Konferenz zu Clankriminalität in Berlin: „Wir brauchen Jahre um sichergestellte Laptops auszuwerten“
Sicherheitsexperten sehen erste Erfolge im Kampf gegen Clankriminalität. Die Ermittlungen sind allerdings mühselig und zeitaufwändig.
Die Polizei der Europäischen Union fordert die deutschen Behörden zu intensiveren Geldwäsche- und Schwarzgeldermittlungen auf. Bei einer von Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) organisierten Tagung in Berlin sagte der Europol-Chefermittler für organisierte Kriminalität (OK), Jari Matti Liukku, dass in anderen Staaten öfter gegen das Finanzgebaren einschlägiger Banden ermittelt werde.
In Deutschland konzentriere man sich bei OK-Ermittlungen bislang auf Drogendelikte, auch wenn in Berlin im vergangenen Jahr 77 Immobilien vorläufig konfisziert wurden, die von einer deutsch-arabischen Großfamilie mit Beutegeld erworben worden sein sollen.
Chefermittler Liukku fügte hinzu, dass seine Behörde noch nicht über genug Daten verfüge – bislang führe Europol 96 Männer aus Deutschland als Verdächtige aus dem Clanmilieu. Noch haben sich die deutschen Behörden nicht auf eine bundeseinheitliche Definition von „Clankriminalität“ geeinigt, derzeit werden in den Bundesländern sogenannte Lagebilder erstellt. Allein in Berlin werden polizeiintern bis zu 1000 Männer einschlägig bekannten Clans zugerechnet.
Razzia gegen libanesische Schleuser
„Wenn es gelingt, bundesländerübergreifend und staatenübergreifend zu arbeiten“, sagte Senator Geisel, „sind wir schon einen ganzen Schritt weiter.“ Senator Geisel sagte, der Kampf gegen die von der Politik lange ignorierte Clankriminalität sei ein Marathon, der Staat habe „gerade 1000 Meter“ zurückgelegt.
Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik kündigte an, sich intensiver mit Europol auszutauschen. Der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, der ebenfalls anwesend war, sprach von einer „mehrjährigen Anstrengung“ seiner Behörde: Die deutschen Stellen seien im Kampf gegen die OK aktiver geworden, müssten aber „noch lernen“.
Auch am Donnerstag gab es eine Razzia in Berlin und drei weiteren Bundesländern: Dabei ging die Bundespolizei gegen einen libanesischen Clan wegen des Verdachts der banden- und gewerbsmäßigen Schleuserkriminalität vor. In Rheinland-Pfalz wurden zwei Haftbefehle vollstreckt.
Oberstaatsanwalt: „Warten jahrelang auf Auswertung sichergestellter Laptops“
Der für OK zuständige Berliner Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra sprach auf der Tagung der Innenverwaltung von acht zumeist arabischen Clans in der Hauptstadt, die auffallend viele kriminelle Angehörige hätten: „Sie vermitteln die Aura, dass ihnen der Staat nichts anhaben kann.“ Durch Einschüchterung seien die Clans „in der Lage, nahezu jeden Zeugen zu manipulieren“ – Betroffene hätten sogar Probleme, einen Rechtsbeistand zu finden, weil selbst Anwälte ein Mandat ablehnten, wenn sie hörten, welcher Clan auf der Gegenseite stehe.
Kamstra beklagte sich zudem darüber, dass es der Justiz an Technik und Personal fehle: „Wir warten zuweilen monate- oder gar jahrelang auf die Auswertung sichergestellter Laptops.“ Nötig sei es auch, Zeugen aus dem Clanmilieu möglichst zügig im Beisein eines Richters oder bei laufender Videokamera zu vernehmen, denn oft beriefen sich jene Zeuge einige Tage später auf „Erinnerungslücken“.
Polizeipräsidentin: „Strategie der Nadelstiche“ stört Clans
Senator Geisel hatte vor einem Jahr zu einem Berliner Clan-Gipfel geladen: Polizei, Bezirksämter, Zoll, Jobcenter, Finanz- und Justizverwaltung sollen sich seitdem enger austauschen und Einsätze besser absprechen. Der damals vom Senat beschlossene Fünf-Punkte-Plan – der unter anderem auch Verkehrsdelikte im Clanmilieu durch Großeinsätze ahnden soll – zeige nun Erfolge.
Die „Strategie der Nadelstiche“ störe die Clankriminellen tatsächlich, sagte Polizeipräsidentin Slowik, nur dürfe der Druck jetzt nicht nachlassen. In Berlin habe es seit Jahresanfang 237 Polizeieinsätze gegen Clans gegeben, 55 davon mit dem Zoll, Jobcentern und Finanzämtern, die meisten im Bezirk Neukölln.
Hannes Heine
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