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Vor 70 Jahren starb Adolf Hitler: Wo bitte geht’s zum Bunker?

Touristenscharen sind auf der Suche nach Hitlers Spuren in Berlin. Ein Fotograf hat nun Bilder veröffentlicht – und kann sich kaum mehr retten.

„Hier hat er sich umgebracht“, sagt ein junges Mädchen aus Schleswig-Holstein, und ihre Freundin fragt: „Und die Frau? Was war mit Frau Hitler?“ Gleich vier Touristengruppen aus Spanien, Deutschland, Italien und Polen trafen sich am Freitagmittag am Ausgang der Straße in den Ministergärten vor der Tafel „Mythos und Geschichtszeugnis Führerbunker“, in der Hitlers letzter Unterschlupf und sein Ende zweisprachig beschrieben werden. „Alle wollen das hier sehen, dabei gibt es eigentlich nichts zu sehen“, sagt der Fremdenführer. Ein Parkplatz, Autos, junger Ahorn – der Rest ist Fantasie.

Der Führerbunker war 1947 gesprengt und provisorisch zugeschüttet worden, später lag er im Grenzgebiet. Erst Mitte der achtziger Jahre hatte sich die DDR-Führung entschlossen, auf dem Gelände der ehemaligen Reichskanzlei entlang der Voß- und der heutigen Wilhelmstraße Neubauten für Wohnungen und Geschäfte zu errichten. Dazu mussten die Reste mehrerer Bunker beseitigt werden.

"Fahrerbunker" und "Führerbunker"

Ein kleinerer war der „Adjudantenbunker“, in der Nähe lag der bombensichere „Führerbunker“, in dem sich Hitler und Eva Braun 1945 das Leben nahmen. Und nahebei erstreckt sich – neben dem mit Wandmalereien verzierten „Fahrerbunker“, über den jetzt das Gras der Hessischen Landesvertretung wächst – der große Bunker der Reichskanzlei.

In all diesen Bunkeranlagen gelang es dem Berliner Architekturfotografen Robert Conrad, Fotos zu schießen – „das war spannend und gefährlich zugleich“, sagt er heute und ist erstaunt, welch ein Echo sein Fund von einer Kiste voller Negative gefunden hat. Mehrere Zeitungen haben die „verbotenen Schnappschüsse“ gedruckt, und schon brach ein Bildersturm los.

Die Internetseite einer Agentur, die die Bilder publiziert, war plötzlich überfordert und gab zeitweise ihren Geist auf, Amerikaner meldeten sich, um die Bilder zu kaufen, eine Schweizer Galerie möchte sie ausstellen. Ungeahnte Möglichkeiten tun sich für den Fotografen auf, der übrigens gerade für das Landesdenkmalamt den Flughafen Tegel von allen Seiten fotografiert.

"Der Führerbunker war nur noch ein schwarzes Loch, da stand ich bis zur Brust im Wasser"

Für Robert Conrad war die ganze Geschichte vor 25 Jahren ein abenteuerliches Unternehmen. Die Sprengung des Hitler-Bunkers durch das Berliner Tiefbau-Kombinat war zur Staatsaktion geworden. Im „Neuen Deutschland“ durfte nur eine kleine Meldung erscheinen. Robert Conrad zog sich einen Blaumann an, setzte einen Helm auf, packte seine „Praktica“-Kamera in die Aktentasche und verstaute eine Thermosflasche so, dass sie jeder sehen konnte: Der Werktätige war geboren. Und es klappte, klopfenden Herzens: 30 Mal marschierte er, wie selbstverständlich, auf die Baustelle, suchte Eingänge, durch die er in die Tunnel kam, und knipste im Halbdunkel die Reste der Vergangenheit.

„Der Führerbunker war nur noch ein schwarzes Loch, da stand ich bis zur Brust im Wasser“, sagt er. Besser erhalten zeigte sich der größte all der Bunker zwischen Voß- und Behrenstraße, jenes unterirdische Bauwerk, in dem die Angestellten der Reichskanzlei vor den Bomben der Alliierten Schutz suchten. Dieser Bunker existiert noch, er könnte – wenn der Investor, der das Gelände an der Voßstraße gekauft hat, dazu bereit wäre – geöffnet und denkmalgerecht hergerichtet werden. Dies würden der Chef der Berliner Unterwelten, Dietmar Arnold, und der Fotograf Robert Conrad begrüßen.

„Das Thema interessiert weltweit, Hitler ist ein Aufreger als grausamster Diktator der Weltgeschichte“, sagt Conrad. „Abreißen oder überbauen kann nicht die Lösung sein.“ Denkmalschutz wäre angebracht. Und er erinnert sich an das Gefühl, das er vor 25 Jahren beim Modergeruch des Luftschutzkellers der Neuen Reichskanzlei hatte: „Den Hall der eigenen Schritte zu hören, Dinge aus einem fernen Kapitel der Geschichte zu entdecken – das war wie eine Zeitreise.“

Der könnte ja von der Stasi sein

Auf den Bunker-Fotos sieht man nurmehr archäologisch interessante Gegenstände, verrostete Bettgestelle, leere Tresore, Entlüftungsanlagen, Notstromaggregate, Duschen, Stromverteiler, immer wieder Betonschrott und meterdicke Decken. Übrigens gab es eine seltsame Begegnung: Robert Conrad stieß in den Trümmern des Führerbunkers plötzlich auf einen Mann, der da seelenruhig Zeichnungen und Grafiken anfertigte. Ängstlich mied der Fotograf den Maler, er könnte ja von der Stasi sein.

Der Maler hatte dem Tagesspiegel vor Jahren die gleiche Episode andersherum erzählt: Auch er war halblegal auf der Baustelle tätig und dachte, der Fotograf sei von der Stasi. 25 Jahre danach können sich Conrad und der Maler Erhard Schreier beim Bier ihre Storys von damals erzählen.

Der Text erschien bereits 2013 im gedruckten Tagesspiegel.

Lothar Heinke

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