass man ihm den Ausverkauf einer ganzen Musikrichtung vorwarf.
Jetzt ist er 53 Jahre alt und will kein Hauptdarsteller mehr im Techno-Berlin sein. „Wer mit über 50 immer noch Teil einer Szene sein will“, sagt er, „dem ist sowieso nicht mehr zu helfen.“
Neue Songs mit Drake, Kendrick Lamar und Tyler The Creator
Er kommt nun dort an, wo in den „nuller Jahren noch die Szene war“: am Helmholtzplatz. Doch die kann sich die gestiegenen Mieten hier schon lange nicht mehr leisten. Cafés und Restaurants prägen jetzt die Gegend. Und Westbams Lieblingsjapaner ist ums Eck. „Auf Mallorca kann man super Fisch essen“, sagt er, „aber japanisches Essen vermisse ich dort einfach.“ Der Laden ist leider zu, gerne hätte er Seeigelsushi gegessen.
Ein Foodie sei er, sagt Westbam über sich selbst. Und einer derjenigen, die von seinem Essen Handyfotos machen und auf Instagram hochladen. Er fotografiert sowieso viel und andauernd, auch jetzt. Etwa Schuhe, die auf einer Fensterbank stehen, wohl zu verschenken. Zu den ersten beiden Tracks, die aus seinem neuen Album veröffentlicht wurden, gibt es Videoclips, beide gestaltet als ruckelige Bildcollagen. Die habe er selbst produziert, sagt er, einfach eigene Handyaufnahmen zusammengestellt und fertig.
Drake, Kendrick Lamar, Tyler The Creator – sie alle haben für Westbam auf der neuen Platte Songs aufgenommen. „Ich halte diese Rapper für die großen Poeten unserer Zeit“, sagt er. Deren Musik mit seiner zu verbinden, darum gehe es ihm bei seinem Album: „Bringt man etwas zusammen, was eigentlich gar nicht zueinander passt, entstehen dabei immer die besten Dinge.“
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