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Der Trudelturm ist ein Wahrzeichen von Adlershof. Hier wurde Anfang der 30er Jahre Luftfahrtforschung betrieben.
© Imago/Schöning

Gute Zahlen für Berliner Projekt: Wissenschaftsstadt Adlershof wächst auch in der Pandemie

Der Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof ist auch im Krisenjahr 2020 kräftig gewachsen. Einige Unternehmen haben sogar profitiert.

Die Pandemie hat der Wissenschaftsstadt Adlershof kaum etwas anhaben können, im Gegenteil. Der größte Berliner Wissenschafts- und Technologiepark konnte im Krisenjahr 2020 weitere Firmen ansiedeln und Forschungsprojekte einwerben, die Zahl der Mitarbeitenden stieg in den 1200 Unternehmen auf rund 22 000. 

Die Firmen-Umsätze und Haushaltsmittel der Uni-Fakultäten und Forschungsinstitute sind um 6,8 Prozent auf 2,86 Milliarden Euro gewachsen. 

Roland Sillmann, Geschäftsführer des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts Adlershof (Wista) orientiert sich schon länger nicht mehr an der wirtschaftlichen Entwicklung Berlins – sein Maßstab ist China. „Bis 2017 wuchsen wir in etwa analog zu China, seitdem wachsen wir deutlich stärker“, sagte Sillmann auf der Bilanzpressekonferenz. Seit 2015 betrug das Wachstum 50 Prozent. 

Der Technologiepark Adlershof hat 30 Jahre nach seiner Gründung auch deutschlandweit einen guten Ruf, das Netzwerk zwischen den Instituten des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB), den Fakultäten der Humboldt-Universität und den inzwischen 569 Unternehmen allein im Kernbereich des Technologieparks habe sich in der aktuellen Krise als robust und flexibel erwiesen.

Allein 30 Unternehmen haben sich an der Bekämpfung der Pandemie beteiligt“, sagte die Staatssekretärin für Wirtschaft, Barbro Dreher (Grüne). „Das Konzept der Zukunftsorte scheint aufzugehen.“

Auch diverse Forschungsprojekte befassen sich mit dem Virus. Am Elektronen-Speicherring Bessy II konnte „ein Protein entschlüsselt werden, das für die Vermehrung des Virus wichtig ist“, sagte Jan Lüning, wissenschaftlicher Geschäftsführer am HZB. Das könnte bei der Entwicklung von Medikamenten helfen. Bei der Entwicklung neuer Solarzellen, einem der klassischen Forschungsfelder in Adlershof, sei am HZB ein neuer Weltrekord in Sachen Energieeffizienz aufgestellt worden. 

Für den kommenden Juni habe sich Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) angekündigt, um in Adlershof ein neues Kooperationsprojekt des HZB neu zu schaffen: In einem Katalyse-Labor solle die Produktion von klimafreundlichem Wasserstoff optimiert werden. Dafür stünden 50 Millionen Euro an Fördergeldern bereit. Gegenwärtig interessieren sich vermehrt Maschinenbaufirmen für den Standort, erklärte Sillmann. Das Thema autonomes Fahren gewinne an Bedeutung. Darauf bereitet sich die Wista mit einer Campus-Lizenz zum Aufbau eines 5G-Netzes vor, das noch in diesem Jahr in Betrieb gehen soll.

20 Prozent der Fläche ist noch zu haben

Die Chancen für 2021 schätzten die Unternehmen in Adlershof insgesamt besser ein als für 2020, sagte Sillmann. Das gilt allerdings nicht für alle. Rund 23 Prozent der befragten Unternehmen erwarteten Umsatzrückgänge, etwa 30 Prozent hätten derzeit einen Teil ihrer Beschäftigten in Kurzarbeit, ein Drittel der Firmen habe staatliche Hilfen in Anspruch genommen. 

In der Bilanz sind nicht nur forschungsintensive Mittelständler enthalten, sondern auch kleine Restaurants und Dienstleister, die unter der Pandemie ähnlich zu leiden haben wie in anderen Regionen der Stadt.

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Das Wista-Gelände erstreckt sich inzwischen auf 4,2 Quadratkilometer, rund ein Fünftel der Fläche sei noch ungenutzt. Die Zahl der Interessenten übersteige allerdings das Angebot, sagte Standortmanager Walter Leibl.

Das Quartier der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR an der Rudower Chaussee ist größtenteils fertig entwickelt, dort haben sich neben hochspezialisierten Hightechfirmen auch große Autohäuser wie Audi und Porsche angesiedelt. Die Allianz-Versicherung hat vor zwei Jahren einen neuen Campus bezogen. 

Direkt an der Autobahn wurde im vergangenen Jahr die „Brainbox“ fertig, eine 300 Meter lange Büroschlange mit 24 000 Quadratmetern Nutzfläche. Wegen der Pandemie hat sich zwar die Eröffnung des Hauses verzögert, aber der Chef der Entwicklerfirma ProfiPartner, Dirk Germandi, weist Spekulationen zurück, wegen des Trends zum Homeoffice könnte die Vermietung ins Stocken geraten.

„Das Gebäude ist zu 90 Prozent vermietet, davon die Hälfte mit einem Großmieter, einem namhaften deutschen Konzern.“ Um wen es sich handelt, will Germandi nicht verraten. Neben der Brainbox sind drei weitere Projekte im Bau, die großflächigen Büroraum schaffen.

Forschungszentrum "Industrie 4.0" wird gebaut

Die Wista GmbH kümmert sich inzwischen auch um die landeseigenen Flächen auf dem ehemaligen Industrieareal der AEG in Oberschöneweide. Dort möchte die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) ihren Campus erweitern. Doch statt der angestrebten großen Lösung unter Einbezug des denkmalgeschützten Peter-Behrens-Baus – 1917 als Automobilfabrik errichtet – wird es wohl nur eine kleine Erweiterung geben.

Die Wista soll auf einer Brache neben der HTW ein „Innovations- und Technologiezentrum Industrie 4.0“ errichten. Das ITZ, geplante Kosten etwa 35 Millionen Euro, hat nach einer längeren Hängepartie zwischen den Senatsverwaltungen jetzt die Zusage bekommen, wie Staatssekretärin Dreher bestätigte. Die Wista will noch in diesem Jahr die baulichen Planungen mit dem Bezirk abstimmen.

Thomas Loy

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