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Das 1994 erschaffene Rad ist stark verrostet und hat scharfe Kanten, die nun entfernt werden müssen.
© Andreas Hartmann

Nach der Castorf-Ära: Wie weiter mit dem Volksbühnen-Rad?

Das Volksbühnen-Rad ist zurück in Berlin und wird nun in Oberschöneweide restauriert. Doch wie es dann mit dem Relikt der Castorf-Ära weitergeht, ist unklar.

Da ist es, an eine Wand in der Oberschöneweider Werkstatt des Designers Rainer Haußmann gelehnt: das Räuberrad, das berühmte Wahrzeichen der Berliner Volksbühne, das eine Weile lang verschwunden war. In drei Teilen zerlegt, so wie nach Meinung vieler Kritiker die Volksbühne selbst, nachdem ihr ewiger Intendant Frank Castorf seinem Nachfolger, dem umstrittenen Chris Dercon, weichen musste.

Die Skulptur, die Haußmann 1994 anlässlich von Castorfs „Die Räuber“-Inszenierung auf dem Rosa-Luxemburg-Platz vor der Volksbühne errichtete, wurde spätestens letzten Sommer zum Symbol für den widerständigen Geist der Volksbühne. Castorf verließ widerwillig sein Theater und wollte dessen Symbol einfach erst einmal mitnehmen, auch um zu zeigen, dass da eine Ära – seine Ära – zu Ende geht.

Doch das Rad wollte nicht so recht. Unter großem Jubel und Beifall der Castorf-Fans ließ es sich nur mit großer Mühe aus seiner Verankerung lösen.

Castorf ließ es dann ins französische Avignon verfrachten, wo er als Gastregisseur „Die Kabale der Scheinheiligen“ inszenierte. Wenn Castorf schon nicht an der Volksbühne bleiben durfte, wollte er diese wenigstens symbolisch ein Stück weit an sich binden. Vor der Spielstätte in Frankreich stand die Skulptur dann eine Weile herum, während in Berlin weiter über die Zukunft der Volksbühne gestritten wurde. Nun ist das Räuberrad wieder in seiner Heimatstadt und wird erst einmal restauriert.

„An manchen Stellen hat sich der Hunde-Urin durch das Metall gefressen“

39.000 Euro stehen dazu zur Verfügung, sagt Daniel Bartsch, Pressesprecher der Senatskulturverwaltung, die in Volksbühnen-Angelegenheiten das Sagen hat. Wie genau die Restauration aussehen soll, darüber gibt es freilich noch Dissens, aber das ist man ja inzwischen gewohnt bei Dingen, die etwas mit Berlins berühmtestem Theater zu tun haben.

Stefan Pelz, Technischer Leiter der Volksbühne, sagt, dass vor allem die rostigen Stellen ausgebessert werden müssten. „An manchen Stellen hat sich der Hunde-Urin durch das Metall gefressen.“

Auch Designer Haußmann, der die Skulptur vor mehr als zwanzig Jahren nach einem Motiv des legendären Bühnenbildners Bert Neumann gestaltete, sieht das so. „Die scharfen Kanten die durch Korrosion entstanden sind, müssen begradigt werden“, sagt er, „sonst besteht Verletzungsgefahr.“ Gleichzeitig hätte er es auch gerne, dass man seiner Skulptur weiterhin ansieht, dass sie schon einiges erlebt und dementsprechend Patina angesetzt hat.

Ende Juni wurde das Räuberrad auf Geheiß des scheidenden Intendanten Frank Castorf aus dem Boden des Rosa-Luxemburg-Platzes gerissen.
Ende Juni wurde das Räuberrad auf Geheiß des scheidenden Intendanten Frank Castorf aus dem Boden des Rosa-Luxemburg-Platzes gerissen.
© Mike Wolff

Doch die Restauratorin des Berliner Stadtmuseums, die ebenfalls miteinbezogen wurde in die Pläne zur Aufhübschung der etwa vier Meter hohen Metallarbeit, möchte noch mehr an dieser herumpolieren als Rainer Haußmann. Der stellt in seinem Atelier in Oberschöneweide vor allem Möbel her, Designerstücke ohne jeden Schnickschnack.

Er baut auch nach den Ideen von Auftraggebern, aber bei seinem berühmtesten Werk möchte er ganz offensichtlich mehr sein, als jemand, der einfach die Vorstellungen anderer umgesetzt hat.

Wie das erneuerte Räuberrad am Ende auch immer aussehen wird – unklar bleibt zudem, was genau mit ihm nach nach der Restauration geschehen soll. Rainer Haußmann hat auch dazu natürlich eine Meinung: „Das Rad war vor der Volksbühne Richtung Osten ausgerichtet. Ich würde es jetzt, wo etwas Neues beginnt, spiegelverkehrt nach Westen ausrichten.“

Wer hat nun wirklich die Entscheidungsgewalt über die Zukunft des Kolosses?

Und Stefan Pelz von der Volksbühne sagt, dass bei ihm im Haus jeder Mitarbeiter seine eigene Meinung dazu hat, was mit dem Symbol der Castorf-Zeit während der Dercon-Intendanz zu tun sei. Die einen wollen es wieder vor der Volksbühne haben, die anderen sträuben sich noch gegen diese Versöhnungsgeste.

Sogar ein kleiner Juristen-Streit ist inzwischen über Haußmanns Schöpfung entbrannt, der sich wiederum belustigt darüber zeigt, welche Karriere seine Schweißerarbeit inzwischen gemacht hat. Wer hat nun wirklich die Entscheidungsgewalt über die Zukunft des Kolosses?

Der Senat, der ihn für damals 11.000 DM erworben hat? Lenore Blievernicht, die Witwe des vor zwei Jahren verstorbenen Bert Neumann und damit Inhaberin des Urheberrechts am Rad-Motiv? Oder Frank Castorf, ohne den es die Skulptur nie gegeben hätte und der schlichtweg immer und ewig ein Mitspracherecht hat, bei allem, was die Volksbühne betrifft?

Die Kulturverwaltung verweist auf einen Vertrag, der zwischen Castorf, der Neumann-Witwe und dem Senat geschlossen wurde. Demnach ist die Sache, unabhängig von juristischen Spitzfindigkeiten, ganz einfach: Einigen sich Castorf und Lenore Blievernicht gemeinsam auf einen alternativen Standort für das Räuberrad, wird es dorthin kommen. So steht es in dem Vertrag. Ist dies nicht der Fall, kehrt es im Sommer zu Beginn der nächsten Spielzeit, dorthin zurück, wo es einst stand. Zurück vor die Volksbühne.

Andreas Hartmann

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