Weltmeister in Berlin: WM-Party am 15. Juli 2014 - waren auch Sie dabei?
Vor einem Jahr feierten die deutschen Fußballer ihren Titel auf der Fanmeile in Berlin. Und heute? Die Autogramme im Museum, der Flieger in Rüsselsheim – und was ist aus dem Jubel-Bus geworden? Eine Spurensuche.
Am 15. Juli 2014 war Berlin eine einzige Fanmeile. Millionen Menschen versammelten sich auf den Straßen, um die Fußball-Weltmeister von Rio in Empfang zu nehmen.
DER FLIEGER
Der Riesenvogel mit dem Slogan „Siegerflieger“ machte um 5.09 Uhr eine Biege über Hessen, ging bei Rüsselsheim in die Kurve, sank und setzte dann in Frankfurt am … aber diese Geschichte spielte am Dienstag – die eigentliche fand vor einem Jahr statt. Da war jenes Lufthansa-Flugzeug – Typ: B747-830, Code: D-ABYI, Lackierung: „Fanhansa-Siegerflieger“ – auf dem Weg nach Berlin. An Bord: der Weltmeister. Eigentlich heißt das Flugzeug „Potsdam“, aber der kurzfristig aufgeklebte Name „Siegerflieger“ war natürlich viel knackiger.
Die Maschine flog langsam über Spandau gen Innenstadt, machte eine Biege über die johlende Fanmeile und setzte dann um 10.08 Uhr in Tegel auf (dabei ist die Landebahn ziemlich kurz für so ein Riesenflugzeug). Eigentlich sollte das Flugzeug nur 18 Tage mit der Lackierung umherdüsen – jetzt fliegt sie nach Tokio, Rio, Rüsselsheim (wie man auf dieser Expertenseite nachlesen kann), und das bis zur EM 2016.
DIE BEGRÜSSUNG
In Tegel war’s damals ein hitziger Empfang mit allem berlinischen Pipapo: Fernseh-Live-Schalte, Feuerwehr-Löschfontänen, 1000 Fans auf der Besucherterrasse. Bevor aber Millionen Zuschauer die Herren Lahm und Löw mitsamt Pokal im sonnigen Berlin sehen konnten, starrten sie einem Typen bei der Ausübung seiner Arbeit zu: Ein Mann in gelber Warnweste lenkte die Flugzeugtreppe vorsichtig zum Flieger, klopfte an die Tür und drückte sie langsam auf – ein Moment, so magisch wie das Öffnen des Adventskalendertürchen.
Michael Bolz hieß der Mann, an dem vor allem eines auffiel: er hatte eine umgedrehte Kappe von Hertha BSC auf dem Kopf, gut sichtbar für Millionen Menschen. In der Hertha-Fanszene war das Lachen groß, Bolz sollte später als kleinen Dank ein Hertha-Trikot vom Klub erhalten, doch der Flughafenmitarbeiter blieb berlinisch unaufgeregt: „Die Hertha- Mütze setz’ ich nur unter der Dusche ab.“
DER BUS
Bei einer Fußballmannschaft samt Anhang sind Limousinen schwierig, aber dann wenigstens einen Luxus-Reisebus. Da hat der Hauptsponsor vom Salzufer natürlich was auf Lager. Damals diente der 476 PS-starke Mercedes-Benz Travego der Nationalmannschaft schon zwei Jahre als Team-Bus, inklusive dem ganzen Luxus-Schnick-Schnack, den natürlich ohnehin schon eingebaut ist.
Und umweltfreundlich ist er auch noch! Nur leider konnte die Weltmeister und ihren Pokal darin niemand sehen, weil die Scheiben verspiegelt sind. Was normalerweise praktisch ist, taugt zum Feiern leider so gar nicht. Deswegen stiegen die Jungs auf dem Weg zur Fanmeile in einen Love-Parade-tauglicheren Actros mit offenem Spezialanhänger und 625 PS um. Letzteres sollte sich beim Schneckentempo Richtung Pariser Platz als eher sinnlos erweisen. Die Idee zum „WM-Liner“ hatten die Mercedes-Verantwortlichen erst mit dem Rekordsieg gegen Brasilien und wurde in nur vier Tagen umgesetzt.
Nach dem 7:1 war klar, dass irgendwie gefeiert werden würde. Die rollende Bühne konnten sich Fans auf der Nutzfahrzeug IAA oder dem Truck-Grand-Prix nicht nur ansehen, sondern selbst nach oben steigen. Und jetzt? Steht der Truck im Werk Wörth am Rhein – und wartet auf den nächsten Titel. In elf Monaten beginnt die EM.
DIE BOCKWURST
Nach der langen Reise durch die Innenstadt bekamen die Jungs erstmal eine Bockwurst – nicht etwa an einem der Touri-Stände rund ums Brandenburger Tor, sondern in einer Bankfiliale. Perfektes Product-Placement an dieser Stelle (und damit ist nicht die Bockwurst gemeint, die ja eigentlich so gar nicht zu Berlin passt). Ob es die da heute immer noch gibt? Als besonderes Schmankerl in der Mitarbeiterkantine? Ist leider nicht überliefert.
DIE AUTOGRAMME
Was ist eigentlich mit Wowereits Autogrammsammlung passiert? Als sich die Nationalmannschaft in das Gästebuch der Stadt eintrug, hatte Klaus Wowereit die spontane Eingebung, alle gleich doppelt unterschreiben zu lassen. Einmal im dicken Buch und das zweite Mal auf seinen Redekarten. Natürlich nicht für sich, sondern nur fürs Sportmuseum! Ist ja schließlich das größte Sportmuseum Deutschlands, das braucht doch diese Unterschriften! Und obwohl es vorher keine Absprache gab (ach was...), wurde die unterschriebene Rednerkarte dem Museum übergeben.
Das wird zurzeit zwar saniert und hat somit keine eigene Ausstellung, aber das Schwule Museum hatte sich Anfang des Jahres die Unterschriften für die Ausstellung „Und das war auch gut so – 13 Jahre Klaus Wowereit“ ausgeliehen. Es war übrigens nicht die erste Spende, die Wowereit ans Sportmuseum machte. Als Regierender erhielt er immer wieder Geschenke, wie zum Beispiel Trikots und Eishockeyschläger der Eisbären. Hat er natürlich gern gespendet – wie auch den Weltrekordschuh von Leichtathletik- Weltmeister Usain Bolt von 2009 (genau, der mit dem offenen Schnürsenkel).
DER SÄNGER
Kaum eine Zeile ist so häufig gegrölt worden wie Andreas Bouranis „Ein Hoch auf uns“, so nervig wie der Song in Dauerschleife für viele auch war, irgendwann ist jeder mit eingestiegen. Andreas Bourani, dem der WM-Hit mehr passiert ist, als dass er ihn geplant hatte, konnte sein Glück kaum fassen, als er die (ZDF-gemachte) Weltmeisterhymne vor den Millionen auf der Fanmeile singen durfte.
Und heute? „Herzschmerz pur in der Stadt der Rosen“ schreibt der „Schlagerplanet“ über seinen letzten Auftritt beim Rosenheim Sommerfestival. Klingt eher nach „Hoch soll sie leben auf Omas Geburtstag“, ist aber eine durchaus ernstzunehmende Veranstaltung. Immerhin 9000 Leute waren da. Und übrigens: Bourani hat gerade ein neues Album herausgebracht. Im August tritt er nochmal auf – in Plauen und Wolgast.
DIE GAUCHOS
Eine Episode, die zum Glück ähnlich schnell vergessen war, wie die Sprintqualitäten von David Odonkor. Und dabei wollen wir es auch belassen.
DIE HELENE
Vor zehn Tagen war Helene Fischer im Olympiastadion, vor einem Jahr führte sie die jungen Herren in einer Polonaise über den Laufsteg und trällerte ihr Liedchen „Atemlos“ mit leicht geänderten Zeilen: „… unser aller Traum ist wahr/ wir haben den WM-Pokal! Nein wir wollen hier nicht weg, alles ist perfekt / Atemlos durch die Nacht / Spür’, was Fußball mit uns macht“. DJ Ötzi sang übrigens „Ein Stern, der Jogis Namen trägt“. Und dabei wollen wir es auch belassen.
DIE MEILE
War damals wochenlang gesperrt. Aber diese Nachricht kennen Sie ja. Ab dem heutigen Mittwoch, 22 Uhr, ist die Straße des 17. Juni übrigens wieder mal befahrbar.