Potsdam nach Sturm "Xavier": „Wir sind heftig getroffen worden“
Schlösser- und Gärten-Chef Hartmut Dorgerloh zieht Bilanz nach dem Orkan „Xavier“.
Herr Dogerloh, wo waren Sie, als der Orkan „Xavier“ vor drei Wochen wütete?
Ich war in Südfrankreich. Aber der Sturm hatte so eine Dimension, dass mich meine Mitarbeiter sofort informiert haben, obwohl ich im Urlaub war.
Was waren Ihre ersten Gedanken?
Mein erster Gedanke war: Hoffentlich passiert keinem Menschen etwas. Täglich radeln zum Beispiel hunderte Studierende zur Universität am Neuen Palais.
Haben Sie daran gedacht, den Urlaub abzubrechen?
Das war in dem Fall keine Option, weil der Orkan ja zeitlich begrenzt war. Das Wichtigste war, die Parks wieder begehbar zu machen. Unsere Ablaufpläne sind da sehr gut. Wir sind heftig getroffen worden, aber nicht dramatisch. Dramatisch wäre es, wenn Personen verletzt worden wären. Dann wäre ich auch nach Hause gekommen.
Wie sehen diese Ablaufpläne aus?
Unwetter-Warnstufe Rot heißt, die Parkanlagen werden geschlossen. Das hat auch geklappt, die Anlagen waren zu. Leider wollten das nicht alle Menschen akzeptieren. Einige haben zum Beispiel trotzdem versucht, durch die Parks nach Hause zu radeln. Als unsere Mitarbeiter sie daran hindern wollten, wurden sie teilweise arg beschimpft.
Das war am Tag des Sturms selbst?
Ja, und auch noch danach. Insgesamt sind in den Gärten der Stiftung 240 Bäume sofort umgefallen. Das größere Problem waren aber die Baumkronen. Allein 270 wurden komplett zerstört. In vielen Kronen aber stellten schwere, frei hängende Äste eine Gefahr dar, sodass wir aus Sicherheitsgründen die Parkanlagen noch ein paar Tage geschlossen halten mussten.
Welcher Verlust trifft Sie persönlich besonders?
Am meisten tut es mir um die alten Bäume leid. Gerade im Neuen Garten im Norden Potsdams hat es ein paar große Eichen getroffen. Da denkt man sich: Die haben jetzt 180 Jahre hier gestanden und fallen dann einem einzigen Sturm zum Opfer.
Welche Auswirkungen hat „Xavier“ auf die laufenden Arbeiten?
Eigentlich müssten jetzt Tulpenzwiebeln gesteckt, Wiesen gemäht und Laub beräumt werden. Dazu kommt nun aber noch die Schadensbeseitigung. Die großen Wunden in den Bäumen müssen versorgt werden, weil dort sonst Schädlingsbefall droht. Durch „Xavier“, aber auch durch den vielen Regen im Sommer, der die Wege ausgespült hat, steigt der Pflegebedarf enorm. Wir sind im Normalprogramm massiv beeinträchtigt.
Wie teuer wird das Aufräumen?
Es wird knapp 600.000 Euro kosten, die Schäden zu beheben und Bäume nachzupflanzen. Das Ganze wird noch mindestens ein Jahr dauern, also bis zur Wintersaison 2018/19.
Müssen Sie deshalb auch Restaurierungen an Gebäuden aufschieben?
Ja, wir werden einige Arbeiten an den Gebäuden sowie Pflegemaßnahmen verschieben müssen. Was das konkret sein wird, prüfen wir gerade. Aber die Summe ist kein Pappenstiel. Unsere Gartenabteilung hat im Jahr zwei Millionen Euro zur Verfügung. Davon müssen wir jetzt fast ein Drittel außerplanmäßig ausgeben. Das bleibt nicht ohne Folgen.
Wie kann man als Bürger helfen?
Besuchen hilft. Da kann man das Nützliche mit dem Schönen verbinden. Das Alte Schloss Charlottenburg mit seinen historischen Prunkräumen ist seit Anfang Oktober wieder geöffnet. Darüber hinaus freuen wir uns über jede Spende und bieten Baumpatenschaften an.
Fürchten Sie den nächsten Sturm?
Ich hoffe, dass er nicht so bald kommt. Wir hatten 2017 bisher vier Sperrungen in den Parks – mehr als in den vergangenen Jahren. Es gab immer mal einzelne Unwetter, aber noch nie so flächendeckend und so früh im Jahr. Das bestätigt uns, dass wir der Frage nachgehen müssen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf historische Parkanlagen hat (siehe Infokasten). Außerdem müssen wir alles dafür tun, dass sich solche Ereignisse nicht noch mehr häufen. Wir stellen zum Beispiel unsere Fahrzeugflotte gerade von Diesel auf Elektro um.
Gibt es Präventionsmaßnahmen?
Wir können nur weiter die Baumkontrollen durchführen und hoffen, dass Menschen durch Ereignisse wie „Xavier“ sensibilisiert werden und nicht durch die Parkanlagen fahren, wenn sie gesperrt sind. Ansonsten werden wir uns auf solche Ereignisse leider einstellen müssen.
Das Gespräch führte Florian Schumann.