zum Hauptinhalt
Teilnehmer einer Gaza-Demonstration in Berlin.
© dpa

Antisemitismus auf Gaza-Demos in Berlin: "Wir müssen Recht und Gesetz durchsetzen"

Hochrangige Beamte der Berliner Polizei kritisieren den Kurs ihrer Führung bei Anti-Israel-Sprüchen auf Gaza-Demonstrationen. Am Dienstag gab es erneut Proteste. In sozialen Netzwerken werden jetzt auch Journalisten und Fotografen bedroht.

Ein hochrangiger Berliner Polizeibeamter fordert ein schärferes Durchgreifen bei antisemitischen Parolen auf arabischen Demonstrationen. „Die Polizei muss einschreiten“, sagte der Leiter der Polizeidirektion 6, Michael Knape, am Dienstag dem Tagesspiegel. Die Parole „Jude, Jude, feiges Schwein“ sei „hart an der Grenze zur Volksverhetzung“, sagte Knape. Dass die Polizei in den vergangenen Tagen diese Parole toleriert habe, sei „falsch“, sagte Knape weiter. Derartige Parolen gefährdeten die öffentliche Sicherheit, sagte der Beamte, dabei sei es egal, ob sie als Volksverhetzung oder nur als Beleidigung eingestuft seien. Denn Juden und Israelis bekämen Angst, wenn derartige Parolen offen skandiert werden.

Da die öffentliche Sicherheit „zentrales Schutzgut des Versammlungsrechts“ sei, so Knape, habe die Polizei die Pflicht, einzugreifen. Der Anmelder der Demo müsste angewiesen werden, das Skandieren antisemitischer Parolen zu unterlassen, beschrieb Knape das Vorgehen. Wenn sich die Teilnehmer nicht daran halten, „könnte die Demonstration in letzter Konsequenz aufgelöst werden“. Knape, der auch Professor an der Fachhochschule für Rechtspflege ist, hat zahllose Einsätze bei Großdemonstrationen geleitet. „Wir müssen Recht und Gesetz durchsetzen, sonst bahnt sich der Mob seinen Weg“, sagte Knape.

Schilder mit der Aufschrift "Kindermörder Israel"

Auch andere leitende Polizeibeamte haben am Wochenende das bisher zögerliche Verhalten des Berliner Präsidiums kritisiert, wollen jedoch nicht namentlich genannt werden. So war am Donnerstag auf dem Kurfürstendamm immer wieder die Parole „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein“ gebrüllt worden. Nach heftigen öffentlichen Protesten hatte sich Innensenator Frank Henkel (CDU) erst am Montag zu Wort gemeldet und ein „konsequentes Vorgehen gegen antisemitische Äußerungen“ angekündigt. So waren bei den beiden Demos am Montag und Dienstag „aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ drei Parolen über das Versammlungsrecht untersagt: „Tod Israel“, „Tod den Israelis“ und „Jude, Jude, feiges Schwein“.

Am Dienstagnachmittag zogen erneut etwa 350 Menschen vom Potsdamer Platz zur Allee „Unter den Linden“, um gegen den Militäreinsatz in Gaza zu demonstrieren. Die meisten waren Frauen palästinensischer Herkunft, viele verschleiert. Etliche Demonstrantinnen hatten Kinder und Babys dabei, oft in palästinensischen Farben gekleidet und mit rot beschmierten T-Shirts, die symbolisch das Blutvergießen im Gazastreifen anprangern sollten. Auf Schildern waren Parolen wie „Kindermörder Israel“ zu lesen. Im Gegensatz zu anderen, aggressiveren Demonstrationen waren nur sehr wenige junge arabische Männer dabei.

Aufruf zum Sturm auf den Axel-Springer-Verlag

Am Montagabend hatte der Einsatzleiter der Polizei nach Informationen des Tagesspiegels während der Pro-Gaza-Demo vor der israelischen Botschaft in Schmargendorf eine weitere Auflage nach dem Versammlungsgesetz erlassen. Danach war das Skandieren der Parole „Feige Mörder Israel“ untersagt. Einige der 300 Teilnehmer versuchten die Polizeisperren zu durchbrechen. Die Transparente verstießen nicht gegen die Gesetze, „Kindermörder Israel“ und „Deutschland finanziert – Israel bombardiert“ sind vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Zwei arabischstämmige Männer gerieten laut Polizei aus privaten Gründen während der Kundgebung massiv aneinander, beide erhielten Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung. Im Anschluss an diese Demonstration unter dem Motto „Solidarität mit dem palästinensischen Volk im Gazastreifen“ warfen Teilnehmer der Kundgebung am S-Bahnhof Hohenzollerndamm Steine auf Polizisten. Die Beamten nahmen 13 Personen vorläufig fest.

Stunden nach dieser Kundgebung versuchte ein 46-Jähriger, sich vor der israelischen Botschaft selbst zu verbrennen. Der Mann hielt sich gegen 23.45 Uhr ein Feuerzeug an ein Hosenbein, das in Brand geriet. Polizisten konnten die Flammen mit einer Decke schnell ersticken. Der staatenlose Palästinenser kam mit leichten Verletzungen in ein Krankenhaus und anschließend in die Psychiatrie. Laut Polizei ging es ihm um den Krieg in Gaza.

Unterdessen wird die Hetze in sozialen Netzwerken gegen Fotografen und Zeitungen immer massiver. So werden regelrechte Steckbriefe von Fotografen verbreitet, weil diese „für Zionisten“ arbeiten. Auf einer Facebookseite wird zum Sturm auf den Axel-Springer-Verlag aufgerufen. Auch der Tagesspiegel wird für seine Berichterstattung attackiert.

Zur Startseite