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Bürgeramt im Rathaus Neukölln. Viele Ämter sind überfordert.
© Mike Wolff

Personalmangel in der Verwaltung: Wo der Staat in Berlin versagt

Verwaltung und Justiz sind Herausforderungen oft nicht gewachsen. Der Staat verspielt Vertrauen, das er nur schwer zurückgewinnen kann. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fatina Keilani

Wo man auch hinschaut: Mangel. In Berlins Ämtern etwa: kein Termin, keine Hochzeit, kein Reisepass, keine Bauerlaubnis. Nicht einmal Antworten von Sachbearbeitern. Tagelange Schließungen von Jugendämtern. In der Justiz: zu viele Verfahren, zu wenig Richter, Staatsanwälte, Amtsanwälte. Immer mehr Terrorprozesse, zu wenig Sicherheitssäle, überhaupt zu wenig Räume. Ganz allgemein: ein Defizit beim Gesetzesvollzug.

Im Alltag herrscht daher oft die Grundannahme, dass Gesetzesverstöße schon nicht verfolgt werden, da erstens nicht genug Personal vorhanden ist und zweitens das vorhandene Personal nicht den Willen hat, sich anzustrengen, um das Recht durchzusetzen. Auch wenn einige diese Atmosphäre als besonderes Berliner Flair verklären: Dieser Zustand ist nicht gut. Der Staat muss verlässlich sein, auch in seinen Verfahren, sonst wird der Bürger verdrossen und unwillig, sich selbst an Regeln zu halten. Wie viel Staat nötig ist und was er leisten soll – das ist eine politische Frage, die der Diskussion bedarf. Darüber stimmen die Bürger bei Wahlen ab.

Was wäre das Minimum? In der Theorie ist das einfach. Drei Gewalten sind es, sie müssen in der Balance sein: Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung. Stößt der Gesetzgeber eine neue Norm aus, ist die Verwaltung gefragt, sie umzusetzen, und die Gerichte kontrollieren entweder, ob das richtig gemacht wurde, oder wenden sie – im Zivil- und Strafrecht – von sich aus an.

Es gibt nicht genug Richter

Jedes neue Gesetz startet eine Kausalkette. Jedes ihrer Glieder muss funktionieren, sonst verlagern sich nur die Probleme. Mit gutem Grund gibt es seit dem Jahr 2000 die Pflicht zur Gesetzesfolgenabschätzung. Ein sehr einfaches Beispiel ist der Ruf nach mehr Polizei. Im Haushaltsgesetz gibt es also mehr Stellen. Mehr Polizisten führen zu mehr Ermittlungsergebnissen und damit zu mehr Verfahren bei Staats- und Amtsanwaltschaft. Ist hier nicht genügend Manpower vorhanden, entsteht ein Stau, das Problem hat sich nur verschoben. Verfahren dauern dann entweder endlos, oder es kommt, wie derzeit in Berlin, zu massenhaften Einstellungen. Das Ziel, das Sicherheitsgefühl des Bürgers zu stärken, wird nicht erreicht. Gibt es zwar eine effektive Anklägerschaft, aber nicht genug Richter und Infrastruktur wie Gerichtssäle, verlagert sich das Problem weiter. An jedem dieser Scheiternspunkte entsteht Staatsverdrossenheit.

Nun kann nicht alles vorherberechnet werden. Auf die hohen Flüchtlingszahlen war keine Verwaltung eingestellt, dennoch kamen gut aufgestellte Länder besser damit klar. Die erheblich gestiegenen Zahlen von Asylverfahren, von Straftaten durch Flüchtlinge bis hin zu Terrorprozessen gegen im Schutz der Flüchtlingsströme eingereiste Islamisten können niemanden ernsthaft überraschen.

Auf die Berechenbarkeit des Staates kommt es an

Staatsverdrossenheit entsteht hier auch aus anderen Gründen, zum Beispiel dem Mangel an Abschiebungen. Auch hier gibt es die Kausalkette Gesetz, Ablehnung des Asylbewerbers, Erschöpfung des Rechtswegs, vollziehbare Ausreisepflicht. Und dann? Ist zum Beispiel der rot-rot-grüne Senat nicht willens, das umzusetzen. Das ist im Kern rechtsstaatswidrig. Und erzeugt – Staatsverdrossenheit.

Ein wichtiges Stichwort lautet: Berechenbarkeit. Wenn dies, dann das. In Berlin gibt es keine Berechenbarkeit. Kann sein, dass man einen Termin im Bürgeramt schnell bekommt und gut bedient wird. Kann aber auch nicht sein. Berechenbarkeit erzeugt Vertrauen. Vertrauen wiederum ist nicht leicht zurückzugewinnen, wurde es einmal verspielt.

Am Ende geht es darum, die Freiheit zu sichern. Ein verlässlich funktionierendes Staatswesen ist dazu da, dem Bürger die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit zu ermöglichen, und zwar in dem Rahmen, den das Volk sich selbst gibt, indem es – in seiner verkleinerten Form als Parlament – seine eigenen Gesetze macht. Die Verwaltung ist einzig dazu da, dem Bürger dabei zu dienen. Stringente Rechtsdurchsetzung ist mithin Volkes Wille.

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