Weihnachtsgeschäft vor hartem Lockdown in Berlin: „Wir rechnen damit, dass es nächste Woche knallt“
Vor dem harten Lockdown besorgen viele noch die letzten Weihnachtsgeschenke im Einkaufszentrum. Doch ein mulmiges Gefühl bleibt immer.
Vorweihnachtstrubel sieht anders aus. Am Freitagmittag füllen sich die Neukölln Arcaden nur sehr langsam: In den meisten Geschäften stehen Verkäuferinnen herum und warten auf Kundschaft, jene verirrt sich vereinzelt in die Buchhandlung oder das Schreibwarengeschäft.
Auch am Parfumstand im ersten Stockwerk kommen nur einzelne Personen vorbei, mal stellt jemand eine Frage. Die Verkäuferin sitzt entspannt hinter ihrem Rechner. „Am letzten verkaufsoffenen Sonntag war hier eine Menge los. Heute ist kein Vergleich dazu“, sagt sie.
Der bevorstehende harte Lockdown, den der Berliner Senat voraussichtlich für kommende Woche beschließen will, zeigt offenbar noch keine Auswirkungen. Ist das jetzt Vernunft oder die Ruhe vor dem Shoppingsturm?
Der Einzelhandel in Berlin dürfte unter einem harten Lockdown in der Vorweihnachtszeit erheblich leiden. Aufgrund der bisherigen Einschränkungen verzeichnete der Handel mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft zum Teil deutliche Einbußen. Der
Geschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg Nils Busch-Petersen sprach von Umsatzeinbußen zwischen 20 und 50 Prozent im Vorjahresvergleich. „Das Weihnachtsgeschäft findet nicht statt“, sagte er. Aus den Reihen des Verbands hieß es zudem, dass rechtliche Schritte wegen der Absage des verkaufsoffenen Sonntags diese Woche geprüft würden.
Letzte Weihnachtseinkäufe mit mulmigem Gefühl
Doch nicht alle glauben, dass der Shoppinghype ausfallen wird. So etwa Frau Nesemann. Sie besorgt im Media Markt noch schnell die letzten Geschenke. Auch aus Angst, dass es in den kommenden Tagen zu voll werde.
Nesemann glaubt, dass viele Berliner vor dem harten Lockdown noch mal in die Geschäfte rennen werden. „Ich wollte alles erledigen, bevor es hier viel zu voll wird“, sagt sie. Aktuell fühle sie sich wohl, die Abstände würden gut eingehalten werden.
Kritischer sieht das eine Promoterin, die in den Arcaden arbeitet. Die junge Frau mit den rotblonden Haaren wundert sich darüber, wie viele Menschen trotz der stetig hohen Fallzahlen einkaufen gehen. Es seien zwar viel weniger als die vergangenen Jahre in der Vorweihnachtszeit. „Für einen ’Lockdown Light’ sind aber definitiv zu viele Menschen hier unterwegs.“
Auch Indu von Essen hat ein mulmiges Gefühl beim Einkaufen. Die Neuköllnerin braucht noch Weihnachtsgeschenke für ihre Eltern, zwei nette Bücher sollen es sein. Wenn der Einkauf erledigt ist, gehe sie direkt wieder nach Hause. „Die Menschen tragen zwar Maske, aber ihr sonstiges Verhalten ist nicht sehr vorsichtig.“
„Wir rechnen damit, dass es nächste Woche knallt“
Weiter ans andere Ende der Karl-Marx-Straße: zum Karstadt am Hermannplatz. Auch hier scheint die Parfümerie- und Pralinenabteilung erstaunlich leer zu sein. Lediglich vor der Post und in der Buchhandlung bilden sich Schlangen. Die Buchhändlerin erwartet - im Gegensatz zu den Händlern in den Arcaden - vor dem Lockdown einen großen Ansturm.
„Wir rechnen damit, dass es nächste Woche knallt“, sagt sie. Sie schließt nicht aus, dass die Nachfrage die im „normalen“ Weihnachtsgeschäft übersteigt.
Yusuf Ates könnte davon nur träumen. Ihm gehört der „Schnäppchenmarkt“ am Hermannplatz/Ecke Karl-Marx-Straße. In der Pandemie läuft das Geschäft so schlecht, dass er befürchtet, die Ladenmiete bald nicht mehr bezahlen zu können. Besonders die Laufkundschaft fehle.
Er habe nun die Auswahl in seinem Geschäft erhöht, um die Verkaufschancen zu steigern: Kleidung, Dekoration, Schreibwaren und Masken gibt es dort in variantenreicher Ausfertigung. „Aber es kommen einfach keine Kunden.“ Ein harter Lockdown werde seine Situation nur verschlimmern, sagt er.
Kunden halten Lockdown für richtig
Auch in der Mall of Berlin am Potsdamer Platz ist es an diesem Freitag leerer als sonst in der Vorweihnachtszeit. Das berichten sowohl Kunden als auch Einzelhändler. Schlangen bilden sich einzig vor einer beliebten Kosmetik-Kette.
Nur acht Personen dürfen den Laden betreten, am Eingang achtet eine Verkäuferin darauf, dass die Kunden sich die Hände desinfizieren. „Man kann die Situation nicht mit den Vorjahren vergleichen, aber jetzt gerade ist schon viel los, hier kaufen die Leute viele Geschenke, wenn wir dicht sind, haben sie ein Problem.“
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können. ]
Ein junges, modisch gekleidetes Pärchen wollte heute schnell alle Weihnachtsgeschenke besorgen, bevor „alles dichtmacht“. Die beiden - sie sind etwa Mitte zwanzig - halten den Shutdown für einen richtigen Schritt. „Bei uns in Spandau stehen die Leute schon vor den Geschäften in der Schlange, kein Abstand. Und an die Maskenpflicht in den Malls hält sich ja auch nicht jeder.“
Weihnachtsstimmung will nicht so recht aufkommen
Margit Große ist heute aus Neukölln in die Mall of Berlin am Potsdamer Platz gekommen, weil ihr noch ein Geschenk für ihre Enkeltochter fehlte, dass sie nur hier bekommt. „Ich habe dabei schon schon ein sehr ungutes Gefühl, ich bin nur ganz schnell rein und wieder raus.“
In diesem Jahr besorgt die Tochter der 75-Jährigen die Geschenke weitestgehend für sie. Große ist erleichtert, dass die Geschäfte voraussichtlich schließen werden. Sie sei nie ängstlich gewesen, aber jetzt empfindet sie die Situation als bedrohlich. Ihre Tochter arbeitet in einem Krankenhaus, sie sorgt sich. Es sei viel weniger los als sonst in der Vorweihnachtszeit, sagt Große.
„Normalerweise stehe ich ewig in dem FC-Bayern-Shop hier in der Schlange, heute: nichts.“ Margit Große wollte auch ein bisschen von der weihnachtlichen Stimmung in dem Einkaufscenter aufsaugen, die Musik, die festliche Beleuchtung. „Das ist für mich in diesem Jahr ganz sicher das letzte Mal, dass ich mich in so eine Situation begebe.“
Im Alexa-Einkaufszentrum hingegen winken die meisten, nach Weihnachtsgeschenken gefragt, ab. Das sei längst unter Dach und Fach, sagen sie. „Die Leute warten doch schon seit langem auf den Lockdown und haben schon alles gekauft“, ist sich Ariane Jebauer sicher.
„Wir haben ältere Menschen in der Familie, die wir gerade nicht sehen können, wir wollen einfach nur, dass das aufhört.“ Mit ihrem Mann ist Jebauer heute in der Mall, um eine neue Brille abzuholen, ansonsten seien sie gerüstet für das Fest.