Rekord-Überschuss in Berlin: Wie sollen die zusätzlichen Milliarden verteilt werden?
Lange beriet der Senat bei seiner Klausur über die Verteilung des Überschusses. Schon vorab wurde klar: Es sollen Schulden getilgt werden – und investiert. Ein Überblick.
Zu Beginn der Senatsklausur am Dienstag war die Stimmung noch gut. Die Regierungskoalition unterstrich, dass man „gemeinsam Probleme anpacken“ werde. Und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) betonte am Dienstagnachmittag am Rande der Klausurtagung, Rot-Rot-Grün habe einen „gemeinsamen Arbeitsrhythmus gefunden“ und „wesentliche Akzente“ gesetzt. Auf der Klausurtagung debattierte die Koalition zunächst über Verwaltungsreform und Umsetzung des Rekord-Überschusses 2017 von 2,16 Milliarden Euro. Erst am Abend sollten die in der Koalition nicht konfliktfreien Themen Wohnungsbau, innere Sicherheit und Mobilität besprochen werden.
Rot-Rot-Grün hat sich darauf verständigt, dass vom Rekord-Überschuss 2017 in Höhe von 2,1 Milliarden Euro eine Milliarde Euro in die Tilgung der 59 Milliarden Schulden fließen soll. Acht Bezirke sollen zusätzlich je sechs Millionen Euro für eigene Vorhaben erhalten. Und vier, das sind Spandau, Pankow, Hellersdorf-Marzahn und Lichtenberg, werden angesichts größerer Projekte wie zum Beispiel die Rathaussanierung in Spandau mehr Geld erhalten. „Wir sind in der Lage, durchaus flexibel zu reagieren“, sagte Kultursenator und Bürgermeister Klaus Lederer (Linke). Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) betonte, dass der Rekord-Überschuss auch deshalb zustande kam, weil „Mitte-Links die Ausgabenlinie eingehalten“ habe.
Berliner Verwaltung soll schneller werden
Zu Beginn der Klausur referierte Heinrich Alt, der Leiter der Expertenkommission zur Verwaltung, mündlich über Anerkennungskultur in der Verwaltung, bessere Ausstattung des Personals, Digitalisierung und Erfahrungen anderer Metropolen. Alt habe einen Folienvortrag gehalten, sagte Müller, „ein präziser Bericht mit vielen Details“. So könnte das Stellenbesetzungsverfahren in Berlin „wesentlich besser“ abgestimmt werden. Man wolle mit Alt zwei bis drei Themen detaillierter besprochen. Der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning, werde das „konkret“ formulieren. Vieles schien am Dienstag nämlich noch nicht konkret benannt worden zu sein. Müller sagte, nach dem Referat von Alt habe man „ein Gefühl bekommen, wo wir nochmal nachsetzen müssen“.
Im Klartext heißt das, dass die Berliner Verwaltung schneller und serviceorientierter werden soll. Aber allein die Einführung der einheitlichen IT wird in Berlin noch Jahre dauern. Bisher seien lediglich 30.000 Arbeitsplätze in der Verwaltung digitalisiert, 30.000 müssten noch digitalisiert werden, sagte Müller.
Die Verteilung des Haushaltsüberschusses war das zweite große Thema der Klausur. Auf folgende Ausgaben hat sich die Koalition verständigt.
Grundstücke
Die Koalition will einen Fonds in Höhe von 150 Millionen Euro auflegen, um Grundstücke für das Land für Wohnungsbau, Schulbau und Infrastruktur anzukaufen. 50 Millionen Euro davon sollen für den Erwerb von Gewerbeflächen verwendet werden. „Die Flächenknappheit in Berlin spürt auch die Wirtschaft“, sagte Senatorin Pop. Deswegen wolle der Senat bei wollen bei Grundstücksankäufen „auch die Belange von Wirtschaft und Gewerbe berücksichtigen“.
S-Bahn
Für den Kauf von S-Bahnen soll eine erste Rate in Höhe von 113 Millionen Euro zurückgelegt werden. Das Land könnte bald Eigentümer von S-Bahn-Zügen werden. Die Zeit drängt, denn der Beschaffungsprozess für geplante 600 neue Doppelwagen muss mit einer Ausschreibung in diesem Jahr beginnen, damit es nach 2025 nicht erneut zu einem Engpass bei den Fahrzeugen kommt. Geschätzte Kosten für die Züge: rund 2,4 Milliarden Euro. Während die SPD einen S-Bahn-Betrieb aus einer Hand favorisiert, hatte Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) einen „Fahrzeugdienstleister“ ins Gespräch gebracht. Derzeit läuft eine Marktbefragung.
Tempelhof
In die Sanierung und den Ausbau des Flughafengebäudes Tempelhof sollen 117 Millionen fließen. Im Gebäude, das mit 200 000 vermietbaren Quadratmetern zu einem der größten der Welt zählt, soll sukzessive ein „Stadtquartier für Kunst, Kultur sowie Kultur- und Kreativwirtschaft“ entstehen.
Alte Münze
35 Millionen Euro sollen in das ehemalige Münzprägewerk am Molkenmarkt fließen. Lederer sprach von „prognostizierten Sanierungskosten“. Der Kultursenator möchte mit den 15 000 Quadratmetern in Mitte einen Kulturstandort errichten. Teile des Areals unterstehen der Verwaltungshoheit des Bundes, andere werden von der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) betreut.
Tourismus
Mit einer Million Euro wird ein Tourismus-Fonds bei der Senatskanzlei eingerichtet. Damit sollen „außergewöhnliche touristische und sportbezogene Maßnahmen“ umgesetzt werden. Der Senat hat gestern auch das Tourismus-Konzept verabschiedet.
Justiz
Nach Tagesspiegel-Informationen soll der Justizbereich zusätzlich 31 Millionen Euro unter anderem für die Sanierung der Justizvollzugsanstalten erhalten. Berlins Gefängnisse gelten im Bundesvergleich nicht als besonders unsicher. Die Haftanstalten sind vergleichsweise alt, die verwinkelte Bauweise gilt als unzeitgemäß.
Krankenhäuser
20 Millionen Euro zusätzlich sollen dem Vernehmen nach in die Krankenhausfinanzierung fließen. Im Doppelhaushalt sind in diesem Jahr 120 Millionen, im kommenden Jahr 140 Millionen Euro vorgesehen. Das reicht nicht, um notwendige Investitionen in Höhe von fast 260 Millionen Euro zu finanzieren.
Wohnungsbau
Nach Kritik an der Wohnungsbaupolitik der Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) plädierte die SPD für einen „Lenkungskreis“ unter Vorsitz des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD). Die Koalition wird sich wohl auf einen Lenkungskreis verständigen, der bei Konflikten moderieren soll. Allerdings soll dieser dem Vernehmen nach von Lompscher selbst geleitet werden. Über die weiteren Ergebnisse der Klausur will die Koalition am heutigen Mittwoch informieren.