Steigende Mieten auch ohne Luxussanierung: Wie sinnvoll ist Berlins Umwandlungsverbot?
Es soll die Gentrifizierung aufhalten. Doch das Verbot von Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen in den Milieuschutzgebieten Berlins ist umstritten. Einige Bezirke winken ab: mehr Aufwand als Nutzen.
Wenn es auf dem Berliner Immobilienmarkt so weitergeht wie in den Vorjahren, finden Mieter in der Hauptstadt immer schwieriger eine erschwingliche Mietwohnung. Diese These steht über der Debatte über die boomenden Immobilienmärkte der Mieterstadt Berlin, wie in Stein gemeißelt. Zuletzt äußerte sich Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, so: „Dem Berliner Mietwohnungsmarkt werden immer mehr Wohnungen durch die verstärkte Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen entzogen.“ Er bezog sich damit auf den jüngsten Grundstücksmarktbericht und schlussfolgerte: „Die sogenannte Gentrifizierung ist daher auch in 2014 weiter vorangeschritten.“ Es seien inzwischen mehr Eigentumswohnungen im Angebot als Mietwohnungen. Und die stünden „zur Anmietung nicht zur Verfügung“.
Stimmt diese Behauptung? Lassen sich Gentrifizierung und Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen einfach so ursächlich aufeinander beziehen? Und gibt es größere empirische Untersuchungen, die Gentrifizierungsprozesse in Berlin nachweisen?
Die Verdrängung soll mit dem Verbot verhindert werden
Was belegt in dieser Hinsicht zum Beispiel der Abschlussbericht der S·T·E·R·N Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung mbH („Empfehlungen zum Erlass einer Umwandlungsverordnung in Berlin“), der im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt in Zusammenarbeit mit der Kanzlei Gassner, Groth, Siederer & Coll unter den Daten April 2013/Februar 2015 vorgelegt wurde? Die in Teilen immer noch unter Verschluss gehaltene 70-seitige „Untersuchung“, die dem Tagesspiegel exklusiv und komplett vorliegt, ist Grundlage der am 3. März 2015 vom Senat von Berlin beschlossenen und am 13. März 2015 in Kraft getretenen Umwandlungsverordnung. Seit sie gilt, ist die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in 21 Gebieten Berlins genehmigungspflichtig und wird nur in begründeten Ausnahmefällen erlaubt. Die Verdrängung von Teilen der Bevölkerung aus ihren angestammten Wohngebieten soll so verhindert werden.
Die Frage, ob ein Umwandlungsverbot mit dieser Zielsetzung sinnvoll ist, wird im Abschlussbericht indes gar nicht erst diskutiert. Einen empirischen Teil gibt es nicht, mithin auch keine Sozialstudien, keine Dokumentation von Einkommens- und Mietpreisentwicklungen in einzelnen Bezirken, bzw. deren Mikrolagen. Der Bericht stützt sich vor allem auf diese Annahme: „Die Situation hinsichtlich des Modernisierungspotenzials als auch des Aufwertungs- und damit verbundenen Verdrängungsdrucks bei der Umwandlung von Wohnungen begründet auch für Berlin einen Handlungsbedarf.“
"So'ne" und "solche Investoren
Unternehmen und Eigentümer, die Miethäuser in Eigentumswohnungen umwandeln wollen, sind laut S·T·E·R·N-Untersuchung allesamt unter diesen einen Generalverdacht zu stellen: „Es muss (…) die begründete Annahme bestehen, dass infolge des Kaufs ein Verdrängungseffekt ausgelöst werden kann (…). Ein Teil der Kommentarliteratur geht davon aus, dass beim Verkauf von Altbauten in einem sozialen Erhaltungsgebiet bereits die allgemeine Lebenserfahrung auf eine erhaltungswidrige Verwertungsabsicht des Käufers schließen lässt und deshalb eine Feststellung entsprechender Tatsachen nicht erforderlich ist.“ Mit dem „gesundem Menschenverstand“ ließe sich ins Blaue hinein weiter fabulieren, dass im Umlauf befindliche Vorurteile über Vermieter nicht weiter überprüft werden müssen, weil sie ohnehin stimmen.
An anderer Stelle machen die Verfasser (Projektleitung: Theo Winters) je nach Modernisierungsvorgehen „so’ne“ und „solche“ Investoren aus: „Sofern eine Immobilie im Bestand gehalten wird, halten sich die durchgeführten Maßnahmen meist im Rahmen, es wird in der Regel nicht mehr als ein zeitgemäßer Standard hergestellt, der eine nachhaltige Vermietbarkeit verspricht. Umgekehrt wird bei Vorhaben im Zusammenhang mit der Begründung von Wohneigentum eine ,höherwertige’ Ausführung oder die Schaffung von speziellen Merkmalen beantragt, die letztlich zu Problemen hinsichtlich der Sozialverträglichkeit führen.“ Merke: „Nicht so renditeorientierte Unternehmen und Eigentümer“ beantragen laut S·T·E·R·N „typischerweise die Erneuerung oder den Einbau von Zentralheizungen, Fenstern ggf. den Ersteinbau von Bädern oder auch Toiletten.“
In Neukölln hält man von der "Umwandlungsverordnung" wenig
Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, hat seine Klientel vor diesem Hintergrund fest im Blick, wenn er soeben „vor allem an die Bezirksämter Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte, Neukölln und Treptow-Köpenick“ appelliert, „endlich Gebiete mit sozialer Erhaltungsverordnung festzulegen, damit auch in diesen Bezirken mit dem Schutz vor Verdrängung begonnen wird“.
Wild weiß, an wen er appelliert. Denn Neukölln zum Beispiel hält von dem Instrument der „Umwandlungsverordnung“ wenig: Die mit der baulichen Aufwertung verbundenen Probleme ließen sich nicht mit einem einzelnen städtebaulichen Instrument lösen. Im Übrigen sei die Begründung von Wohneigentum in Neukölln „als Problem nicht feststellbar“, so Akteure des Bezirks in der fraglichen S·T·E·R·N-Untersuchung. In Mitte ist „eine Ausweitung der Erhaltungsgebietskulisse (…) nicht geplant“ und in Treptow-Köpenick gab die Amtsleiterin des Stadtplanungsamtes in ihrer S·T·E·R·N-Stunde gar zu Protokoll: „Es geht im Bereich Wohnungspolitik eher um eine allgemeine Dämpfung des Mietanstiegs, als um eine in einem bestimmten Gebiet zu erhaltende Bevölkerungsstruktur.“
Die Begründung von Wohneigentum sei als städtebauliches Problem im Bezirk nicht erkennbar. Und in Pankow scheinen inzwischen gar Zweifel aufzukommen, ob die Umwandlungsverordnung im Rahmen des Erhaltungsrechts (Milieuschutz) nicht zum Eigentor werden könnte: „Ein Problem, dass sich mit dem Erhaltungsrecht nicht lösen lasse, blieben die sogenannten Substandardhäuser“, zitieren die S·T·E·R·N-Rechercheure Bezirksverantwortliche: „Hier besteht das Problem, dass schon die Schaffung eines zeitgemäßen Ausstattungsstandards zu Mietsteigerungen führt, die deren Bewohner oftmals nicht bewältigen können.“
Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen
Lichtenberg – als kommender In-Bezirk Berlins ausgerufen – hat Bedenken grundsätzlicher Art: „Soziale Erhaltungsgebiete seien nicht geplant, weil eingeschätzt wird, dass der Aufwand in keinem Verhältnis zum erzielbaren Nutzen steht. In diesem Zusammenhang wurde auf die Erfahrungen in Pankow verwiesen.“ Auch Friedrichshain-Kreuzberg hätte es aus diesem Grunde gerne eine Nummer kleiner: Der Bezirk „favorisiert die Auswahl von einzelnen Gebieten zur Erprobung des neuen Vorbehalts, bzw. der genaueren Einschätzung der personellen Auswirkungen“.
Bisher haben Hamburg und München Umwandlungsverbote eingeführt. Während sie in der bayrischen Landeshauptstadt seit 4. Februar 2014 gelten, ist der Genehmigungsvorbehalt an der Elbe seit 17 Jahren in Kraft. Mit ernüchterndem Erfolg, wenn es stimmt, was ein Stadtplaner des Bezirks Tempelhof-Schöneberg von einer Fachtagung laut S·T·E·R·N mitbrachte: Hier sei von Hansestädtern referiert worden, „dass zwar die Umwandlungsaktivitäten gegen null gebracht werden konnten, die Mieten aber gleichwohl steigen“.